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„Alkohol? Weniger ist besser“

lt; 17. Jun 2015, 14:35 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- (v. li.) Sonja Brachthäuser und Sabine Grützmacher (beide VSB gGmbH) mixten leckere alkoholfreie Cocktails, die sich auch Karin Keller, Sprecherin Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft „Sucht im Oberbergischen Kreis“, schmecken ließ.
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„Alkohol? Weniger ist besser“

lt; 17. Jun 2015, 14:35 Uhr
Gummersbach – Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft „Sucht im Oberbergischen Kreis“ informiert heute auf dem Lindenplatz über die gesundheitlichen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums auf und klärte, wann dieser überhaupt beginnt.
Von Lara Tonn

Zwei junge Leute torkeln am hellen Tag orientierungslos durch die Fußgängerzone in Gummersbach. Die ersten Schaulustigen sammeln sich bereits. „Wo ist denn diese Treppe?“, fragt einer der beiden, ein junger Mann, verwirrt. Er soll eine der Stufen bei den Wasserläufen auf dem Lindenplatz herunter gehen. Dabei fällt er fast um. Wären da nicht die auffälligen Brillen auf den Nasen der beiden, wäre das Urteil klar: Betrunken am helllichten Tag. Doch es sind so genannte Rauschbrillen, die für das Verhalten der beiden verantwortlich sind. „Einem wird schwindelig und alles verschwimmt vor den Augen“, erzählt eine andere junge Testerin, die noch vor wenigen Sekunden unsicher einen Fuß vor den anderen setzte. Sie konnte sich mit der 1,3 Promille-Brille kaum alleine fortbewegen und doch fahren manche Leute in diesem Zustand sogar noch Auto. Dies berichten die Akteure von der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft „Sucht im Oberbergischen Kreis“, die auf dem Lindenplatz ihren Stand anlässlich der bundesweiten Aktionswoche „Alkohol? Weniger ist mehr“ eingerichtet haben.


[Die Brille simuliert einen Alkohol-Rausch. Ohne Hilfe hätte es diese junge Frau nicht die Stufe herunter geschafft.]

Der Informationsstand ist auch mit Tests und Quiz-Fragen zur Selbsteinschätzung ausgestattet. Ein Regal mit verschiedenen Lebensmitteln macht die Bürger sprachlos: Viele Lebensmittel, gerade bei denen man es nicht vermutet, enthalten Alkohol. Eine reife Banane kann bis zu 1,0 % Alkohol enthalten, die Waffelschnitte „Knoppers“ enthält ungefähr 0,2 %. „Wir wollen lediglich bewusst machen, wo überall Alkohol drin ist. Das heißt nicht, dass wir diese Lebensmittel nicht mehr essen dürfen, doch für Alkoholiker könnten diese Informationen sehr relevant sein“, erklärt Karin Keller, Hauptverantwortliche des Standes und Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft.


Deren Botschaft lautet: Alkohol ist nicht grundsätzlich verboten, aber man sollte sich über die Risiken im Klaren sein. Denn Alkohol ist gefährlich und kann ein großes Gesundheitsrisiko bergen: Jedes Jahr sterben 74.000 Menschen an den Folgen ihres gesundheitlich riskanten Umgangs mit Alkohol. Nicht nur junge Leute, sondern auch Erwachsene neigen zum übermäßigen Konsum. Deshalb wird auch Soforthilfe angeboten, wenn Leute bei Tests oder Gesprächen merken, dass sie zu viel trinken. Es sind meistens die Angehörigen von Betroffenen, die als Erste die Initiative ergreifen und um Hilfe bitten. Informationsblätter – und hefte mit Tipps tragen hier schon sehr zur Aufklärung bei.


Davon, dass auch alkoholfreie Cocktails gut schmecken, konnten sich die Passanten direkt am Infostand überzeugen.]

Keller ist es wichtig, mit Mythen aufzuräumen. „Es heißt ja immer, exzessiver Alkoholkonsum wie das Komasaufen sei ein Problem der Jugend. Tatsache ist aber, dass es bei allen Altersgruppen in den vergangenen Jahren einen Anstieg der Fälle gab, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, weil sie zu viel getrunken haben. Darum richtet sich diese Aktion auch an alle Altersgruppen.“ Die Anonymen Alkoholiker (AA) sind ebenfalls beteiligte Akteure und händigen Fragebögen zum eigenen Trinkverhalten aus. „Oft wird man erst als Alkoholiker bezeichnet, wenn man zur Therapie muss. Dabei fängt es schon viel früher an: Wenn man durch das Trinken einen positiven Effekt erzielen will, wenn man trinkt, weil man traurig ist oder Langeweile hat“, erzählt ein Mitglied der Selbsthilfegruppe. Genuss kann schnell zur Sucht werden.

Gerade die Deutschen trinken auf hohem Niveau. Laut Keller trinken 90 Prozent der Erwachsenen öfters mal ein Schlückchen. Die konsumierte Menge alkoholischer Getränke pro Kopf würde eine normale Badewanne in einem Jahr füllen. Dabei sollten Frauen nicht mehr als durchschnittlich zehn Gramm reinen Alkohol pro Tag trinken, was 0,1 Liter Wein entspricht, Männer nicht mehr als zwei kleine Gläser, also beispielsweise 0,4 Liter Bier. Gut ist es auch, wenn an den meisten Wochentagen einfach gar nichts getrunken wird. Weniger ist einfach besser.

Weitere Informationen zur Aktionswoche unter www.aktionswoche-alkohol.de.
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