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Lizenz für den VfL ohne Auflagen

Red; 15. Apr 2016, 21:51 Uhr
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Lizenz für den VfL ohne Auflagen

Red; 15. Apr 2016, 21:51 Uhr
Gummersbach – VfL-Manager Frank Flatten im Interview über die sportliche Situation, die Nationalmannschaft und einen völlig zerfledderten Spielplan - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.

Die Lizenzierungskommission der Handball-Bundesliga bekannt gegeben, dass der VfL Gummersbach zum zweiten Mal in Folge die Lizenz ohne Auflagen und Bedingungen erhält. Frank Flatten (Geschäftsführer VfL Gummersbach): „Das ist das Ergebnis der kontinuierlichen Arbeit des Beirates und auch unserer Geschäftsstelle. Der eingeschlagene Weg der Konsolidierung wird fortgesetzt und auch sportlich werden wir die gleiche Marschroute aufrechterhalten“, so VfL-Manager Frank Flatten. Sportlich sei man noch auf der Suche nach einem weiteren Rückraumspieler auf der rechten Seite, wofür man aber auch noch die finanzielle Grundlage schaffen müsse.   

In einem Interview stand Flatten im Übrigen Rede und Antwort:

OA: Die Spielzeit 2015/2016 geht allmählich in ihre entscheidende Phase. Nach 25 absolvierten Spielen sollten Sie beim Blick auf die Tabelle rundum zufrieden sein.

Flatten: Das bin ich, da dürfen Sie sicher sein. Mit 28 Punkten liegt die Mannschaft deutlich über dem Soll. Es sieht so aus, als sollten wir noch einmal besser abschneiden als in der vergangenen Saison, als wir mit Platz zehn sämtliche Erwartungen übertreffen konnten. Aber das war ja auch unser Saisonziel.

OA: In der Tabelle ist der VfL sogar in Schlagdistanz zu den Europacup-Plätzen.
Flatten: Jetzt müssen wir die Kirche aber im Dorf lassen. Die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb sollte allenfalls unser mittelfristiges Ziel sein. Wenn wir also darüber nachdenken, dann perspektivisch. Die Voraussetzung dafür aber ist, dass wir unsere bislang so erfolgreiche Arbeit konsequent fortsetzen werden und weiterhin alles dafür tun, dass Klub und Mannschaft sich weiterentwickeln. Dann ist die Rückkehr des VfL Gummersbach auf die internationale Bühne eines Tages nur noch die logische Konsequenz daraus.

OA: Vor drei Jahren war der VfL ein Abstiegskandidat, heute darf zumindest wieder von internationalen Spielen geträumt werden?

Flatten: Es ist doch schön, wenn sich die Erwartungshaltung unserer Fans und unseres Umfeldes dahingehend verändert, dass die Ansprüche nun wieder wachsen dürfen. Das ist ein Beleg für unsere herausragende Arbeit in den vergangenen Jahren und eine Bestätigung dafür, dass wir damals den richtigen Weg eingeschlagen haben, als wir auf junge Leute – zum Teil aus der Region – und auf eine herausragende Ausbildung unseres Nachwuchses setzten. Die Mannschaft, die sich heute in der oberen Tabellenhälfte befindet, ist die zweitjüngste der gesamten Liga und setzt sich zu mehr als 80 Prozent aus deutschen Spielern zusammen. Deshalb sind wir mit der sportlichen Entwicklung der vergangenen zwei Jahre überaus zufrieden. Und man darf dabei auch nicht vergessen, dass diese Entwicklung vor der riesigen Herausforderung der wirtschaftlichen Konsolidierung geschah. Insofern war die Entscheidung zwar absolut richtig, aber auch sehr mutig, weiterhin einen sechsstelligen Eurobetrag in die Förderung des eigenen Nachwuchses zu investieren. Dies werden wir auch weiterhin tun.

OA: Fans und Umfeld honorieren diese Entwicklung?
Flatten: Stimmt! Wir haben einen deutlichen Anstieg im Bereich der Zuschauerzahlen in der neuen Schwalbe Arena. Es fehlt nicht mehr viel, dann können wir bei jedem Ligaspiel ein „Ausverkauft!” vermelden. Die Stimmung in der Arena ist ohnehin fantastisch und überträgt sich auf das ganze Team. Das ist in den vergangenen drei Jahren richtig was zusammengewachsen. Eine Entwicklung, die auch daran ablesbar ist, dass mittlerweile richtig viele Fans auch zu den Auswärtsspielen mitfahren. Rund um den VfL hat sich eine richtige Fanbasis entwickelt.

