Archiv

Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Red; 7. Mar 2015, 10:00 Uhr
ARCHIV

Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Red; 7. Mar 2015, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Heute geht es um das Thema "Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz".
Kann wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz fristlos gekündigt werden? Es kommt – wie immer – darauf an.

Eine sexuelle Belästigung durch einen Arbeitnehmer stellt immer eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar. Sie ist deshalb typischerweise – die Rechtsprechung formuliert: „an sich“ – geeignet, um hierauf eine fristlose Kündigung zu stützen. Ob die fristlose Kündigung  zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, ist aber immer abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Dabei spielt das Verhalten nach dem Vorfall eine sehr wichtige Rolle. Das zeigen zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) und des Landesarbeitsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern ( LAG ).

Das LAG hatte sich in einem Urteil vom 14.08.2012 (5 Sa 324/11)  mit folgender Fallgestaltung zu befassen: Der fast 20 Jahre bei der Arbeitgeberin beschäftigte Kläger belästigte eine Arbeitskollegin zweimal sexuell.  Beim ersten Vorfall räumte die Arbeitskollegin Pizzen aus einer Tiefkühltruhe. Sie musste sich immer wieder über den Rand in die Tiefkühltruhe beugen. Dabei trat der Kläger von hinten so nah an seine Arbeitskollegin heran, dass es zu einer körperlichen Berührung kam. Ein zweiter Vorfall ereignete sich wenige Wochen später. Die Arbeitskollegin stand im Bereich eines Vorarbeiterbüros und war in das Lesen einer  ausgehängten Information vertieft. Der Kläger näherte sich der Arbeitskollegin von hinten. Kurz bevor er an ihr vorbeiging, näherte er sich mit beiden Händen dem Gesäß und berührte es mit der Innenfläche seiner Hände. Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass die auf das beschriebene Verhalten gestützte fristlose Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis beendet hat.

Einer Entscheidung des BAG  vom 20.11.2014 (AZR 651/13) liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der seit ca. 16 Jahren als Kfz-Mechaniker bei der Arbeitgeberin beschäftigte Kläger betrat Sozialräume, um sich umzuziehen. Dort traf er auf eine ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Der Kläger sagte zu der Mitarbeiterin, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an der Brust. Die Mitarbeiterin erklärte, dass sie das nicht wünsche. Der Kläger respektierte dies sofort, zog sich um und verließ den Sozialraum. Die Arbeitgeberin nahm den Vorfall ebenfalls zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Anders als das Arbeitsgericht entschieden Berufungsgericht und BAG, dass die Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst  hat.

LAG und BAG wenden bei der Entscheidungsfindung dieselben Grundsätze an und gelangen trotzdem zu unterschiedlichen Ergebnissen. Beide Gerichte lassen keinen Zweifel daran, dass sexuelle Belästigungen typischerweise als wichtiger Grund geeignet sind, um hierauf eine fristlose Kündigung stützen zu können. LAG und BAG stellen weiter fest, in jedem Fall müsse aber auch geprüft werden, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles nicht doch zumutbar sei. In einer Gesamtwürdigung sei das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Die in die Abwägung einzustellenden Umstände könnten nicht abschließend festgelegt werden. Zu berücksichtigen seien aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung der Vertragspflichtverletzung in Form der sexuellen Belästigung, die Schwere des Verschuldens des Arbeitnehmers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen störungsfreier Verlauf – und die Gefahr, dass sich ein entsprechender Vorfall wiederholen könnte.

Das LAG hat bei der Bewertung seines Sachverhaltes dann entscheidend darauf abgestellt, aus dem Verhalten des Klägers nach der sexuellen Belästigung sei abzuleiten, dass der Kläger sein Fehlverhalten und die Folgen überhaupt nicht begriffen habe. Von Reue oder Verarbeitung seines Versagens sei beim Kläger nichts zu spüren. Hieraus hat das LAG abgeleitet, es sei damit zu rechnen, dass der Kläger auch in Zukunft seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis in Form sexueller Belästigungen verletzen werde. Wegen dieser negativen Prognose gelangte das LAG letztendlich zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung.

Anders lagen die Dinge in dem Fall, den das BAG zu entscheiden hatte. Das BAG betonte, der Kläger habe  seinen Fehler unmittelbar nach dem Vorfall ohne Zögern eingeräumt, obwohl er ihn aufgrund der „Vieraugensituation“ mit der betroffenen Arbeitskollegin möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Außerdem habe der Kläger bereits im ersten Personalgespräch nach dem Vorfall glaubhaft  erklärt, die Sache tue im furchtbar leid und er schäme sich dafür. In diesem Personalgespräch sei  auch deutlich geworden, dass der Kläger über sein eigenes Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. Außerdem habe sich der Kläger schriftlich bei seiner Arbeitskollegin entschuldigt und an einem sog. Täter-Opfer-Ausgleich mit dem Ergebnis teilgenommen, dass er freiwillig ein Schmerzensgeld gezahlt habe. Aus diesem Verhalten hat das BAG abgeleitet, zukünftig sei nicht damit zu rechnen, dass es zu einer Wiederholung des Vorfalles kommen könne. Auch unter Berücksichtigung der langjährigen Dauer des im Übrigen beanstandungsfrei abgewickelten Arbeitsverhältnisses sei es deshalb nicht gerechtfertigt,  das Arbeitsverhältnis aufzulösen.



WERBUNG