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'Wie eine Schreibmaschine auf der Hand'

js; 8. Jul 2014, 17:08 Uhr
Bilder: Jessica Schöler --- Marion Nister (freiberufliche Taubblinden-Assistentin), Oliver Ley aus Engelskirchen und Christine Wosnitza (Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Biologischen Station).
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'Wie eine Schreibmaschine auf der Hand'

js; 8. Jul 2014, 17:08 Uhr
Nümbrecht – Die Biologische Station Oberberg begab sich heute auf einen inklusiven Naturspaziergang – Gemeinsam mit taubblinden Menschen erkundete man die Kräutervielfalt um Schloss Homburg
Seit einigen Jahren setzt sich die Biologische Station Oberberg (BSO) dafür ein, dass ihre Angebote auch für Menschen mit Behinderung zugänglich sind. Mit dem Programm „Kräuter und Pflanzengeheimnis“ richtete man sich heute an taubblinde Menschen und holte die Fachgruppe Taubblinde und Hörsehbehinderte des Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein-Westfalen (BSV NRW) mit ins Boot.  

Mit zehn Teilnehmern und neun Begleitpersonen aus ganz NRW sollte es auf Kräuterexkursion gehen. Dank der regnerischen Wetterverhältnisse musste der Naturspaziergang, der unter anderem über eine Obstwiese und über den Klangpfad führen sollte, dann aber verkürzt werden.



[Gebärdensprach-
Dolmetscherin Almuth Oppermann mit Georg Cloerkes (Ausflugsorganisator vom BSV NRW).]

Christine Woznitzas Workshop „Pflanzengeheimnisse – Kräuter, Zubereitung und Probieren“ sollte eigentlich im Grünen Klassenzimmer rund um Schloss Homburg absolviert werden. Nachdem eine Ausbeute an heimischem Grün zusammengetragen war, verlagerte die wissenschaftliche Mitarbeiterin der BSO, den restlichen Veranstaltungsteil ins „Rote Haus“. Dort wurden die gesammelten Pflanzen zu einem Kräutersalz weiterverarbeitet. Wosnitza berichtete mehr über Kapuzinerkresse und andere Gartenkräuter, musste sich dabei aber auf die Hilfe von Gebärdensprachendolmetschern verlassen.


Die Exkursionteilnehmer sind unterschiedlich stark beeinträchtigt. Einige können Hören oder Sehen, einige sind blind und taub, oder haben noch einen Rest Sehstärke. Je nach Art der Beeinträchtigung wird auf verschiedene Kommunikationsformen zurückgegriffen. Im „Roten Haus“ unterhielt man sich heute entweder per Gebärdensprache oder über die sogenannte taktile Gebärdensprache.


[Marion Nister und Oliver Ley unterhalten sich über die taktile Gebärdensprache.]

Die taktile Gebärdensprache wird vor allem von Menschen verwendet, die gehörlos sind, erst später erblinden und deren Muttersprache die Gebärdensprache ist. Die Gebärden und Bewegungen des Gesprächspartners werden über die Hände „abgefühlt“. Müssen einzelne Worte buchstabiert werden, wird auf das Lorm-Alphabet zurückgegriffen. „Das funktioniert im Grunde so, wie eine Schreibmaschine auf der Hand“, erklärt Wosnitza.
  
Oliver Ley aus Engelskirchen  ist einer der Teilnehmer, die auf das taktile Gebärden zurückgreifen, weil er taub und stark sehbehindert ist. Obwohl der 46-Jährige wenig Kräutererfahrung hat, entschied er sich zur Teilnahme. „Ich finde das spezielle Angebot sehr interessant. Für Taubblinde sind Fühlen und Riechen sehr wichtig“, übersetzt die freiberufliche Taubblinden-Assistentin Marion Nister in Gebärdensprache. Eine Dolmetscherin wandelt die Gebärdensprache in Worte um.

Der Naturausflug für Taubblinde ist ein Baustein des vom LVR geförderten Gesamtprojekts „Naturerleben inklusiv“. Insgesamt sind an diesem großen Kooperationsprojekt zehn Biologische Stationen im Rheinland beteiligt, die vom LVR gefördert wurden. Die BSO koordiniert das Kooperationsprojekt und organisiert zum Beispiel die Fortbildungen. Erfahrungen aus den vergangenen fünf Jahren Projektförderung werden an die anderen Stationen weitergegeben.


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