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„Der Ausgleich hängt stark von der Konjunktur ab“

fn; 16. Sep 2014, 12:21 Uhr
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„Der Ausgleich hängt stark von der Konjunktur ab“

fn; 16. Sep 2014, 12:21 Uhr
Oberberg – Innenminister Ralf Jäger lobte gestern die erste Stufe des Stärkungspakts und hofft bereits 2016 auf viele ausgeglichene Haushalte – In Bergneustadt und Marienheide ist von dieser Euphorie noch wenig zu spüren.
Von Fabian Nitschmann

NRW-Innenminister Ralf Jäger ist voll des Lobes, wenn es um den Stärkungspakt Stadtfinanzen geht. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, teilte sein Ministerium mit Blick auf den Stärkungspakt gestern mit. Denn eine Untersuchung des Hauses sowie der kommunalen Spitzenverbände hat ergeben, dass die besonders belasteten Kommunen auf dem Weg seien, wieder handlungsfähig zu werden. „In ihren Haushaltssanierungsplänen rechnen fast alle Kommunen ab 2016 wieder mit positiven Jahresergebnissen“, so der Minister weiter. Damit würde das Ziel, bis 2021 alle Kommunen zu einem ausgeglichenen Haushalt zu führen, quasi im Spaziergang erreicht.

Gleichzeitig steht den Beamten in den kommunalen Rathäusern aufgrund fehlender Steuereinnahmen der Schweiß auf der Stirn. Dementsprechend fällt die Bilanz hier deutlich verhaltener aus. „Der Stärkungspakt Stadtfinanzen ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem aber noch viele folgen müssen“, sagt etwa Marienheides Bürgermeister Stefan Meisenberg (Bild li.). „Mit den Folgen durch zum Beispiel äußere Einflüsse wie der Konjunktur werden wir nun allein gelassen.“

Neben Marienheide ist aus dem oberbergischen Kreis die Stadt Bergneustadt aufgrund der miserablen Haushaltslage an der Teilnahme der ersten Runde des Stärkungspakts verpflichtet worden. Die Analyse von Kämmerer Bernd Knabe fällt dabei ähnlich aus, wie bei den Kollegen in Marienheide: „Der Stärkungspakt ist von der Ausrichtung her grundsätzlich richtig, aber es gibt doch zahlreiche Änderungsnotwendigkeiten.“ Den Ausgleich für 2016 habe man doch eher knapp und belastet mit zahlreichen Steuererhöhungen geschafft, so Knabe. Vor allem das Umlagensystem mit dem Zugpferd Kreisumlage werde, so Knabe, vom Stärkungspakt nicht gebändigt. „Die Umlagen kennen seit Jahren nur den Weg nach oben.“ Also doch eher ein Hürdenlauf statt einem Spaziergang?

Kämmerer Knabe (Bild re.) scheut zum Vergleich eine Beispielrechnung nicht. Während Minister Jäger erklärt, dass 72 Prozent der Haushaltskonsolidierung durch die Reduzierung der freiwilligen Ausgaben erreicht worden seien und die übrigen 28 Prozent durch Steuererhöhungen eingenommen wurden, zeigt sich für den Einzelfall Bergneustadt ein gänzlich anderes Bild: „Wir haben bis 2021 betrachtet 25 Prozent beim Personal eingespart und 67 Prozent Konsolidierungsmasse über Steuererhöhungen eingerechnet. Da wir seit Anfang der 1990er Jahre im Haushaltssicherungskonzept stecken, gab es kaum noch freiwillige Leistungen, die wir streichen konnten“, so Knabe.

Und das nächste Schreckgespenst hat derweil schon an den Rathaustüren angeklopft: Die Konjunktur entwickelt sich nicht derart positiv, wie von allen erhofft und prognostiziert. Für die Kommunen hat dies schnelle und weitreichende Folgen: Im Sommer wurden auch im Oberbergischen zahlreiche Haushaltssperren verhängt. Nach den erfreulichen Entwicklungen speziell der Gewerbesteuer im Jahr 2013 drohen nun große Finanzierungslücken in den öffentlichen Haushalten. Knabe: „Unsere Prognose für 2014 war optimistisch, aber nicht unrealistisch. Das Ziel von fünf Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen werden wir aber wohl um eine Million verfehlen.“

Auch Marienheides Bürgermeister Meisenberg hält speziell die Stärkungspakt-Kommunen in dieser Situation für machtlos. „Die Steuerschätzungen beruhen auf verbindlichen Hochrechnungen, die vom Land vorgegeben werden. Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen im gesamten oberbergischen Kreis nun um 25 Prozent gefallen“, erklärt der Rathauschef. Um, wie von Minister Jäger gehofft, im Jahr 2016 zu den Kommunen mit positivem Jahresergebnis zu gehören, müsste Meisenberg den Hebesatz der Grundsteuer B wohl in vierstellige Bereiche anheben. „Hier muss der Pakt stärker eingreifen“, so der Bürgermeister.

Auch Knabe blickt mit Unbehagen auf den Hebesatz der Grundsteuer B. „Aus der Politik gibt es eigentlich die klare Ansage, den Hebesatz nicht über die für 2016 vorgesehenen 959 Punkte zu heben“, so der Kämmerer. Ob dieser Wert mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen ausreichen wird, möchte Knabe derzeit allerdings noch nicht abschließend beurteilen. Es bleibt wohl ein beschwerlicher Weg hin zu ausgeglichen Haushalten und Schuldenabbau. 
  
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