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Ein Wochenende voller ukrainischer Köstlichkeiten

er; 12. Apr 2014, 14:09 Uhr
Bilder: privat --- Elena während einer Wanderung.
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Ein Wochenende voller ukrainischer Köstlichkeiten

er; 12. Apr 2014, 14:09 Uhr
Nümbrecht – Die Nümbrechterin Elena Rother absolviert einen einjährigen Freiwilligendienst in einem Kinderheim in der Ukraine – Auf OA schildert sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen.
Liebe Leser,

Es ist Donnerstagabend, ein Arbeitstag liegt hinter mir und mein Mitfreiwilliger, Ilja, und ich sind gerade in den Zug nach Ivano-Frankivsk gestiegen. Der Grund für unsere zwölfstündige Reise ist ein „Vernetzungsseminar“ für die Freiwilligen, die in der Westukraine arbeiten. Wir packen unseren Proviant aus und machen die Betten fertig. Als jedoch um 23 Uhr das Licht ausgeht, ist an Schlaf nicht zu denken. Unsere Abteilnachbarinnen haben ein zuckersüßes, einjähriges Kind dabei, dessen Schreien im ganzen Wagon zu hören ist. Zug fahren in der Ukraine macht Spaß, vor allem, wenn man Karten in der dritten Klasse („Platzkart“) hat... Noch drei Mal werde ich diese Nacht wach, drei Mal wegen ohrenbetäubendem Kindergeschrei, doch schließlich kommen wir immerhin halbwegs ausgeschlafen in Ivano an, wo wir von Marcel, einem anderen Freiwilligen, am Bahnhof abgeholt werden.


[Elena im Zug.]

Nach einem gemeinsamen Frühstück starten wir einen Rundgang durch Ivano, die Hauptstadt des gleichnamigen Oblastes. Im Vergleich zu Kiew ist diese jedoch ein gemütliches Dorf, kaum Plattenbauten und im Mittelpunkt ein riesiger Markt, auf dem Bauern ihre frischen Waren verkaufen. Es duftet nach Bärlauch, Honig, Quark und frischen Blumen. Auch hier ist der Frühling angekommen. Schließlich machen wir Mittagspause in einer Pizzeria und treffen Lubchek, unseren ukrainischen Seminarleiter, mit dem wir uns im urigen VW-Bus der Malteser auf den Weg nach Naremtsche, einem kleinen Kurort in den Kaparten, machen. Durch kleine und größere Dörfer führt der Weg, vorbei an Bauruinen und Feldern, die mit der Hand oder mit Hilfe von Pferden bestellt werden. Am Straßenrand sitzen alte Frauen, die Honig, Tee und Marmelade verkaufen. Die Landschaft wird immer bergiger. Schließlich biegt Lubchek von der Straße ab. Wir haben unsere Pension, ein kleines Haus mit dazugehöriger Sauna, erreicht.




[Die Westukrainer-Freiwilligen mit dem Seminarleiter (re.)]  

Wir packen aus und beginnen in gemütlicher Runde das Seminar. Schnell wird klar, dass es dabei nicht ausschließlich um Organisatorisches geht, sondern viel mehr um einen allgemeinen Erfahrungsaustausch zwischen Lubchek als Ukrainer, der viele Kontakte nach Deutschland hat, und uns Deutschen in der Ukraine. Im Laufe des Wochenendes werden sämtliche Aspekte des „Kulturschocks“ aufgegriffen, von der Sprache über das Einleben bis hin zum Straßenverkehr. „Wie viel Strafe müsst ihr bezahlen, wenn ihr im Auto ohne „Schnur“ (gemeint war der Sicherheitsgurt) fahrt?“ Warum sind die deutschen Grenzbeamten scheinbar freundlicher als die Ukrainischen? Wohin lohnt sich eine weitere Reise? Was hat euch das Einleben in der Ukraine so leicht gemacht? Natürlich ist auch die politische Situation ein großes Diskussionsthema.


[„Salo“, traditionell ukrainischer Schweinespeck.]

