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Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt

db; 29. Mar 2014, 23:28 Uhr
Bild: Michael Kleinjung, Oliver Müller (Galerie 22 bis 34) --- Freudenschrei: Carsten Lichtlein hatte mit seinen Paraden wieder maßgeblichen Anteil am Erfolg.
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Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt

db; 29. Mar 2014, 23:28 Uhr
Gummersbach – Der VfL Gummersbach gewinnt eine unglaubliche Zitterpartie nach einer turbulenten Schlussphase - 'RPP – Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' präsentiert die Berichterstattung über den VfL Gummersbach (AKTUALISIERT).
Von Daniel Beer

Ganz tief durchatmen. Das mussten nach Schlusspfiff erst einmal alle Anwesenden tun. Ganz tief durchatmen. Der VfL Gummersbach hat das selbst deklarierte Spiel des Jahres mit dem denkbar knappsten Vorsprung für sich entschieden und kommt damit dem wichtigsten Ziel näher, auch in der kommenden Saison im Oberhaus des deutschen Handballs zu spielen. Der Abstand auf den ersten Abstiegsplatz beträgt jetzt sechs Punkte. Soweit die trockenen Fakten. Wie dieses Ergebnis zustande kam, zerrte allerdings am Nervenkostüm aller, die dem VfL die Treue halten.   

VfL Gummersbach - HBW Balingen-Weilstetten 25:24 (15:13).


[Zittern bis zum Schluss: Nach einem taktischen Foul muss Joakim Larsson gehen. Manager Frank Flatten guckt auf die Anzeigentafel.]  

Die Partie war Abstiegskampf pur und gipfelte in einer Schlussphase, die wohl alle 3.452 Zuschauer in der SCHWALBE arena so schnell nicht vergessen werden. Eingeläutet wurde sie von Roland Schlinger, der mit seinem insgesamt fünften Treffer drei Minuten vor Ende zum 24:24 ausglich. Bis hierhin hatte Gummersbach fast die gesamte Partie über geführt. Doch statt nach diesem Schock zusammenzubrechen, wie es in der jüngeren Vergangenheit leider öfters der Fall war, konnte der VfL durch Jörg Lützelberger direkt antworten und erneut in Führung gehen. Balingen-Weilstetten wechselte einen zusätzlichen Feldspieler ein und drängte auf den Ausgleich. Die gesamte Halle stand. Kai Häfner warf anschließend am Kasten des VfL vorbei.


[Doch noch zwei Sekunden: Trainer Emir Kurtagic und Christoph Schindler diskutieren mit dem Zeitnehmer.]  

Dann die letzte und bislang wichtigste Minute der Saison: Nach einer Auszeit von Trainer Emir Kurtagic hatte der VfL im Angriff die Chance auf die Vorentscheidung, doch der Versuch von Andreas Schröder segelte über das Tor. Was für ein Nervenkrieg für alle Beteiligten. Auf Seiten des VfL schlug man sich die Hände vors Gesicht. Noch 40 Sekunden. Ballbesitz HBW. Die Gummersbacher verteidigten jetzt jeden Zentimeter und gingen aggressiv auf den Gegner, der keinen sauberen Abschluss fand. Noch mal Auszeit VfL – bei 13 Sekunden auf der Uhr. Wie lang doch so eine Minute werden kann.


[Die letzte Szene der Partie, noch einmal Luftanhalten und ...]  

In den letzten Sekunden bekam HBW-Akteur Felix König den Ball, der wie öfters in der Partie als zusätzlicher Feldspieler eingesetzt wurde. Schwede Joakim Larsson warf ihm seine 1,96 Meter entgegen und riss den Balinger mit dem linken Arm hart zu Boden. Dafür bekam Larsson die Rote Karte. Er nahm sie gerne. Doch es herrschte kurz Verwirrung. Die Anzeigetafel zeigte 60:00, aber es waren laut Schiedsrichter noch zwei Sekunden zu spielen. Letzte Chance HBW. Kai Häfner versucht es aus der Drehung, scheitert aber an den hochgerissenen Armen von Mark Bult. Anschließend gingen Tausende Arme in die Luft, denn endlich war dieses Spiel offiziell beendet und der wichtige Sieg im Abstiegskampf perfekt.      


[... abgeblockt! Jubelstürme auf den Rängen. Der Sieg ist perfekt.] 

