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Notfallseelsorger: „Wir sollten vorbereitet sein“

fj; 26. Mar 2015, 11:30 Uhr
Bild: Horst Rau/Fenja Jansen (2,3) --- (v. li.) Kriminalhauptkommissar Uwe Köster, Jugendamtsleiter Thomas Hein, Richter Arno Bölts-Thunecke, Hauptkommissar Holger Dominique, Richterin Anneliese Bölts-Thunecke, Herr Gisbert von Spankeren, evangelischer Koordinator Notfallseelsorge, Annemarie Jacob-Ogbukadike, Kreisjugendamt, und Andreas Groß, katholischer Koordinator Notfallseelsorge.
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Notfallseelsorger: „Wir sollten vorbereitet sein“

fj; 26. Mar 2015, 11:30 Uhr
Oberberg – An ihrem gestrigen Jahrestag setzten sich die Mitglieder des Fördervereins Notfallseelsorge Oberberg mit Kindswohlgefährdung und sexuellem Missbrauch auseinander – Richter, Polizisten und Vertreter der Jugendämter gaben Einblicke in ihre Arbeit.
Im gesamten Kreis sind die Mitarbeiter der Notfallseelsorge Oberberg Tag und Nacht einsatzbereit, um Menschen in Krisensituationen zur Seite zu stehen. Sie leisten psychologische Hilfe für Einsatzkräfte, betreuen Unfallbeteiligte und begleiten die Polizei, wenn diese Todesnachrichten überbringt. Am gestrigen Jahrestag nahmen sich die Mitglieder des Fördervereins Notfallseelsorge Oberberg eines weiteren schweren Themas an: Der Kindswohlgefährdung und damit verbunden auch dem sexuellen Missbrauch. „Mit häuslicher Gewalt und Misshandlungen von Kindern werden wir als Seelsorger selten konfrontiert. Doch auch auf seltene Ereignisse sollte man vorbereitet sein“, erklärte Andreas Groß, katholischer Koordinator der Notfallseelsorge. „Katastrophen kommen aus heiterem Himmel. Darum widmen wir uns heute einem Thema, dass auch für uns zum Thema werden könnte“, ergänzte Gisbert von Spankeren, evangelischer Koordinator der Seelsorge.


[Arno Bölts-Thunecke und Annelise Bölts-Thunecke berichteten von ihrer Arbeit als Jugend- und Familienrichter.]
  
Um sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten, hatten die Seelsorger Vertreter der Polizei, der Jugendämter sowie Richter zur Podiumsdiskussion gebeten. Arno Bölts-Thunecke war 30 Jahre lang Jugendrichter in Euskirchen. Er schilderte, dass gerade bei jungen Tätern hinter der Straftat häufig eine Entwicklung stünde, in der mehrere Menschen Fehler gemacht haben. Dabei könne es sich um Erziehungsberechtige, Lehrer oder das weitere Umfeld handeln. Trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass das Opfer nicht auf der Anklagebank sitzt, sondern die geschädigte Person ist. Seine Frau, Annelise Bölts-Thunecke, Familienrichterin in Euskirchen, gab Einblicke in die juristischen Hintergründe des Tatbestands der Kindswohlgefährdung.

Annemarie Jacob-Ogbukadike, Pädagogische Leiterin des Kreisjugendamtes, konnte berichten, dass die Zahl der Kinder, die vom Jugendamt in Obhut genommen werden, steigt: „Es gibt kaum ein Wochenende, an dem unser Notfalltelefon nicht klingelt.“ Kriminalhauptkommissar Uwe Köster, Opferschutzbeauftragter der oberbergischen Kreispolizeibehörde, sowie sein Kollege, Hauptkommissar Holger Dominique, gaben Einblicke in ihre Arbeit, die die Anwesenden teils schwer schlucken ließen. „Pädophile Präferenzen ändern sich ein Leben lang nicht, haben sie sich erst einmal fixiert“, machte beispielsweise Köster klar.


Gemeinsam überlegten die Anwesenden, wie auch die Notfallseelsorger in das Netzwerk aus Polizei, Justiz und Jugendämter eingebunden werden können. Thomas Hein, Leiter des Jugendamts der Stadt Gummersbach, regte an, dass sich die Notfallseelsorger um Eltern kümmern könnten, deren Kinder durch das Jugendamt in Obhut genommen werden. „Das ist für manche Familien wie ein schlimmer Unfall, hier kann ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen“. In eine ähnliche Richtung ging der Vorschlag von Köster, dessen Kollegen allzu oft gewaltbereite Täter einer Wohnung verweisen, in der sich auch Kinder befinden. Auch hier könnten die Seelsorger wertvolle Hilfe leisten. Jacob-Ogbukadike bat die Seelsorger, das Jugendamt zu benachrichtigen, wenn auch Kinder von einem plötzlichen Sterbefall, durch einen Unfall oder einen Suizid, betroffen sind und beispielsweise ein Elternteil verloren haben.

   
Den Notfallseelsorgern brannte dagegen eine andere Frage unter den Nägeln: Sie sind oft noch am Tatort, wenn die Polizei diesen schon längst verlassen hat, um mit den Betroffenen zu sprechen. Was tun, wenn hier Äußerungen fallen, die bei den Seelsorgern den Verdacht erregen, dass das Kind in der Familie nicht gut aufgehoben ist? Hier stehe das Wohl eines Kindes über der seelsorgerischen Schweigepflicht, mahnte Köster. Er und Hein appellierten, sich zumindest vertrauensvoll an das Jugendamt zu wenden, wenn man als Seelsorger die Not eines Kindes hört, die über das eben geschehene Unglück hinausgeht. Am Ende waren sich alle Anwesenden einig, dass nach diesem ersten Kennenlernen über weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit nachgedacht werden soll.
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