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Geht es ins „Paradiso“?

vma; 12. Jan 2015, 00:45 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Ein anrührendes Stück mit zwei hervorragenden Darstellerinnen konnten die Zuschauer am Wochenende in Nümbrecht sehen.
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Geht es ins „Paradiso“?

vma; 12. Jan 2015, 00:45 Uhr
Nümbrecht - Ein bissig-humorvolles Stück, das dennoch unter die Haut geht, zeigten Heike Bänsch und Kristin Kunze unter der Regie von Anja Wienpahl in der Aula des Schulzentrums Nümbrecht.
Nach den erfolgreichen Vorstellungen in Hespert begeisterte „Paradiso“ jetzt auch in Nümbrecht. „Man weiß nie, was sich ergibt im Leben“. – ein Satz, der alles verändert. Die zwei Frauen – die alte und die junge – schießen verbal gegeneinander. Bissig, verbittert, bösartig. Doch dann geschieht tatsächlich etwas mit ihnen, mit ihrem Leben.



Die eine ist über 80 und füttert die Enten im Park. Die reichen ihr als Gesellschaft. Die andere ist Mitte 40 und pflegt alte Menschen und braucht einen neuen Patienten um finanziell über die Runden zu kommen. „Haben Sie schon ein Grab?“ fragt sie die alte Dame, denn sie meint, in deren Alter plane man doch nur noch die Beerdigung. So etwas wäre für Martha (Kirstin Kunze) auch nicht ungewöhnlich, die als ehemalige Schuldirektorin immer alles unter Kontrolle hat. Gegenseitige Belehrungen und Gemeinheiten durchziehen ihre Treffen am Ententeich. So bezeichnet Martha die Pflegerin Vicky (Heike Bänsch) als "spätes Mädchen mit Stricktick". Die beiden haben nahezu nichts gemeinsam und werden trotzdem Freundinnen.


[Die Alte (Kirstin Kunze li.) und die Jüngere (Heike Bänsch) sind sich erst gar nicht grün, als sie sich auf der Parkbank treffen.]

Die eine braucht eine Wohnung, die andere eine Pflegerin. Eigentlich eine win-win-Situation. Aber auch gegenseitige Abhängigkeit. Sie reden über Kinder und geplatzte Hochzeiten, über Tod und Tanzen. Vieles spricht das Stück an – auch die Frage: Geht Treue bis zur Selbstaufgabe? Es sind Fragen, die sich jedem Menschen stellen, der für einen anderen Verantwortung übernimmt, ganz gleich, ob professionell oder nicht. Heike Bänsch und Kirstin Kunze spielen die beiden Charaktere brillant. Mit ausdrucksstarker Mimik und sehr authentisch. Dazu das einfach gehaltene Bühnenbild – eine Bank und ein Geäst im Blumentopf, das je nach Jahreszeit mit Blumen oder einem Drachen versehen wird. Viel mehr braucht es auch nicht. Anja Wienpahl ist eine hervorragende Inszenierung gelungen. Sie möchte weiter mit dem Stück touren, das in Nümbrecht rund 150 Zuschauer sahen.

[Die anfängliche Feindseligkeit wandelt sich mit der Zeit.]

„Paradiso“ ist kein Stück mit Happy End – auch wenn der Titel das vermuten lässt. Schließlich geht es um eine alte, langsam immer hilfloser werdende kranke Frau und eine Jüngere, die sie pflegt, aber deshalb nicht weniger von ihr abhängig ist. Die humorvolle Sicht auf die Realität geht in dem Stück nicht verloren, auch wenn dem Zuschauer nichts erspart bleibt – bis zum bittersüßen Ende. „Paradiso“ ist ein bissig humorvolles Stück, das dennoch unter die Haut geht und dessen Protagonistinnen eigensinnig und nachgiebig, schonungslos und verletzlich, liebenswert und egoistisch, eben zutiefst menschlich sind. “Es ist eigentlich eine Liebesgeschichte”, sagt die erfolgreiche und vielfach ausgezeichnete Wiener Autorin und Übersetzerin Lida Winiewicz über ihr Stück.
  
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