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„Die innere Freiheit konnte man uns nicht nehmen“

fj; 10. Nov 2014, 11:05 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Dr. Horst Afflerbach (li.), Leiter der Biblisch-Theologischen Akademie, interviewte die Eheleute Schmidt, die als Zeitzeugen vom Leben in der ehemaligen DDR berichten konnten.
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„Die innere Freiheit konnte man uns nicht nehmen“

fj; 10. Nov 2014, 11:05 Uhr
Bergneustadt – Gestern lud die Evangelische Allianz Bergneustadt zu einem Dank- und Bittgottesdienst anlässlich des Mauerfalls vor 25 Jahren ein, der durch beeindruckende Zeitzeugenberichte bereichert wurde.
Die Grenze war so fest in ihre Welt zementiert, dass die Christen in der ehemaligen DDR zwar für Veränderungen gebetet hätten, aber nicht für den Mauerfall, erinnerte sich Pfarrer Reinhard Holmer aus Sachsen-Anhalt. Er bereicherte als Hauptredner den gestrigen Dank- und Bittgottesdienst in der Realschule Bergneustadt. Zu diesem hatte die Evangelische Allianz Bergneustadt geladen, um den Mauerfall zu gedenken, der vor 25 Jahren auf eine friedliche Revolution folgte. „Ich bin dankbar, dass ich als Ostdeutscher diesen Gottesdienst mit Ihnen im Westen erleben darf“, zeigte sich Holmer dankbar über den Verlauf der Geschichte, den damals niemand erwartet hätte.


[Veit Claesberg von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Wiedenest leitete den Gottesdienst.]

Als Kinder eines Pfarrers, so berichtete Holmer, wurden er und seine Geschwister nicht für die Oberschule und das Abitur zugelassen. Trotz dieser Freiheitsberaubung, die in der DDR nur eine von vielen war, hätten die Christen ihre innere Freiheit nicht verloren. „Das Evangelium ist eine Botschaft der Freiheit. Darum kann man den Christen ihre innere Freiheit nicht nehmen, weshalb Diktaturen zu allen Zeiten Probleme mit den Christen hatten und haben werden“, so Holmer, der seit 18 Jahren das evangelische Allianzhaus in Bad Blankenburg leitet.

Durch den Fall der Mauer hätten die Christen der ehemaligen DDR zur inneren Freiheit auch die äußere erhalten. Als eine „humorvolle Geschichte Gottes“ bezeichnete Holmer den Umstand, dass das Ehepaar Honecker nach der Wende dann ausgerechnet bei einem christlichen Pfarrer Asyl fand: seinem Vater, Uwe Holmer. „Das Oberhaupt des Staates, der uns nicht zum Abitur zugelassen hat, saß plötzlich bei uns am Frühstückstisch“, berichtete Holmer.
  

Vom Leben als Christ in einem sozialistischen Staat konnte auch Matthias Schmidt berichten, der heute Studienbeauftragter der Biblisch-Theologischen Akademie in Bergneustadt-Wiedenest ist. Auch er wurde nicht zum Abitur zugelassen. Weil er bekennender Christ war, durfte er nichts anderes als Theologie studieren, womit ihm jede Wahlmöglichkeit vom Staat genommen wurde. „Für einen Schüleraustausch wurden nicht die besten Schüler ausgesucht, sondern die konformsten. Weil ich kein Vorzeige-Sozialist war, blieb ich zu Hause“, erinnerte sich der Zeitzeuge.

Auch er käme aus einer Generation, die nicht an den Mauerfall geglaubt habe. „Wir haben auf mehr Reisefreiheit gehofft, aber nicht auf die Wiedervereinigung. Dass es die innerdeutsche Grenze nicht mehr gibt, konnte ich erst glauben, als ich ein Stück der Mauer mit meinen eigenen Händen herausbrach“, so Schmidt. Dafür, dass das Leben in einem geteilten Deutschland mittlerweile undenkbar ist, dankte Bergneustadts Bürgermeister Wilfried Holberg in seiner Ansprache. Im Rahmen dieses Gottesdienstes, so Holberg, dürfte man sich heute an einen der glücklichsten Momente der deutschen Geschichte erinnern: Die friedliche Revolution, die zum Fall der Mauer und zum Ende eines Unrechtstaates führte.
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