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Ritterschlag für 'ne faule Socke

uk; 27. Feb 2015, 14:27 Uhr
Bilder: Martin Hütt.
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Ritterschlag für 'ne faule Socke

uk; 27. Feb 2015, 14:27 Uhr
Gummersbach - OA im Gespräch mit VfL-Keeper Matthias Puhle, der beim Sieg gegen Erlangen der Matchwinner war - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Uli Klein

 Am Samstag musste er eine nicht einkalkulierte Zusatzschicht einlegen. Als der Erfolg der Gummersbacher Handballer über den HC Erlangen perfekt war,  umringten ihn die Fans jedenfalls  wie die Kinder im Freibad den Eisverkäufer.  Hier noch ein Foto, dort noch ein Autogramm, da noch ein Schulterklopfer  - Matthias Puhle hatte auf dem Spielfeld der SCHWALBE arena alle Hände voll zu tun, ehe er sich in  die Kabine verabschiedete.

Die Schuld  für die Überstunden musste Matthias, den sie meist Matze rufen, freilich bei sich selbst suchen. Mit überragenden Paraden hatte er die Weichen auf Sieg für den VfL gestellt, nachdem zuvor Berufskollege und WM-Heros Carsten Lichtlein so gar nicht ins  Spiel gefunden hatte .Logisch, dass Puhle nach der Schlusssirene ein gefragter Mann war. Dass Matze einmal Karriere als gefeierter Bundesligaprofi machen würde, war freilich vor knapp 25 Jahren nicht absehbar. Als Bruder Christian mit sechs Jahren erste Erfahrungen mit Handball machte, ergriff Mama Britta flugs die Chance und schickte auch ihren vierjährigen Filius mit zum Training beim OSC Duisburg-Rheinhausen.

"Wahrscheinlich hat sie die Möglichkeit gesehen, ihren Sprössling ein bisschen  zu beschäftigen: Ich habe nämlich oft genervt", schmunzelt der 1,92 Meter große Keeper heute noch über seine Anfänge in der Sportlerwelt. Dabei erwischte der Dreikäsehoch alles andere als einen Traumstart auf dem Handballfeld. Er wurde von den Großen - immerhin Sechsjährigen - meist völlig ignoriert und bekam kaum einmal einen Ball zugespielt. Matze schob mächtig Frust, gab aber nicht auf und probte den Zwergenaufstand. Er wechselte nicht nur den Verein (zum Lokalrivalen VfL  Rheinhausen), sondern auch die Position und ging zwischen die  Pfosten. Eine ziemlich gute Entscheidung. Denn schnell zeigte sich das Matthias' Talent als Toreverhinderer.



Als er  zur eigentlichen Keimzelle seiner Sportlerlaufbahn, dem OSC, zurückkehrte, hatte sich der Duisburger Junge längst zu einem begehrten Spezialisten entwickelt, der sogar in den  Kader der Jugendnationalmannschaft eingeladen wurde. "Allerdings hat es nur zu einem Testspieleinsatz gereicht", erklärt Puhle und es klingt fast wie eine Entschuldigung, dass ein Konkurrent wie Silvio Heinevetter die besseren Karten hatte.


Nichtsdestotrotz, Puhles Weg in die Eliteklasse war vorgezeichnet. Als er 2006 zur HSG Düsseldorf wechselte und die HSG zwei Jahre später in die erste Liga aufstieg, hatte sich Matzes Traum erfüllt: Erstklassig spielen. Als 2011 dann das Angebot der HBW Balingen kam, zog es den überzeugten Duisburger erstmals in die Ferne. Ein bisschen unglücklich nur, dass er just vor seinem Wechsel ins Schwabenland seine heutige Ehefrau Meike kennengelernt hatte. Meike ließ sich nicht lumpen und folgte ihrem Freund drei Monate später in den Süden.

Der kam aufgrund seines offenen und freundlichen Naturells überraschend  schnell mit den manchmal kauzigen Schwaben zurecht und etablierte sich auch sportlich als wertvolle Stütze der HBW. Umso bitterer dann der Tiefschlag: Der Leistungsträger erlitt im Oktober 2012 einen Kreuzbandriss im linken Knie - ausgerechnet im Derby gegen Frisch Auf Göppingen.  Monatelang war nicht an Handball zu denken. Zudem signalisierte man dem Langzeitverletzten nach seiner Rückkehr aufs Parkett, dass man mit seinen Leistungen nicht  mehr zufrieden sei. "Wirklich keine schöne Zeit", erinnert sich der 29-Jährige.


Die sollte jedoch ein schnelles Ende nehmen, als im Februar vergangenen Jahres der VfL Gummersbach anklopfte. "Die suchten einen Nachfolger für Borko Ristovski, der nach Katar gewechselt war. Ich  musste nicht lange überlegen und habe zugesagt. Am Morgen erhielt  ich den Anruf, am Nachmittag hatte ich die Freigabe von Balingen, und am Samstag drauf bin ich zum ersten Mal ins VfL-Trikot geschlüpft." Inzwischen bildet Matze mit Carsten Lichtlein ein richtig starkes Torhütergespann: "Natürlich ist Lütti die Nummer eins", erkennt Puhle die Hierarchie an, ergänzt aber ohne  Zaudern: "Das ändert aber nichts daran, dass ich stets hochmotiviert bin, wenn ich zum Einsatz komme. Ich hoffe immer, der Mannschaft helfen zu können. Gerade auch in heiklen Situationen."




Dass er das kann, hat Puhle nicht erst gegen Erlangen bewiesen. Trainer Emir Kurtagic hält aber nicht nur sportlich große Stücke auf den Jungen aus dem Ruhrgebiet: "Matze ist ein Supertyp. Er bringt seine Leistungen auf dem Spielfeld, trainiert professionell und ist menschlich ganz schwer in Ordnung." Kein schlechter Ritterschlag für einen, der nicht ganz ernst gemeint über sich selbst sagt: "Eigentlich bin ich `ne ganz faule Socke."




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