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Leidenschaft und Solidität – Der VfL etabliert sich

bv; 15. Jun 2015, 17:16 Uhr
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Leidenschaft und Solidität – Der VfL etabliert sich

bv; 15. Jun 2015, 17:16 Uhr
Gummersbach – Vieles richtig gemacht: Der blau-weiße Saisonrückblick – RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Bernd Vorländer

Die längste Bundesliga-Saison aller Zeiten liegt hinter den 19 Teams. Minden, Friesenheim, Erlangen und Bietigheim müssen den bitteren Gang in die zweite Liga gehen, der THW Kiel brachte seine 20. Deutsche Meisterschaft unter Dach und Fach – und der VfL Gummersbach schlug sich wesentlich besser, als mancher das vermutet hatte. Die alte Spielzeit ist Vergangenheit, Grund genug für Oberberg-Aktuell zurückzublicken und einen kleinen Ausblick zu wagen.

Erwartungen: Man wusste beim VfL nicht so genau, wo man eigentlich steht, als VfL-Trainer Emir Kurtagic im Juli 2014 zum Trainingsauftakt bat. Mit Barna Putics, Frederik Larsson und Michal Kopco hatten drei arrivierte Kräfte den Verein verlassen. Gekommen waren junge Spieler mit Potential, aber weitgehend ohne Erstliga-Erfahrung. Es glich ein wenig dem berühmten Tanz auf der Rasierklinge, aber der durch die finanziellen Harakiri-Aktionen der schon etwas zurückliegenden Vergangenheit notwendige Sparkurs ließ auch keine Verpflichtung von großen Namen zu. VfL-Manager Frank Flatten setzte auf die Jugend – sehr vernünftig, wie sich im Saisonverlauf zeigen sollte.


Saisonverlauf: Trainer Emir Kurtagic hatte im Interview mit Oberberg-Aktuell vor der Saison angekündigt, man wolle maximal unangenehm für alle anderen Mannschaften sein. Eben dies zeigte sein Team dann auch in vielen der 36 Spiele. Bereits früh bewies man mit überraschenden Siegen, welches Potential in der Mannschaft steckt und hatte quasi schon zur Saison-Halbzeit den Klassenerhalt sicher. Jedenfalls kam zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, der VfL müsse sich Sorgen machen. Dass bei einem solch jungen Team mit Leistungsschwankungen zu rechnen war, verstand sich eigentlich von selbst. So waren die Auswärtsniederlagen bei den späteren Absteigern, Erlangen, Friesenheim und Bietigheim bitter, aber lehrreich.

Personal: Mit Simon Ernst, der vom damaligen Drittligisten Dormagen in die Kreisstadt gewechselt war, hatte man einen Glücksgriff getan. Der 21-Jährige schaffte binnen eines Jahres nicht nur den Sprung in die Stamm-Sieben, sondern auch in die Nationalmannschaft. Er steht erst am Anfang einer Karriere, die durchaus künftig die Bezeichnung „groߓ bekommen könnte. Ernst hat gerade erst seinen Vertrag in Gummersbach bis 2018 verlängert, was aber im Profigeschäft nicht unbedingt etwas heißen muss. Gerade bei Ernst, aber auch bei Linksaußen Raul Santos muss man damit rechnen, dass finanzstarke VfL-Kontrahenten bereit sein werden, Geld in die Hand zu nehmen, um die beiden Blau-Weißen wegzulotsen.

Julius Kühn im Rückraum hatte zwar einige Durchhänger, dürfte aber auch noch enormes Potential besitzen. Alexander Becker zeigte in der Deckung solide Leistungen, konnte aber am Kreis kaum Akzente setzen. Die Neu-Verpflichtung von Evgeni Pevnov macht da Sinn. Eher enttäuschend verlief die Saison für Magnus Persson und Gunnar Stein Jonsson, die nur selten nachweisen konnten, das Team weiter zu bringen. Glanzstück des VfL war die Torhüterposition. Carsten Lichtlein und Matthias Puhle gehören sicherlich zu den stärksten Duos der Liga und waren für manchen Punkt gut.

Trainer: Die Karriere von Emir Kurtagic beim VfL Gummersbach glich zumindest in den vergangenen dreieinhalb Jahren einer Achterbahnfahrt. Als Retter hielt er die Blau-Weißen in der Saison 2011/12 in der Bundesliga, wurde dann aber in der Folge für manche Fehlleistung der Spieler verantwortlich gemacht, als man erneut den Abstieg nur knapp verhindern konnte. Doch spätestens in der gerade zu Ende gegangenen Spielzeit konnte Kurtagic zeigen, dass er in der Lage ist, junge Spieler weiterzuentwickeln und dem VfL-Spiel Struktur zu geben. Der 34-Jährige hat erheblichen Anteil an dem sportlichen Aufschwung, der zu verzeichnen ist.

Manager: Frank Flatten kam 2013 zum VfL – und musste sich zunächst mit einigen Vorurteilen auseinandersetzen. Vor allem fehle ihm Gummersbacher Stallgeruch, hieß es. Dass der überhaupt nicht nötig war, um sich zunächst parallel dem Aufbau eines neuen, jungen, willigen Teams und dem Abbau der enormen, von seinen Vorgängern angehäuften Verbindlichkeiten zu widmen, zeigte sich spätestens nach dem ersten Jahr seiner Amtszeit. Der VfL täte gut daran, den bis 2016 laufenden Vertrag mit Flatten um einige Jahre zu verlängern. Schließlich hat er die ihm gestellten Aufgaben mal mindestens mit einer glatten 2 absolviert, wenn man Schulnoten zugrunde legt. Niemand vorher hat so konsequent Schulden abgebaut und außerdem will Flatten auch selbst das Projekt VfL weiterführen.

Zuschauer: Die VfL-Fans haben für die vergangene Spielzeit eigentlich einen Sonderpreis verdient. Zahlreiche Spiele waren Gänsehaut pur und endeten in einem Hexenkessel, weil die blau-weißen Zuschauer ihre Mannschaft bedingungslos unterstützten. Leidenschaft gegen Leidenschaft lautete das Bündnis der Spieler mit ihren Fans. Das hat natürlich auch mit der Arena zu tun, die dem Verein aufgrund eines Zuschauerschnitts von 3.500 Zuschauern neue finanzielle Möglichkeiten eröffnet und sich zu einer echten „Hölle West“ entwickelt hat. Dagegen wirkt die altehrwürdige Eugen-Haas-Spielstätte wie eine Schulturnhalle.

Ausblick: Wenn es die VfL-Verantwortlichen schaffen, dass Umfeld und Fans mit ihren Erwartungen auf dem Boden der Tatsachen bleiben, dürfte der VfL in den nächsten Jahren dauerhaft einen Platz im vorderen Mittelfeld der Tabelle anstreben können. Dabei wird es finanziell entscheidend sein, weitere Partner der mittelständischen Wirtschaft ins Boot zu bekommen. Ein potenter Premium-Sponsor wäre ein Glücksfall, ist aber nicht planbar. Sportlich wird sich zeigen müssen, ob die Handball-Kooperationen mit dem Zweitligisten TuS Ferndorf und dem TuS Derschlag Früchte tragen. Hier bleiben Fragezeichen.


  
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