Archiv

Lichtlein und Schröder sind Magdeburgs Albtraum

pn; 5. Oct 2014, 19:38 Uhr
Bilder: Adi ---- Carsten Lichtlein war der Vater des VfL-Erfolges.
ARCHIV

Lichtlein und Schröder sind Magdeburgs Albtraum

pn; 5. Oct 2014, 19:38 Uhr
Gummersbach - Der VfL gewinnt einen wahren Krimi im Duell der Altmeister - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach. (AKTUALISIERT)
Von Peter Notbohm

VfL Gummersbach gegen SC Magdeburg – das war einst das Duell der beiden dominierenden Teams des deutschen Handballs. Doch selbst wenn der nationale Ruhm vergangener Tage mittlerweile doch etwas verblasst ist, was die beiden Teams heute in der Schwalbe Arena ablieferten, war nicht nur beste Werbung für den Handballsport, sondern auch für den Standort Gummersbach. Während der VfL durch den Sieg den guten Saisonstart bestätigte und die Niederlage in Erlangen zum Ausrutscher deklarieren konnte, erhielt die Magdeburger Euphorie nach dem souveränen Erfolg über Flensburg einen merklichen Dämpfer.



VfL Gummersbach – SC Magdeburg 28:27 (14:13).

[Andreas Schröder feuerte aus allen Rohren.]

Nicht ganz zu Unrecht merkte VfL-Coach Emir Kurtagic nach dem Schlusspfiff an, dass er in seinen mittlerweile neun Jahren in Gummersbach noch nicht eine solche Stimmung in der Halle erlebt habe. Bereits vor dem Anpfiff kochte die Schwalbe-Arena, nachdem die Vertrags-verlängerungen von Mark Bult, Florian von Gruchalla und Raul Santos bekannt gegeben wurden. Diese Welle der Euphorie sollte nicht nur 60 Minuten lang anhalten, sondern den VfL Gummersbach gerade auch in den kritischen Phasen über Wasser halten. Was auch kein Drehbuchautor besser hätte schreiben können: Die ersten vier Treffer bis zum 4:4 (7.) gingen ausgerechnet auf Bult, Santos (2x) und von Gruchalla. Hinzu gesellte sich ein wurffreudiger Andreas Schröder, der bereits in den Anfangsminuten andeutete, dass er einen starken Tag erwischen sollte.

Doch auch Magdeburg kam nach dem Sieg gegen Flensburg mit  Selbstvertrauen ins Oberbergische und zeigte der VfL-Defensive in der Anfangsphase häufig die Grenzen auf. Bis zum 8:9 (16.) reichten einfache Kreuzbewegungen im Rückraum, um den Innenblock auseinander-zureißen. Nun sollte aber die große Show des Carsten Lichtlein beginnen, der nicht nur ein Mal einen Fehler seiner Vorderleute ausbügeln durfte. Über 12:10 (23.) durch Gunnar Jonsson rissen die Gastgeber nun das Ruder an sich und sollten diese Führung bis zum Pausenpfiff auch nicht mehr abgeben. Carsten Lichtlein setzte nun sein erstes Highlight, als er einen gefühlvollen Heber von Yves Grafenhorst (25.) mit den Fingerspitzen noch an die Latte zu lenken vermochte. Weitere Tore durch Persson und Santos sorgten schließlich für den knappen 14:13-Halbzeitstand.

Und auch nach dem Seitenwechsel blieb die Partie, in der sich kein Team mit mehr als zwei Treffern absetzen konnte, stets offen. Den schnellen SCM-Ausgleich konterte Lichtlein mit einer Doppelparade, nachdem er zunächst Robert Webers Strafwurf hielt und dann auch noch den anschließenden Nachwurf parierte. Bitter wurde es keine drei Minuten später, nachdem Joakim Larsson mit seiner Faust Marko Bezjak im Gesicht erwischte. Die guten Schiedsrichter schickten den Kreisläufer daraufhin zu Recht früher zum Duschen. Magdeburg übernahm allmählich das Kommando auf dem Feld, verpasste es aber sich zu belohnen. Insbesondere Yves Grafenhorst dürfte heute Nacht Alpträume von Carsten Lichtlein haben. Der sonst so treffsichere Linksaußen leistete sich nach 37 Minuten bereits seinen siebten (!) Fehlwurf gegen den VfL-Keeper.


[Emir Kurtagic war stolz auf sein Team.]

Umso unverständlicher, dass auch der VfL in dieser Phase aus diesen Paraden kaum etwas machte. Bestes Beispiel hierfür Christoph Schindler, der einen Abpraller vermeintlich sicher in den Händen hatte, sich den Ball aber sofort von Robert Weber wieder abjagen ließ, der keine Probleme hatte, ins leere Tor zu treffen. Magdeburg blieb so trotz der Abschlussschwäche über 19:21 (45.) und 22:24 (50.) in Front. Nun nahm sich aber Andreas Schröder ein Herz und brachte sein Team fast im Alleingang zurück in die Partie. Beim 26:25 (55.) war das Spiel erneut gedreht und eine hochspannende Schlussphase eingeläutet. Gleich zwei Mal hatte dabei Raul Santos die Möglichkeit, die Begegnung per Gegenstoß vorzuentscheiden, der Linksaußen zeigte heute allerdings nur vom Siebenmeterpunkt die gewohnte Treffsicherheit.

