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Fragezeichen bleiben

bv; 6. May 2015, 22:25 Uhr
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Fragezeichen bleiben

bv; 6. May 2015, 22:25 Uhr
Gummersbach – Die neue Kooperation der alten Rivalen VfL Gummersbach und TuS Derschlag steht vor erheblichen Herausforderungen und behebt nicht die Defizite beim Bundesligisten.
Wenn sich zwei zusammenschließen, um stärker zu werden, so kann man das zunächst nur begrüßen. Der VfL Gummersbach und der TuS Derschlag machen gemeinsame Sache, um unterhalb der Bundesliga an der Nahtstelle zum Leistungssport jungen Spielern Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Man bündelt Kräfte, auch finanzielle, zieht an einem Strang. Doch es bleiben viele Fragezeichen. Zunächst muss die neue Spielgemeinschaft sehen, dass sie zwei konkurrenzfähige Mannschaften für Dritte Liga und Oberliga Mittelrhein stellen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies nicht annähernd sichergestellt. Schließlich gibt es nur noch drei Spieler aus der jetzigen Drittligamannschaft, die über einen Vertrag für die kommende Saison verfügen, der Rest verlässt die neue Handball-Sport-Gemeinschaft. Ungeklärt ist auch, was in Zukunft mit dem bisherigen Trainer der Drittligamannschaft, Georgi Sviridenko, geschieht, der noch einen Vertrag bis 2016 besitzt.


Die grundsätzlichen Krankheitssymptome, an denen der VfL Gummersbach seit vielen Jahren laboriert, werden mit dem Zusammenschluss der beiden Vereine jedenfalls nicht ad acta gelegt. Geradezu fahrlässig geht der VfL mit seinem Nachwuchs-Potential um. Es gab bislang keine adäquate Anschlussförderung, die junge Talente an die Bundesliga heranführt. Das Drittliga-Team war eher fünftes Rad am Wagen denn Kaderschmiede für künftige Bundesligaspieler. Zusammengewürfelt, ohne Kontinuität im Training, finanziell an einer extrem kurzen Leine geführt war man zwischenzeitlich auf das Mitwirken von Spielern aus dem Profibereich angewiesen, um die Klasse zu halten. Nachhaltiges Arbeiten für einen Trainer war hier unmöglich. Konsequenz: Seit Jahren verlassen die talentiertesten jungen Spieler die Blau-Weißen, um später dann bei Erst- und Zweitligisten wieder aufzutauchen. Seit Jahren schafft kein Absolvent der Jugendakademie den dauerhaften Sprung in die Bundesligamannschaft. Längst wäre es an der Zeit, diese Fehlentwicklungen zu diskutieren und zu korrigieren, sich selbst zu hinterfragen – doch geändert hat sich über die Jahre rein gar nichts.

Jetzt macht man einen neuen Anlauf und man kann nur hoffen, dass es jetzt klappt. Eines geht nämlich nicht: Wofür die intensive Jugendarbeit, die viel Geld kostet, wenn am Ende für den VfL Gummersbach nichts übrig bleibt, als das Wissen, junge Spieler gut ausgebildet zu haben? Zumal im Jugendbereich anderenorts – etwa in Berlin, aber auch in Magdeburg, Lemgo oder Leipzig - offenbar zielgerichteter gearbeitet wird. Bei der Sichtung herausragender junger Talente ist jedenfalls ein breiteres Gesichtsfeld und eine möglichst internationale Ausrichtung unverzichtbar. Doch dazu bedarf es auch eines entsprechenden Scouting-Systems, das es derzeit nicht gibt.   

In Zukunft werden Nachwuchsspieler in Gummersbach unterschiedlich gewichtet. Top-Talente werden beim TuS Ferndorf in der Zweiten Liga „geparkt“ und sollen dort Spielpraxis sammeln. Auf den ersten Blick ist dies sinnvoll, die Zukunft muss zeigen, ob dieses Modell auch funktioniert. Der große Rest wird je nach Leistungsvermögen in Dritter Liga oder Oberliga eingesetzt. Ob eine Veränderung der organisatorischen Strukturen hin zu einer Spielgemeinschaft auch eine Veränderung der Mentalitäten im Umgang mit Talenten bewirkt? Wie gesagt, Fragezeichen bleiben.
  
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