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Eindringlicher Appell gegen das Vergessen

fk; 10. Nov 2015, 11:08 Uhr
Bilder: Friederike Klein --- Gedenken und Mahnung zugleich war die Veranstaltung am jüdischen Friedhof in Nümbrecht.
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Eindringlicher Appell gegen das Vergessen

fk; 10. Nov 2015, 11:08 Uhr
Nümbrecht – Die Grausamkeit der Reichskristallnacht vor 77 Jahren nahmen zahlreiche Bürger am jüdischen Friedhof in Nümbrecht zum Anlass, den Verfolgten von damals zu gedenken und vor den Gefahren neuer Verführer zu warnen.
Von Friederike Klein

Zahlreiche junge und ältere Bürger waren der Einladung der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ), dem Freundeskreis Nümbrecht/Mateh Yehuda, dem Freundeskreis Wiehl/Jokneam und der Gemeinde Nümbrecht zur Gedenkfeier an die Ereignisse des 9. November 1938 gefolgt. „Gerade heute erinnern wir uns, dass Menschen, die mitten im Oberbergischen Kreis lebten, abgeholt und in die Vernichtungslager geschickt wurden. Es waren Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen – Menschen wie Du und ich“, betonte der ehemalige Landrat Hagen Jobi in Vertretung für Ulrich Stücker, Bürgermeister von Wiehl. Er erinnerte an die „schreckliche Nacht vor 77 Jahren“. Die Pogrome seien der Beginn zur systematischen Verfolgung gewesen, die später in den Holocaust gemündet seien.


[Der frühere Landrat Hagen Jobi verdeutlichte, dass die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus auch vor Oberberg nicht haltmachte.] 

Unauslöschlich gehöre diese dunkle Vergangenheit zur deutschen Geschichte und „die Erinnerung daran ist uns Beschämung und Ermahnung zugleich.“ In seiner Rede schilderte Jobi eindrücklich den Verlauf der Geschichte in Oberberg und die Verbrechen, die an den jüdischen Bürgern hier begangen wurden. „Es geht um Menschen, deren Namen wir nicht vergessen dürfen, denen nicht geholfen wurde, Menschen wie der Kinderarzt Simons aus Gummersbach, die Familie Bettelheiser in Waldbröl, die Familien Baer, Herz und Goldbach aus Nümbrecht.“ Auch die zerstörten Synagogen in Ruppichteroth und Nümbrecht, der demolierte jüdische Friedhof, Plünderungen und Zwangsverkäufe von Grundstücken und Häusern hätten dazu gehört. „Der kanadische Historiker Christopher Browning stellt zu Recht fest: Der Holocaust ist eine Geschichte mit viel zu wenig Helden und viel zu vielen Tätern und Opfern“, stellte Jobi fest.


Gerade die Gedenkstunde sei „eine Stille des Schreckens, des Innehalten, des Erinnerns und vor allem des Wachhaltens. Wie jedes Jahr, erst recht im Herbst 2015 gilt es: Gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen, sich gegen Hass und Gewalt aufzulehnen“, forderte er die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung auf, Zeichen zu setzen.    



Traditionell hatten Schüler, in diesem Jahr des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Wiehl, die Gedenkstunde mit vorbereitet. In einem Projektkurs hatten sie eine Schautafel erstellt. Hier stellten sie die antisemitische Vorgehensweise der Nationalsozialisten dar, die in Deutschland und auch in Nümbrecht geschahen. Intensiv hatten sie sich mit den damals hier ansässigen jüdischen Bürgern auseinandergesetzt. „Zum Gedenken an die erwähnten und nicht erwähnten“ und als „Mahnung für die neuen Verführer“ legten Anette Tillmann und Inge Kühn von der CJZ einen Kranz nieder. Auch Wolfgang Birkholz, Vorsitzender des CJZ, machte die Aktualität deutlich, denjenigen entgegenzutreten, die die humanistischen Werte und die Demokratie missachten.


[Zu Herzen gehende Musik spielte Klarinettist Tobias Gubesch.]
  
Nach der Verlesung aller Namen jüdischer Mitbürger, die damals deportiert wurden, las Gerhard Herrmann, Vorsitzender des Freundeskreis Wiehl/Jokneam den Psalm 85 und Marion Reinecke, Vorsitzende des Freundeskreis Nümbrecht/Mateh Yehuda, das Kaddisch-Gebet aus dem Talmud zum Abschluss vor. Musikalisch begleitete Tobias Gubesch die Gedenkfeier auf seiner Klarinette. Wilfried Hahn, ehemaliger Vorsitzender der CJZ, erinnerte sich an den Beginn der Gedenkfeiern. „Zu viert und mit Taschenlampen“ fand die erste Veranstaltung statt. Er freute sich darüber, dass immer mehr Menschen gedenken würden und in der heutigen Zeit achtsam seien.
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