Über die gesamte Spielzeit war es eine knappe Angelegenheit. Nie konnte sich der VfL richtig absetzen, mehr als eine drei Tore Führung sprang nicht heraus. Die Anfangsphase war zudem geprägt von Fehlern auf beiden Seiten, die wohl der Nervosität geschuldet waren, denn schließlich stand für beide Teams viel auf dem Spiel. Das war beim VfL auch an den Verantwortlichen abzulesen. Manager Frank Flatten brüllte die ganze Partie über vom Spielfeldrand, sodass ihm in der anschließenden Pressekonferenz fast die Stimme versagte. Trainer Emir Kurtagic konnte ebenfalls nicht ruhig auf der Bank sitzen. Sogar Betreuer Bernd Erlinghagen bekam nach einer Diskussion mit dem Schiedsrichter eine Verwarnung. Und auch VfL-Boss Götz Timmerbeil lief aufgeregt hin und her. Bis zum Schluss. Dann konnten alle ganz tief durchatmen.

Stimmen zum Spiel   

VfL-Trainer Emir Kurtagic: Ich gratuliere meiner Mannschaft zu zwei unheimlich wichtigen Punkten. Am Ende kommt es nicht darauf an, wie wir diese zwei Punkte geholt haben. Wir haben sie und das ist das Wichtigste. Jetzt haben wir im Abstiegskampf etwas Luft und können uns auf die nächsten Aufgaben vorbereiten. Zum Spiel: Wir haben in der ersten Halbzeit eine sehr gute Leistung im Angriff gezeigt. Wir hatten ein paar Probleme in der Rückwärtsbewegung. Das hat Balingen genutzt und ist so im Spiel geblieben. Es hat mich geärgert, dass wir zur Halbzeit nicht deutlicher geführt haben. Dafür hat sich die Abwehr in der zweiten Halbzeit deutlich gesteigert. Die Jungs haben heute einen Kraftakt an den Tag gelegt. Ich bin stolz auf die Jungs, dass sie dieses Spiel trotz des Drucks und der Heimspielproblematik nicht aus der Hand gegeben haben. Ein großes Lob auch an die Halle, die uns heute toll unterstützt hat.    

VfL-Manager Frank Flatten: Meine Stimme ist ein bisschen weg. Ich freue mich unendlich, dass wir die zwei Punkte geholt haben. Wir haben hier heute Abstiegskampf pur gesehen. Keine der Mannschaften hat zurückgesteckt. Jeder hat 100 Prozent gegeben. Man hat es auch an der letzten Situation gesehen, als das taktische Foul begangen wurde. Die Emotionen schlugen hoch, aber das ist normal. Für Gummersbach ist das ein ganz wichtiger Sieg. Für Balingen tut es mir natürlich leid, aber so ist der Sport. Wir drücken ihnen natürlich weiterhin die Daumen, dass alles ganz normal weitergeht. Wir wollen uns weiterhin gut präsentieren. Mannschaft und Trainer haben heute einen großen Kampf gezeigt.    

HBW-Trainer Markus Gaugisch: Gratulation an den VfL Gummersbach. Es stand viel auf dem Spiel und das hat man beiden Mannschaften auch angemerkt. Das Tempo war nicht sehr hoch. Wie in den letzten Wochen fehlte uns heute eine Kleinigkeit. Am Sonntag hätten wir Kiel fast einen Punkt abgenommen. Heute war es der letzte Angriff. Das sind die Kleinigkeiten, die entscheiden. Wir haben nur fünf technische Fehler gemacht in diesem Spiel. Das ist ein sehr guter Wert. Aber wir haben zu viele Chancen liegen lassen, aber Carsten Lichtlein ist auch ein super Torhüter. Deshalb müssen wir das Ergebnis jetzt akzeptieren.  

VfL Gummersbach
Carsten Lichtlein (14 Paraden)
Lucas Puhl
Raul Santos  (5)
Barna Putics (4)
Florian von Gruchalla (2)
Mark Bult (2)
Christoph Schindler (7)
Andreas Schröder (2)
Fredrik Larsson
Joakim Larsson (1)
Andreas Heyme
Jörg Lützelberger (2)
Philipp Jaeger
Srdjan Predragovic

Balingen-Weilstetten
Bastian Rutschmann (2 Paraden)
Nikolas Katsigiannis (6 Paraden)
Felix König (1)
Christoph Foth
Dragan Tubic (2)
Roland Schlinger (5)
Wolfgang Strobel (1)            
Christoph Theuerkauf (1)
Daniel Wessig                       
Martin Strobel (1)
Kai Häfner (3)
Sascha Ilitsch (3)
Florian Billek (3)
Manuel Liniger (4)

Zuschauer: 3.452

Schiedsrichter: Matthias Brauer/Kay Holm

Siebenmeter: (2/2, 4/2 Manuel Liniger scheitert zweimal)

Zeitstrafen: 2:8 Minuten

Spielfilm: 5:4 (6.), 8:6 (12.), 11:9 (20.), 15:13 (Halbzeit), 18:15 (36.), 22:19 (46.), 24:24 (57.), 25:24 (Endstand).  

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