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Voll gut oder voll daneben?

js; 30. Sep 2014, 11:31 Uhr
Bilder: Jessica Schöler --- Jan Plewka machte der Dame aus dem Publikum keinen Heiratseintrag. Er schmetterte 'Für immer und Dich' und sorgte mit der gezeigten Zuneigung für Lacher und fragende Gesichter.
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Voll gut oder voll daneben?

js; 30. Sep 2014, 11:31 Uhr
Bergneustadt - Beim Abschlusskonzert der SCHWALBE-Liedermachertage wurde mit Jan Plewka und Norman Keil viel musikalisches Talent geboten - Plewkas Bühnenpräsenz dürfte aber für Irritationen beim Publikum gesorgt haben.
Von Jessica Schöler

Für den Abschlussabend der dritten SCHWALBE-Liedermachertage wurden im Vorfeld Lachen, Weinen, Flirten und vielleicht auch Küssen versprochen. Dass, was Sänger Jan Plewka dann aber tatsächlich präsentierte, kam mehr als unerwartet. Gleich beim ersten Lied griff sich der Frontmann der Band "Selig" eine Frau aus dem Publikum, besang sie zunächst mit Rio Reisers „Für immer und Dich“, riss sie schließlich in enger Umarmung zu Boden und kuschelte sich an die Dame, die unfreiwillig zum „Opfer“ überbordender Emotionen wurde.

Am Ende des Abends blieb ein Zwiespalt. Man war hin-und hergerissen zwischen Faszination und Kopfschütteln. Das Können Plewkas steht außer Frage. Ob er mit seiner eigensinnigen Darbietung aber vielleicht über das Ziel hinaus geschossen ist, muss jeder Besucher selbst beantworten. 

[Marco Schmedtje und Jan Plewka.]

Diejenigen, die das Konzert im Bergneustädter Krawinkelsaal nicht miterlebt haben, haben wirklich etwas Hörens- und Sehenswertes verpasst. Diejenigen, die dabei waren, dürften den Saal vermutlich mit Lachtränen in den Augen, aber auch mit fragenden Gesichtern und gemischten Gefühlen verlassen haben. Mit angenehm versoffener Stimme vorgetragene Songs von Rio Reiser, Ton Steine Scherben, Simon & Garfunkel und aus dem Repertoire von Plewka und Gitarrist Marco Schmedtje, luden zum Mitsingen, Mitschunkeln und Erinnern ein. Musikalisch wurde kein Diskussionsgrund geboten. Plewka wusste mit seiner markanten Stimme und der individuellen Interpretation bekannter Hits zu überzeugen. Die Gitarren- und Gesangsbegleitung durch Schmedtje zeugte ebenfalls von Qualität. Stimmte die musikalische Darbietung mehr als zufrieden, ließ das Verhalten von Plewka die Zuschauer weniger selig zurück.


Konnte man das Benehmen von Plewka als unangepasste, unkonventionelle Künstlerattitüde deuten oder hatte er zu tief in die in seiner Hand befindliche Bierflasche geschaut? Fragen, die auch nach dem Konzert nicht gänzlich beantwortet schienen. Klar war nur, dass das Konzert für Diskussion und jede Menge Stimmung gesorgt hat. Die Zuschauer hatten Grund zum Schmunzeln, suchte Plewka doch immer wieder Kontakt zum Publikum. Zunächst ließ er eine Socke, dann einen Hut, mit Songlosen herumgehen. Die Losfeen aus dem Zuschauergraben durften wählen und sich bei den entsprechenden Ansagen amüsieren.


Der Auftritt mit Wohnzimmeratmosphäre glich einer Party bei Freunden, die aus dem Ruder zu laufen drohte. Bei „The Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel schienen die ersten Partygäste genug zu haben, einige verließen den Saal. Grund waren Kunstpausen. Das im Lied besungene „Geräusch der Stille“, schien dann doch zu lange anzudauern. Plewka nahm das verfrühte Verschwinden mit Humor: „Liebe Leute es ist Montagabend. Es ist toll, dass wir alle zusammengekommen sind. Montag ist Schontag“, so sein Fazit. Die verbliebenen Zuhörer erklatschten sich trotzdem eine Zugabe.

[Nils Hofmann und Norman Keil.]

Was der Hauptact abgeliefert hatte, versprach auch die erste Liedzeile der Vor-Band. In „Königin“ sangen Norman Keil und Nils Hofmann „Ich weiß, dass ich manchmal ganz schön komisch bin zu dir“, präsentierten dann aber eine Show, die durch Professionalität und Talent bestach. Anekdoten aus Jugendzeiten, Kindheitserinnerungen an den Mauerfall, Liebesgeschichten, all das verpackte der Singer-Songwriter in seine Lieder, gab aber auch während der Ansagen Einblick in sein Leben. Die selbst geschriebenen deutschsprachigen Stücke begeisterten das Publikum und bestachen mit Wortspielerein, guten Texten und folkigen Elementen.


Ruhige Songs wechselten sich mit rockigen Nummern ab. Der Wechsel zwischen laut und leise, auch innerhalb der Stücke, sorgte für Gänsehaut. Das zwischenzeitlich unfassbar schnelle Gitarrenspiel der beiden Musiker erntete viel Beifall und zeugte von großer Fingerfertigkeit. Keils Stimme bewegte sich durch weiche und melancholische Melodien, nur um dann mit voller Kraft und überraschend kratzig hervorzubrechen.


Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Sänger gestern mehr Zuhörer von seiner Bühnenpräsenz hätte überzeugen können. Er selbst erklärte „erschrocken“ zu sein, dass nur so wenige zum Abschlussabend der Liedermachertage gekommen seien. Ein Umstand, der beim tollen gestrigen Angebot, vermutlich mit dem von Plewka erklärten “Schontag“ zusammenhängt. Das, was gestern geboten wurde, hätte nämlich deutlich mehr Zuschauer in ihren Bann ziehen können. Wer sich selbst von Keil überzeugen möchte, hat am 12. Dezember die Chance dazu. Dann steht der Liedermacher nämlich in der Gummersbacher Halle 32 auf der Bühne.
  
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