Nach der Pause können wir bestätigen, dass unsere Wirtin nicht zu Unrecht Chefköchin in einem der größten Hotels des Ortes war und unser ukrainischer Wortschatz (mit Russisch kommt man hier nicht sehr weit) erweitert sich sogleich um ein „duzhe smatschna“ (sehr lecker). Den Abend lassen wir gemütlich bei sauren Gurken, Salo (ukrainische Spezialität: Schweinespeck) und anderen Leckereien in der Sauna ausklingen. Wenn man in der Ukraine in die Sauna geht, mietet man für gewöhnlich nicht nur die Sauna an sich, sondern ein kleines Häuschen mit Aufenthaltsraum, Dusche, Pool oder Flusszugang.


Am Samstag machen wir uns auf den Weg in ein noch entlegeneres Dorf in den Kaparten, wo wir ein Waiseninternat besuchen wollen. Erst führt der Weg über Asphalt mit Schlaglöchern, vorbei an kleinen Hütten und riesigen Villen, die „Politikern“ und Oligarchen gehören. Als das Haus eines Regierungsmitglieds hinter uns liegt, hört auch die Straße auf und wir fahren über Waldwege und alte, schmale Brücken, entlang an Schluchten und quer durch den Wald. Endlich am Waiseninternat angekommen, müssen wir jedoch feststellen, dass hier nicht unbedingt mit deutscher Planung zu rechnen ist: Die Kinder sind im Zirkus.


[Wasserfall im Nationalpark.]

Spontan fahren wir in einen Nationalpark, in dem es auch einen Wasserfall gibt. Als wir danach wieder im Auto sitzen, entscheiden wir uns, noch das Feriendomizil der Klitschkos zu besichtigen. „Da war ich schon mal“, sagt Lubchek stolz, „das geht hier irgendwo rechts von der Straße ab“ und er biegt in einen weiteren Waldweg ein. Tatsächlich stehen hier viele riesige Häuser, meistens von hohen Mauern umgeben, doch wir fahren daran vorbei, immer weiter in den Wald. Als sich der Weg teilt, folgen wir den Stromleitungen und einem kleinen roten Landa, der vor uns durch den Wald ruckelt. Der Weg wird schmaler und schmaler, bis endlich jemand resigniert sagt: „Ich glaube, du musst hier umkehren, Lubchek, hier kommen wir nicht weiter“. Scheinbar hatten wir doch nicht die richtige Abzweigung genommen, denn auch die Waldarbeiter, die wir auf dem Rückweg trafen, hatten noch nichts von Klitschkos Residenz gehört. „Wer weiß, wen ein Boxweltmeister bezahlt, um seinen Aufenthaltsort geheim zu halten...“

Am Abend haben wir Schaschlik gegrillt und zu Cello- und Gitarrenmusik gesungen. So genießen wir einmal mehr die ukrainische Küche mit all ihren Köstlichkeiten und haben am nächsten Morgen noch nicht so viel Hunger, dass wir einen ganzen Teller voller Reibekuchen frühstücken können. Die Wirtin versteht das jedoch nicht und fasst die nicht geleerten Teller beinahe als Kritik an ihren Kochkünsten auf. Zum Glück gelingt es uns aber, ihr zu erklären, dass wir einfach nur satt sind und beim besten Willen nichts mehr essen können, auch wenn wir damit eine ganze Woche schlechtes Wetter in Kauf nehmen.


[Ein Bauernhaus in Naremtsche.]  

Auch wenn wir Freiwilligen uns untereinander schon vorher kannten, sind wir an diesem gemeinsamen Wochenende doch noch etwas mehr zusammen gewachsen und alle etwas wehmütig, als es zurück nach Ivano-Frankivsk geht. Am Abend haben sich unsere Mägen schon soweit geleert, dass wir gemeinsam italienisch kochen, bevor es für Ilja und mich zurück nach Kiew ging. Jetzt hat eine neue Arbeitswoche angefangen und ich genieße den Frühling hier und hoffe, dass der nächste Monat nicht ganz so schnell vergeht wie dieser.

Auf meinem Blog www.elenainderukraine.jimdo.de finden Sie weitere Berichte und Fotos über meinen Freiwilligendienst in Kiew, außerdem gibt es dort die Möglichkeit, für das Kinderheim, in dem ich arbeite, zu spenden, da auch das von der Wirtschaftskrise in der Ukraine betroffen ist.

Vielen Dank und viele Grüße,

Elena Rother
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