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Neustädter fühlten Landratskandidaten auf den Zahn

fj; 20. Aug 2015, 12:32 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Deutlich mehr Zuschauer als erwartet wollten die Kandidaten um das Landratsamt kennen lernen.
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Neustädter fühlten Landratskandidaten auf den Zahn

fj; 20. Aug 2015, 12:32 Uhr
Bergneustadt – Der Heimatverein ‚Feste Neustadt‘ hatte die Landratskandidaten zur Diskussionen in den Krawinkelsaal geladen – Ingeborg Mohr-Simeonidis, Jörg Bukowski und Jochen Hagt stellten sich Fragen und Vorwürfen.
Platzte der Krawinkelsaal bei der Vorstellung der Bergneustädter Bürgermeisterkandidaten im vergangenen Jahr noch aus allen Nähten, hatten sich zu der gestrigen Vorstellung der Kandidaten um das Landratsamt deutlich weniger Zuschauer eingefunden. Dennoch waren es deutlich mehr als erwartet, freute sich Walter Jordan, der im Namen des Veranstalters, dem Heimatverein ‚Feste Neustadt‘, im Krawinkelsaal begrüßte.


[Jochen Hagt, Kandidat der CDU und FDP sowie jetziger Kreisdirektor.]

Von Moderator Bernd Vorländer, Chefredakteur dieser Zeitung, ließen sich Ingeborg Mohr-Simeonidis (Die Linke), Jörg Bukowski (unabhängig, unterstützt von SPD, den Grünen, der Piratenpartei und Teilen der UWG Oberberg) und Jochen Hagt (CDU, unterstützt von der FDP) auf den Zahn fühlen. Fünf Minuten bekam jeder Kandidat Zeit, um zu erklären, was er für Oberberg bewirken wolle. Während Mohr-Simeonidis ihre Redezeit für die Vorstellung ihrer Person nutzte, in der sie deutlich machte, dass sie bereit sei, all ihre Energie in das Amt des Landrats zu stecken, wurden ihre männlichen Kontrahenten konkreter: Als Morsbacher Bürgermeister sei er nah an den Menschen und wisse, was die Bürger bewegt. Diesen Blick wolle er sich auch im Landratsamt bewahren und mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen um dort anzupacken, wo es notwendig sei, so Bukowski.


Hagt führte die Erfolge ins Feld, die er als Kreisdirektor gemeinsam mit dem jetzigen Landrat, Hagen Jobi, erreicht habe. So wurden der Tourismus und die Wirtschaftsförderung neu aufgestellt, das Rettungswesen optimiert und Fördermittel über das LEADER-Programm oder die Regionale 2010 in den Kreis geholt. Diese Arbeit wolle er fortführen. „Somit stehe ich für Verlässlichkeit und beste Kontakte in die Region – aber nicht für ein einfaches weiter so“, versuchte er seinem Gegenkandidaten Bukowski, der mit „neuem Schwung für Oberberg“ für sich wirbt, gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln zu nehmen.


[Jörg Bukowski (li.) stellt sich den Fragen von Moderator Bernd Vorländer.]

Die Schaffung einer „oberbergischen Identität“, Demographie, Finanzen – darin, dass die von Vorländer angeschnittenen Themen angepackt werden müssen, waren sich alle Kandidaten einig. Bukowski sah es als eine der wichtigsten Aufgaben des Landrats, die positiven Merkmale des Kreises nach außen zu tragen – um sowohl Einheimische wie auch potentielle Zuwanderer für Oberberg zu begeistern und so der demographischen Entwicklung zu begegnen. Mohr-Simeonidis setzte auf den Ausbau des kulturellen Angebots und eine Verbesserung der Verkehrslinien, um den Kreis auch nach außen hin attraktiv zu gestalten. Hagt betonte, dass das Oberbergische als „Marke“ für Lebensqualität und Existenzsicherheit in den Köpfen von möglichen Fachkräften verankert werden müsse, um Arbeitskräfte in die Region zu holen oder sie dort zu halten.


[Ingeborg Mohr-Simeonidis, Kandidatin der Linken.]

Deutlich bleihaltiger wurde die Luft beim Thema Finanzen. Während Mohr-Simeonidis der Finanzlage vergleichsweise gelassen entgegensah und für das richtige Verhältnis zwischen Eigenkapital und Schulden warb, machte Bukowski deutlich, dass die oberbergischen Kommunen von Kassenkrediten lebten. „Der Kreis dagegen schaut, was er für Ausgaben hat, schiebt noch das eine oder andere schöne Projekt hinzu und schreibt dann eine Rechnung an die Kommunen“, so Bukowski. Den Kommunen bleibe  nichts anderes übrig, als das Geld bei den Bürgern wieder einzuholen, warf er der Kreisverwaltung, zu der auch Hagt als Kreisdirektor gehört, vor. Als Landrat würde er darum gewohnte Strukturen auf den Prüfstand stellen und die Dinge neu und anders denken. Dazu gehöre für ihn auch ein engerer Austausch zwischen dem Landrat und den Kommunen, da er den Kreis zuallererst als Dienstleiter für die Städte und Gemeinden sieht. „Gute Zusammenarbeit sieht nicht so aus, dass der Landrat ein Unternehmen besucht und der örtliche Bürgermeister nichts davon weiߓ, machte er seinem Unmut Luft.

Den Vorwurf, er wisse nicht, wie es in den Kommunen aussehe, wies Hagt zurück und verwies auf sein gutes Verhältnis zu den Bürgermeistern. „Es ist tatsächlich nicht mehr im Topf“, wehrte er sich gegen das Bild des Kreises als verschlossenen Geldspeicher. Da der Kreis keine eigenen Steuereinnahmen habe, bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich über die Kommunen zu refinanzieren, um die ständig neuen Aufgaben, die das Land an die Kreise überträgt, zu erfüllen. Vorwürfe mussten sich die Bewerber jedoch nicht nur von ihren Konkurrenten gefallen lassen, auch die Wortmeldungen aus dem Publikum wurden zunehmend schärfer. So musste sich Hagt gar den Vorwurf gefallen lassen, er spiele sich jetzt schon als Landrat auf, während Bukowski zurechtgewiesen wurde, weil er anwesende Jugendliche duzte.



Mit einem kurzen Frage-Antwort-Spiel beendete Vorländer die Debatte. Hier positionierte sich Mohr-Simeonidis als Kandidatin, die als Landrätin alle Akteure an einen Tisch bringen will und fehlende Verwaltungserfahrung mit Lebenserfahrung wettmachen möchte. Bukowski sprach sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Kreis aus und stellte klar, dass es mit ihm als parteilosen Landrat Sachpolitik unabhängig von einem Parteibuch geben werde. Hagt warb mit seiner Erfahrung, die er ebenfalls dazu nutzen will, neue Wege zu suchen und zu gehen. Als Landrat verstehe er sich dabei als oberster Netzwerker im Kreis. Nach dieser zweistündigen Debatte dürfte der eine oder andere Besucher seinen Favoriten gefunden haben. Mit der Bitte, sich an der Landratswahl im September zu beteiligen, wurden Kandidaten und Zuschauer ins Foyer entlassen, wo es Gelegenheit für weitere Gespräche und Fragen gab.
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