[Nicht nur diesen Siebenmeternachwurf parierte Carsten Lichtlein glänzend.]

So war es dem mittlerweile überragend aufspielenden Schröder überlassen, 100 Sekunden vor dem Ende das letzte Tor der Partie zu erzielen. Es folgte eine Fehlerorgie auf beiden Seiten, unter die Magdeburg den krönenden Abschluss setzte. Bei 24 Sekunden Restspielzeit nahm Trainer Geir Svensson seine letzte Auszeit, sagte einen letzten Spielzug an und brachte den siebten Feldspieler. Warum allerdings ausgerechnet der völlig glücklose Grafenhorst  abschließen sollte, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Gäste bleiben. Lichtlein parierte zum 18. Mal und leitete damit die Gummersbacher Feierlichkeiten im Anschluss an eine hochdramatische Begegnung ein.

Stimmen

Geir Svensson (Trainer SCM): Glückwunsch an den VfL Gummersbach zu zwei wichtigen Punkten. Natürlich bin ich enttäuscht, hier ohne Punkte wegzufahren. Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht, aber das gesamte Spiel gut gekämpft. Wir haben unsere Torchancen nicht genutzt und eine schlechte Überzahl gespielt. Es war das erwartet schwere Spiel gegen einen heimstarken VfL Gummersbach.

Steffen Stiebler (Sportlicher Leiter SCM): Wir sind wieder auf dem Boden der Tatsachen. Gerade nach dem Flensburg-Spiel ging die Stimmung Richtung ganz weit nach oben. Wir waren heute nicht effektiv genug. Mitte der zweiten Halbzeit haben wir das Spiel über weite Strecken bestimmt, uns aber nie abgesetzt. In so einem Hexenkessel wird es dann natürlich schwierig.


[Für diesen heftigen Kopftreffer sah Joakim Larsson die Rote Karte.]

Emir Kurtagic (Trainer VfL):  Die Glückwünsche des SCM muss ich an meine Jungs weiterleiten. Sie haben alles richtig gemacht. Natürlich hatten wir viele spielerische Fehler heute dabei, aber wie wir uns nach der unnötigen Niederlage in Erlangen präsentiert haben, war etwas Besonderes. Das war ein sehr gutes Spiel meiner Jungs. Selbst bei zwei Toren Rückstand haben wir uns nie aufgegeben. Das waren zwei sehr wichtige Punkte für uns. Lütti hat im Tor heute eine Weltklasseleistung gezeigt. Das ist meine neunte Saison in Gummersbach, aber so wie heute habe ich die Halle noch nie erlebt. Dafür Hut ab. Das ist die größte Anerkennung für die Mannschaft neben den zwei Punkten.

Frank Flatten (Manager VfL):  Ein Kompliment an die Mannschaft und die Trainer. Wir sind von unseren Zuschauern nach vorne gepeitscht worden, die die Vertragsverlängerung direkt mitgenommen haben. Mit diesem Schritt haben wir bereits früh die Weichen diese Saison gestellt. Wir wollen eine Perspektive schaffen und die Spieler erkennen das. Heute war ein sehr schöner Handballtag für Gummersbach.


VfL Gummersbach

Carsten Lichlein (1.-60. Minute, 18 Paraden, darunter ein Siebenmeter)
Matthias Puhle (n.e.)
Simon Ernst
Julius Kühn (2)
Christoph Schindler (1)
Magnus Persson (4)
 Joakim Larsson
Gunnar Stein Jonsson (1)
Florian von Gruchalla (1)
Mark Bult (1)
Alexander Becker
Andreas Schröder (10)
Raul Santos (8/6)

SC Magdeburg

Jannick Green (1.-30. Minute, 6 Paraden)
Dario Quenstedt (30.-60. Minute, 5 Paraden, darunter ein Siebenmeter)
Andreas Rojewski (2)
Matthias Musche
Fabian van Olphen
Jure Natek (1)
Jacob Bagersted (1)
Yves Grafenhorst (2)
Michael Haaß (2)
Marko Bezjak (7)
Robert Weber (10/3)
Bartosz Jurecki (2)
Espen Lie Hansen

Zuschauer:
3.778.

Schiedsrichter:
Hans-Peter Brodbeck / Simon Reich.

Siebenmeter
6:4 - 5:3 (Santos scheitert an Quenstedt – Weber scheitert an Lichtlein).

Strafen
10:6 Minuten (2x Becker, von Gruchalla, Larsson (plus Disqualifikation) – Rojewski, Natek, Haaß).

Beste Spieler
Lichtlein, Schröder, Persson, Ernst (Abwehr) – Weber, Jurecki, Bezjak
  

WERBUNG