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'Was der Einzelhandel macht, ist ein Trauerspiel'

fn; 18. Aug 2015, 17:20 Uhr
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'Was der Einzelhandel macht, ist ein Trauerspiel'

fn; 18. Aug 2015, 17:20 Uhr
Oberberg - Milchpreise unter 30 Cent pro Liter sorgen bei Landwirten für große Probleme - Vor allem Modernisierungen und Investitionen sind kaum mehr möglich - Die Bauern sehen die Schuld beim Einzelhandel und den Verbrauchern.
Von Fabian Nitschmann

Dietmar Strack hat in die Zukunft investiert. Ein neuer Stall für seine derzeit 150 Kühe, vor zwei Jahren errichtet, steht nun auf dem Hof in Hückeswagen. Den Betrieb für die Übernahme durch die Kinder bereit machen war das Ziel des Milchbauern. „Eigentlich sollen drei Familien von dem Hof leben können“, sagt Strack mit Blick auf Tochter und Sohn.

Doch derzeit macht sich der Landwirt eher Sorgen, wie der Betrieb langfristig Gewinne abwerfen soll. „Wir müssen gerade jeden Groschen zwei Mal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben“, so Strack. Grund dafür ist der stetig niedrige Milchpreis, der sich deutlich unter dem Vorjahresniveau bewegt: Während im Januar 2014 noch 40 Cent für einen Liter Milch an die Landwirte gezahlt wurde, sind es derzeit rund 28 Cent.



Grund für die schlechten Milchpreise sind vor allem globale Konflikte. „Obwohl das Angebot an Milch kaum ausgedehnt wurde, hat der Milchpreis angesichts des Russland-Embargos und schwächelnder Exportmärkte in den letzten Wochen deutlich an Boden verloren“, erklärte Helmut Dresbach kürzlich in einer Mitteilung.

Dresbach ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg und warnt in dieser Position vor einer akuten Schräglage, deren weitere Entwicklung die Bauern nicht beeinflussen können. Denn zu den Schuldigen zählt er in erster Linie den Lebensmittel-Einzelhandel. „Dort sieht man nur billig billig, den Verbraucher freut das und so wird Druck ausgeübt“, sagt Dresbach. „Die Bauern sind genervt.“

Ähnlich sieht es Bernd Schnippering, Landwirt aus Wipperfürth (Bild). Auch er ist auf die globalen Entwicklungen auf den Milchpreis angewiesen und sieht den Einzelhandel in der Pflicht. „Was dort mit uns Bauern gemacht wird, ist ein Trauerspiel. Ich hoffe, das rächt sich irgendwann einmal“, so Schnippering.

Der Wipperfürther hält derzeit 100 Milchkühe und möchte in die Modernisierung seines Hofs investieren. „Die letzten Maßnahmen sind bereits 30 Jahre her.“ Doch die aktuelle Marktlage lässt auch ihn vorsichtiger agieren. „Auf dem aktuellen Preisniveau sind keine Investitionen möglich.“

Den beiden Landwirten aus dem Oberbergischen sind die Hände gebunden, entscheidend reagieren können sie nicht. „Ein paar Liter mehr produzieren, rechnet sich nicht. Und wenn ich am Kraftfutter einspare, bekomme ich die Kühe nur sehr langsam wieder auf ihre aktuelle Leistung“, sagt Dietmar Strack. Hinzu kommt, dass zusätzliche Aufgaben nicht bewerkstelligt werden könnten. „Wir sind von der Arbeit her ausgelastet“, sagt Strack. Für zusätzliches Personal fehlt zudem das Geld.

Bernd Schnippering verlässt sich derweil auf die Hoffnung, dass nach jeder Talfahrt auch wieder ein Berg kommt. „2009 war ein schlechtes Jahr, 2012 ebenfalls, nun auch 2015. Dazwischen lagen aber auch gute Jahre“, so der Wipperfürther, der noch Chancen für die Umsetzung der geplanten Modernisierung sieht: „Es geht um Summen, bei denen man Mut beweisen muss.“

Einen schnellen Weg aus der Misere können die oberbergischen Landwirte selbst und auch die sie vertretenden Verbände nicht präsentieren. Schließlich wird ihre Situation von weitaus größeren Prozessen bestimmt. Lediglich einen Appell an die Verbraucher und den Einzelhandel senden Dresbach und Schnippering. „In meinem Bekanntenkreis würden die Leute auch ein paar Cent mehr für die Milch bezahlen“, so Schnippering. Schließlich sei die Belastung für den einzelnen Haushalt nicht groß, die Auswirkungen für die Landwirte dagegen immens.

Ein stetes „Weiter so“, da sind sich die drei sicher, ist für die meisten Betriebe ausgeschlossen. „Man lebt von den Ersparnissen. Wenn jetzt plötzlich ein Trecker kaputtgeht, wird es auf einmal richtig eng“, so Dietmar Strack.
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