OA: Ist nicht ist auch die Tatsache erfreulich, dass auch der Bundestrainer wieder verstärkt auf Gummersbacher Akteure zurückgreift?
Flatten: Wir sind ja vor drei Jahren auch mit der Prämisse angetreten, dem deutschen Handball und der DHB-Auswahl helfen zu wollen, indem wir Spieler für die Nationalmannschaft ausbilden. Damals hat man uns „etwas belächelt“ – nun ist es uns auch gelungen. Neben Carsten Lichtlein und Evgeni Pevnov, die schon längst zum Kader der Auswahl gehören, haben wir mit Julius Kühn, der aus der 2. Liga zu uns kam, und mit Simon Ernst, der noch vor zwei Jahren in der 3. Liga spielte, gleich zwei aktuelle Nationalspieler gefördert und entwickelt, die zuletzt in Polen sogar Europameister wurden. Das freut uns riesig und macht uns auch wahnsinnig stolz.

OA: Was halten Sie von dem Plan der Champions-League-Teilnehmer, den Kader eines Spiels  von 14 auf 16 Spieler aufzustocken?
Flatten: Das ist eine viel zu komplexe Diskussion, um das mit wenigen Worten zu beantworten. Meine Haltung zu diesem Thema ist dabei auch noch nicht eindeutig. Einerseits halte ich das Ansinnen für überflüssig, da doch schon heute jeder Klub so viele Spieler verpflichten kann, wie er möchte. Er könnte dann von Spiel zu Spiel mit einem rollierenden System seine Spieler so einsetzen, um ihnen die erforderlichen Regenerationszeiten zu geben. Das Argument, besonders talentierte Spieler könnten auf diese Weise gefördert werden, ist für mich nicht stichhaltig. Im Gegenteil: Genau diese Spieler, bekämen bei anderen Klubs deutlich mehr Spielanteile und würden in ihrer Entwicklung deutlich besser gefördert, als bei einem Topclub Spieler Nummer 15 und 16 zu sein und kaum zum Zuge zu kommen oder nur, wenn Spiele entschieden sind. Andererseits sehe ich die Topclubs natürlich auch als sehr wichtig für die Liga an!


OA: Droht eine Entwertung der Bundesliga durch immer mehr internationale Spiele?

Flatten: Die Bundesliga ist die am besten funktionierende Liga in Europa. Das ist ein absolutes Premium-Produkt, das es zu schützen gilt. Das Leben wird der Liga aber stets durch eine Ausweitung des internationalen Spielkalenders erschwert. Es gibt mittlerweile in jedem ein Großturnier – in diesem Jahr mit Olympia sogar zwei–, es gibt zahllose Qualifikationsspiele. Und es gibt eben diese aufgeblähte Champions League. Das fordert von jedem Topspieler in einem Topclub ein Maximum an Leistungsbereitschaft. Will heißen: Die Wunsch nach dem 15. und 16. Spieler entsteht ja ausschließlich bei den großen Klubs. Wer nicht international spielt, hat diese Belastung nicht.

OA: Da könnten sich die kleineren Klubs doch mit den sportlichen Branchenführern solidarisch zeigen.
Flatten: Das tun wir doch schon seit vielen Jahren. Wir ertragen doch nahezu klaglos einen total zerfledderten Spielplan, weil die CL am Wochenende ausgetragen wird. Mehr noch: Durch die Verlegung vieler Spiele in die Woche leidet die Liga nicht nur unter mangelnder Transparenz, was übrigens bei TV-Anstalten ein starkes Argument gegen weitere Übertragungen ist. Den Klubs entgehen im Laufe einer Saison dadurch Zuschauereinnahmen in teilweise sechsstelliger Höhe, weil die Spiele unter der Woche terminlich nicht ansatzweise so attraktiv sind, wie die am Wochenende. Unser innigster Wunsch, die CL-Spiele nicht mehr am Wochenende auszutragen, bleibt ungehört. Wünschenswert wäre, die Bundesligaspiele wie im Fußball grundsätzlich auf das Wochenende zu legen und hier einen einheitlichen Spieltag zu haben. Und hier benötigt die Liga die Solidarität.

OA: Ist das realistisch?
Flatten: Das weiß ich nicht. Aber ich werde nicht müde, das einzufordern. Wenn ich mir CL-Übertragungen vom Wochenende anschaue, und es verlieren sich dann bei einigen Spielen nur wenige hundert Zuschauer in der Halle, blutet mir das Herz. Aber leider gelingt es uns  nicht, den Druck auf die EHF und die anderen Teilnehmer der Champions League auszubauen, um die unsinnigen Gruppenspiele zu reduzieren.

 
  
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