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Gummersbach wollte Steinmüller ursprünglich gar nicht

gre; 5. Nov 2014, 17:27 Uhr
Bilder: Michelle Grebe --- Monika Weispfennig und Gerhard Pomykaj berichteten vor 200 interessierten Gästen über die bewegte Vergangenheit der Firma Steinmüller.
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Gummersbach wollte Steinmüller ursprünglich gar nicht

gre; 5. Nov 2014, 17:27 Uhr
Gummersbach – Wie die erste Bürgerinitiative in der Kreisstadt die Firma fast zum Wegzug zwang und die Lokomobile die Basis des Industrieunternehmens wurde, zeigte der dritte Teil der historischen Vortragsreihe „ Die Steinmüller Saga“ gestern in der Halle 32.
Von Michelle Grebe

Der Name „Steinmüller“ gilt in Gummersbach als geläufiger Begriff, denn das  Steinmüllergelände bietet der Halle 32, dem Lokal 32 Süd, der SCHWALBE arena und dem Gummersbacher Stadtgarten Platz, doch was die Firma und Familie Steinmüller so bekannt und erfolgreich gemacht hat, ist einer defekten Lokomobile aus England zu verdanken. Wie genau man von einer Papierfabrik zu dem weltberühmten Steinmüllerkessel kam, erklärten Stadthistoriker Gerhard Pomykaj und Monika Weispfennig im dritten Teil der Steinmüller Saga am gestrigen Abend in der Halle 32, nach dem Motto „Geschichte vortragen, da wo sie stattgefunden hat“, wie Gerhard Pomykaj die 200 Anwesenden begrüßte.

Im Rahmen einer historischen Vortragsreihe der Volkshochschule Gummersbach wird die Gummersbacher Geschichte in insgesamt zwölf Teilen erläutert. In diesem Jahr sind die Teile drei bis fünf an der Reihe und diese beschäftigen sich größtenteils mit der Familien- und Firmengeschichte Steinmüller und zeigen ein anschauliches Portrait der Lebensverhältnisse in Gummersbach zwischen Reichsgründung 1871 und Kriegsbeginn 1914.


[Lokomobile - Keimzelle der Steinmüller-Geschichte.]

Am gestrigen Abend ging es in der Halle 32 insbesondere um die Gründungsphase der Dampfkesselfabrik L. & C. Steinmüller im Zeitraum zwischen 1874 und 1890. So klärte man in dem anderthalbstündigen Vortrag die Frage, wieso eine kaputte Lokomobile aus England für den Erfolg Steinmüllers verantwortlich war. Im Jahre 1850 wurde die Papierfabrik Steinmüller gegründet, doch nach einigen Jahren stand man vor dem logistischen Problem, wie man die großen und vor allem schweren Papiermassen von einem Ort zum anderen transportieren könne, da sich Pferdewagen auf Dauer nicht etablierten und sehr hohe Kosten verursachten.

Eines Tages las Lebrecht Steinmüller von einer Anzeige aus England, dort setzte man ab 1870 Lokomotiven im Straßenverkehr ein und reduzierte somit Transportkosten. Nach einem Besuch in England kaufte Lebrecht Steinmüller am 19. Dezember 1871 eine aus England stammende Lokomobile für umgerechnet 170.000 Euro. Im April des darauf folgenden Jahres traf die Lokomobile am Bahnhof Lennep ein und die erste Fahrt nach Gummersbach wurde von vielen Schaulustigen begleitet. Doch bereits bei der dritten Fahrt blieb die Lokomobile in Hückeswagen stecken, die Triebräder waren kaputt und mussten zurück nach England geschickt werden. Nach der Reparatur und eigenständigen Verbesserungen seitens Lebrecht Steinmüllers lief die Lokomobile Anfang Dezember wieder.


Doch bald machte der Dampfkessel Probleme und so setzte sich der Ingenieur Lebrecht Steinmüller kurzerhand selbst daran, den Kessel zu optimieren, holte sich Anregungen  auf der Wiener Weltausstellung, doch kein Kessel entsprach seinen Vorstellungen. Lebrecht Steinmüller legte nun selbst Hand an und erstellte seine eigenen Entwürfe. Schnell wurde klar, dass die Idee, Wasser und Dampf zu trennen, so effizienter zu arbeiten und das Explosionsrisiko so gering wie möglich zu halten, brillant war. Lebrecht Steinmüller war offenbar ein wahrliches Genie auf diesem Gebiet.

Durch den verbesserten Kesseltyp gab es 1880 bereits elf verschiedene Systeme und der Steinmüllerkessel erfreute sich immer größerer Beliebtheit. Durch den großen Erfolg war es bald nötig, die Fabrik  auszuweiten, doch dies war den Gummersbachern ein Dorn im Auge. Denn die neuen Fabrikgebäude sollten auf die Stettenwiesen, die Gummersbach sehr ländlich erscheinen ließen und voller Gärten, Obsthöfen und Wiesen waren.  So war die erste Bürgerinitiative in Gummersbach ausgerechnet gegen Steinmüller gerichtet und auch mit den Argumenten über neue Arbeitsplätze konnte man die Gummersbacher nicht umstimmen, denn die Bürger fürchteten, ihre Stettenwiesen zu verlieren und dass es bald viel zu laut sein würde in der Innenstadt.

Nur eine positive Entscheidung des Regierungspräsidenten in Köln konnte die Abwanderung der Fabrik verhindern. So wurden viele neue Arbeitsplätze geschaffen und die Firma Steinmüller konnte in Gummersbach bleiben. Einer defekten Lokomobile aus England ist es demnach zu verdanken, dass es die erfolgreiche Firma und Familie Steinmüller überhaupt gab. Die Lokomobile steht heute in der Halle 32, um an den Erfolg Steinmüllers zu erinnern.

Der Ausbau der Infrastruktur vor Ort, die Entwicklung zu einem Unternehmen mit internationalem Renommee und der Aufstieg zur mächtigsten Gummersbacher Familie werden am 18. November ab 20 Uhr im L&C Raum in der Halle 32 behandelt. Der Eintritt beträgt 6 €.

  
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