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Märchenzeit im Marienheider Rat

bv; 30. Sep 2015, 13:10 Uhr
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Märchenzeit im Marienheider Rat

bv; 30. Sep 2015, 13:10 Uhr
Marienheide – Entsprechend der Vorgaben der Aufsichtsbehörden ist die Gemeinde finanziell auf einem guten Weg – Die Wahrheit sieht indes völlig anders aus.
Von Bernd Vorländer

Parallelgesellschaften und –entwicklungen sind selten von Vorteil. Sie trüben den Blick und geben nur ein Zerrbild der Wirklichkeit. Am Ende wähnt man sich im Land, in dem Milch und Honig fließen, tatsächlich aber ist Schmalhans Küchenmeister und der Gürtel immer enger zu schnallen. So ähnlich ist es jedenfalls in Marienheide. Dort gibt es zum einen die offizielle Haushaltslage. Die hat sich scheinbar positiv entwickelt, nachdem die Gemeinde seit dem Jahr 2011 zum Stärkungspakt Stadtfinanzen gehört. In den ersten Jahren erhielt man hohe Landeszuschüsse, um in der Übergangszeit mit teils schmerzhaften Einsparungen die Voraussetzungen zu schaffen, damit man ab dem Jahr 2016 positive Zahlen ausweisen kann. Hallennutzungsgebühren wurden eingeführt, die Steuern teils drastisch erhöht, Ausgaben gekürzt. Tatsächlich weist der Ergebnisplan 2016 nunmehr sogar ein leichtes Plus aus.

Doch echte Freude will im „Heier“ Rathaus nicht aufkommen. Und wenn selbst der Leiter der Kämmerei bei der gestrigen Einbringung des Haushalts 2016 eher gemischte Gefühle beim Zahlenstudium hat, ist dies Signal genug, dass Marienheide in eine finanziell höchst brisante Zukunft geht. „Vorsicht, es wird ein Überschuss ausgewiesen, weil dies die gesetzliche Vorgabe verlangt“, äußert sich Simon Woywod reichlich kryptisch. Und er untermauert seine hörbare Skepsis mit Zahlen, die zeigen, dass das Heier Finanzgebäude auf Hoffnungen aufbaut, aber nicht über ein sicheres Fundament verfügt. Schon in diesem Jahr  bleiben die Gewerbesteuereinnahmen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Zurzeit fehlen 700.000 € an den ursprünglich kalkulierten 6,2 Millionen Euro. Insofern ist auch das Ergebnis für das Jahr 2017 nach unten zu korrigieren. Und das Schlimmste kommt erst noch. Voraussichtlich 2017 wird die Firma Abus Teile ihrer Produktion an den Stammsitz nach Gummersbach verlagern – und dann nur noch die Hälfte des ursprünglichen Gewerbesteueranteils in Marienheide entrichten.  


Hinzu kommt: Weil es der Gemeinde rechnerisch 2015 so gut geht, kappt das Land NRW im kommenden Jahr die Zuschüsse – und zwar direkt um etwa 40 Prozent. Dies alles zusammengenommen ist die Realität schon eine völlig andere, als das Wolkenkuckucksheim, das die Aufsichtsbehörden gerne malen. Ganz verquer wird die Wirklichkeit, wenn die finanziellen Belastungen durch die Versorgung der Flüchtlinge noch dazugerechnet werden, zumal die Bezirksregierung in Köln ausweislich eines anderen Falles im Oberbergischen, die Betreuung der Flüchtlinge nicht als außergewöhnliche Belastung für die Kommunen anerkennt. Es gebe derzeit keine rechtliche Zusage, in welcher Höhe Bund oder Land die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge übernehme. Im Rathaus geht man von einer 70-prozentigen Kostenerstattung aus. Sollte dies nicht als dauerhafte Lösung festgeschrieben werden, müsse man mit Grundsteuer B-Hebesätzen weit jenseits der 1.000 Prozent rechnen, warnte Wojwod.

Dass trotz dieser dunklen Wolken noch investiert wird, verdeutlichte der bald scheidende Kämmerer Manfred Himmeröder. Insgesamt 2,6 Millionen Euro gibt die Gemeinde aus, davon 736.000 € für das Straßen- und Wegenetz, etwa 300.000 € für den Brandschutz und die Verbesserung der Löschwasserversorgung. Es sei der 27. und letzte Haushalt, den er als verantwortlicher Kämmerer dem Rat vorlege, „und ich muss feststellen, dass es der Gemeinde finanziell eigentlich noch nie richtig und anhaltend gut gegangen ist“, zog Himmeröder sein persönliches Fazit. Der Grund liege in der bestehenden Strukturschwäche und der ständig schwankenden, der Konjunkturentwicklung geschuldeten Gewerbesteuerentwicklung.
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