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„Wir haben leider keine Charakter-Politiker mehr“

bv; 18. Mar 2015, 17:38 Uhr
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„Wir haben leider keine Charakter-Politiker mehr“

bv; 18. Mar 2015, 17:38 Uhr
Oberberg – IHK-Vizepräsident Michael Pfeiffer sieht die Bedürfnisse der mittelständischen Wirtschaft immer schlechter durch die Politik vertreten – Oberberg benötige neue Gewerbeflächen und einen stärkeren Breitbandausbau.

Von Bernd Vorländer

Nein, Michael Pfeiffer, Vizepräsident der IHK Köln und 1. Geschäftsführer der BPW Bergische Aachsen, ist nicht gewillt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Jedes Jahr appelliere und mahne die Wirtschaft, den Spielraum der Unternehmen nicht zu verkleinern, sich den Sorgen und Nöten gerade der mittelständischen Wirtschaft stärker anzunehmen, das Niveau der schulischen Ausbildung zu steigern und die Flächen-Erweiterungsnotwendigkeiten der Firmen ernst zu nehmen, die Diskussionen voranzutreiben und zu Lösungen zu kommen. Doch es geschehe viel zu wenig. In der Region wie in Berlin.  Mit Nachdruck fordert Pfeiffer die Ausweisung neuer Flächen für Industrieunternehmen. Derzeit würden 43 Prozent der Arbeitnehmer über 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf gerade einmal zwei Prozent der Kreisfläche erwirtschaften. „Hier muss nachgebessert werden. Wir brauchen jeweils 40 Hektar Neuausweisungen in der Kreismitte und im Kreisnorden.“ Stattdessen sei zu befürchten, dass angesichts des Entwurfs des Landesentwicklungsplans NRW die Ausweisung entsprechender Flächen noch schwieriger werde.


Auch der fehlende flächendeckende Ausbau schneller Internetverbindungen ist Pfeiffer ein Dorn im Auge. „Die Unternehmen können doch nicht warten, bis es in Brüssel oder Düsseldorf neue Förderprogramme gibt, die benötigen jetzt schnelle Leitungen. Sonst droht der Wirtschaftsraum Oberberg abgehängt zu werden.“ Dies sieht Michael Sallmann, Chef der IHK-Geschäftsstelle Oberberg genauso und ergänzt: „Von schnellem Internet müssen zuallererst Gewerbe und Industrie profitieren.“


[IHK-Vizepräsident Michael Pfeiffer bemängelte manche Fehlentwicklung.]

Pfeiffer redet sich allmählich in Rage, sieht die Wirtschaft von der Politik nicht mehr verstanden. Internationale Krisen drückten auf die Stimmung, Tarifabschlüsse bereiteten gerade kleineren Firmen Sorgen, aber vor allem die fehlende Bereitschaft der Politik, der Wirtschaft zuzuhören und erkannte Probleme entschlossen in praktische Politik umzusetzen, ärgern den BPW-Geschäftsführer. Trotz der erheblichen Drängnisse durch die demografische Entwicklung, geschehe viel zu wenig. So sei die mittelständische Wirtschaft gezwungen, selbst in die Schulen zu gehen, Kurse anzubieten, Programme zu gestalten. Doch sei dies gerade kleineren Firmen gar nicht möglich. Pfeiffer sah die Notwendigkeit, in Bildung und Ausbildung staatlicherseits viel mehr zu investieren, Lehrpläne zu überarbeiten, Schüler stärker auf das Berufsleben vorzubereiten.

Doch die Politik widme sich anderen Dingen und manchem gehe es mehr um persönliche Profilierung und eine Schwarze Null, statt zukunftsbringend zu investieren. „Der Schäuble-Haushalt ist insofern Lug und Trug“, lederte der IHK-Vizepräsident los, der sich im Übrigen am liebsten die Zeit des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder zurückwünschte, der unangenehme Themen angefasst und Reformen umgesetzt habe. „Aber wir haben heute leider keine Charakter-Politiker mehr.“  

Doch auch mancher Mittelständler müsse noch seine Hausaufgaben erledigen, so Michael Sallmann. Die Unternehmen müssten sich mehr um potentielle Auszubildende bemühen und sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb  und Arbeitgeber präsentieren. Das neue NRW-Übergangssystem KAoA (Kein Abschluss ohne Anschluss) biete gerade kleineren Unternehmen eine gute Chance, die in der Firma ausgeübten berufe Schülern vorzustellen.
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