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„Es sind erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten“

Red; 15. May 2015, 11:24 Uhr
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„Es sind erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten“

Red; 15. May 2015, 11:24 Uhr
Oberberg – Daniel Brückner, Mitglied des Landesvorstands NABU NRW, äußert sich zu den geplanten Großwindkraftanlagen in Friesenhagen.
Die für den Oberbergischen Kreis zuständige Kreisgruppe NABU Oberberg hat am 7. Mai 2015 in einer Pressemitteilung ihre Bedenken zum Windpark-Teilabschnitt Nr.1 mit sechs (6) geplanten Großwindkraftanlagen angemeldet. Nun möchte ich mich als für den Oberbergischen Kreis zuständiges Mitglied des Landesvorstands NABU NRW aufgrund diverser Anfragen an mich, differenziert zu den Fakten äußern: Die Altus AG, eine Tochtergesellschaft der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG, hat vor kurzem ihre Pläne, zusätzlich zu den bereits in diesem Gebiet vorhanden fünf Windkraftanlagen, weitere achtzehn Großwindkraftanlagen zu errichten, vorgestellt.

Das Gebiet ist uns seit Jahrzehnten bekannt und dokumentiert, da es ein überregional wichtiges Paarungsgebiet des Großen Mausohrs und Brutgebiet des Schwarzstorches und der deutschen Verantwortungsart Rotmilan ist.

Weiterhin handelt es sich um einen Schwerpunkt des national wichtigen Zugvogelkorridors des Kranichs (ca. 40% aller Kraniche, die das Bergische Land überfliegen, fliegen über dieses Gebiet und kreisen dort bei schlechtem Wetter oft tagelang sehr tief fliegend und rasten auch in diesem Gebiet.) Es sind, per Definition, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind und eine uneingeschränkte Umweltverträglichkeitsprüfung mit öffentlicher Beteiligung notwendig machen.


Die zwei im Zusammenhang stehenden geplanten Teilabschnitte des Windparks mit sechs plus zwölf Großwindkraftanlagen, die zusätzlich zu den bereits vorhandenen fünf kleineren Windkraftanlagen nun gebaut werden sollen, überschreiten die UVP-pflichtige Grenze mit insgesamt dreiundzwanzig Anlagen. Gemäß UVPG ist daher eine uneingeschränkte UVP-Pflicht gegeben und durchzuführen. Unter anderem liegt die geplante Großwindkraftanlage Nr.6 direkt an das NSG 18 an (alte Eichenwälder und einem überregional wichtigen Paarungsgebiet streng geschützter Fledermausarten).

Die geplanten Großwindkraftanlagen Nr.1, 4, 5 und 6 liegen am Rand NSG 13 (Aubachtal, Nahrungsrevier Schwarzstorches).  Die Großwindkraftanlage Nr.1 + 6 blockieren zusätzlich den seit 20 Jahren dokumentierten Flugkorridor des Schwarzstorches von seinem Brutrevier zu seinem Nahrungsrevier.


Da der Windpark mit seinen insgesamt 23 Windkraftanlagen zusammenhängend von den betroffenen Ortslagen und Splittersiedlungen wahrgenommen werden wird und damit als eine in Natur- und Landschaft eingreifende Maßnahme in einem engen räumlichen Zusammenhang steht, handelt es sich hier eindeutig um ein kumulierendes Vorhaben.

Dies wird auch dadurch bestätigt, dass im Rahmen einer visuellen Betrachtung und faunistischen Bewertung eine nachhaltige Schädigung des Landschaftsbildes sowie des überregionalen Vogelzuges durch die sich abzeichnende Riegelwirkung des sich über insgesamt ca. acht Kilometer erstreckenden Windparks abzeichnet und damit eine Gesamtbetrachtung im Rahmen einer UVP des Wirkraumes vorzunehmen ist, um spätere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu vermeiden.


Alle diese vorgenannten Punkte zeigen, dass für die geplante Maßnahme nach UVPG auch im Rahmen einer BImSchG eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung durchzuführen ist. Ich weise auf diese Zusammenhänge hin, damit ein den gesetzlichen Regelungen konformes Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt wird, um eine spätere juristische Überprüfung des Verfahrens, Stillstandkosten und Regressansprüche, die uns alle gemeinsam belasten würden, zu vermeiden.

Uns als größtem staatlich anerkannten deutschen Naturschutzverband ist am Ausbau der erneuerbaren Energien sehr gelegen, und von den ca. 25.000 Windkraftanlagen, die im Augenblick in Deutschland im Betrieb sind, finden ca. 99% unsere Zustimmung, aber in diesem Fall hat die Kreisgruppe Oberberg in ihrer Pressemitteilung vom 7.Mai 2015 zu Recht an unsere gemeinsame Pflicht der Überprüfung der Angaben des Investors erinnert.

Wir sind sicher, dass die betroffenen Kommunen Kirchen (Friesenhagen), Morsbach und Reichshof, sowie auch der Oberbergischen Kreis und der Kreis Altenkirchen diesen ihnen bekannten Fakten Rechnung tragen wird.


Das augenblicklich von der Altus AG angestrebte vereinfachte Genehmigungserfahren mit Genehmigung stückweiser einzelner Großwindkraftanlagen, würde das vom Gesetzgeber vorgesehene Genehmigungsverfahren für einen Windpark mit 23 Windkraftanlagen aushöhlen und umgehen.

Hierzu ist anzumerken, dass das von der Altus AG angestrebte vereinfachte Verfahren verschiedenste Mitwirkungsprozesse (Öffentliche Beteiligung) außer Kraft setzt.

Es wären dann folgende Paragrafen z.B.  § 10 Abs. 2, 3, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Abs. 8 und 9 nicht anzuwenden,
ebenso finden
§ 11  Einwendungen Dritter bei Teilgenehmigung und Vorbescheid
und
§ 14  Ausschluss von privatrechtlichen Abwehransprüchen keine Anwendung. 
Im vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne UVP-Pflicht gibt es keine Öffentlichkeitsbeteiligung, keine Auslegung der Planung und keine Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände.

Auch kann gegen den Verzicht auf die UVP nicht geklagt werden, da die Anwendung  des UVPG kein selbständiges Rechtsgut darstellt, lediglich die formale Vorprüfung der Genehmigungsbehörde kann juristisch überprüft werden.

Ich als Mitglied des Landesvorstand NABU NRW, wie auch als Mitglied des NABU Oberberg, habe vollstes Vertrauen in die betroffenen Kommunen und Kreise, dass sie diesen bekannten Fakten Rechnung tragen werden und entsprechend der nach eigenen Aussagen der Altus AG angegebenen Größe des Windparks, das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Genehmigungsverfahren einfordern werden.

Daniel Brückner, Landesvorstandsmitglied NABU NRW

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