Archiv

Oberberg im Zeichen der Energiewende

ch; 16. Sep 2012, 09:15 Uhr
Bilder: Christian Herse --- Beereits heute sind solche Windräder auch im Bergischen häufig zu sehen. Doch durch die Energiewende wird sich dieser Trend noch verstärken.
ARCHIV

Oberberg im Zeichen der Energiewende

ch; 16. Sep 2012, 09:15 Uhr
Oberberg – Energiegenossenschaft Bergisches Land will Energiewende in der Region vorantreiben – Mehrere Standorte in Lindlar für Windpark geeignet, Ründerother Wehr soll Stromerzeuger werden, auch Nümbrecht plant neue Windräder.
Von Christian Herse

Die Energiewende ist beschlossene Sache. Doch nachdem die Bundesregierung Fukushima sei Dank nach vorne geprescht ist, bleibt weiterhin unklar, wie das Mammutprojekt angegangen werden soll. Stromautobahnen sollen quer durch Deutschland verlegt werden, um mit dem Wind auf der Nordsee unter anderem das Flutlicht in der Münchner Allianzarena mit Energie zu speisen – mit entsprechenden Protesten. Andernorts sollen mit Wasser, Sand und Chemikalien tiefgelegene Felsplatten gesprengt werden, um an dort lagerndes Gas zu gelagen. Doch die Folgen dieser Methode sind unklar, die Erfahrungen aus den USA aber teilweise desaströs. Kein Wunder also, dass man in der heimischen Region prüft, wo selbst eigene Ressourcen zur Stromerzeugung zur Verfügung stehen.

Insgesamt sechs Standorte haben sich laut der AggerEnergie dabei für Windparks als geeignet herausgestellt und sollen jetzt genauer unter die Lupe genommen werden. Die Energie-Genossenschaft Bergisches Land (EGBL) verfolgt eine ähnliche Linie und ließ in den vergangenen Wochen mögliche Plätze für solche Anlagen im Westen des Kreises prüfen.

[Bald ein normales Bild im Bergischen? Rinder in Kombination mit Windkrafträdern.]

„Ich bin grundsätzlich gegen eine Verspargelung der Landschaft und spreche mich klar dafür aus, dass wir zum Wohle der Bevölkerung nicht den vollen Rahmen des Möglichen ausschöpfen“, erklärt Thomas Willmer als Vorsitzender der EGBL. Unterstützung erhält er dabei von Lindlar Bürgermeister, Dr. Georg Ludwig, der jedoch auch noch einiges an Klärungsbedarf sieht: "Wir dürfen da nichts auf dem Rücken der direkten Anwohner entscheiden." Orte, wo die Anlage mindestens 800 Meter von den nächsten Häusern entfernt sei, wären auch im Oberbergischen rar, sodass die Planungen entsprechend sorgfältig durchgeführt werden sollten. Dennoch wolle man in Deutschland die Energiewende und müsse deswegen auch mit entsprechenden Konsequenzen rechnen. „Wir können eben leider nicht einfach den Schalter umlegen und haben dann atomfreien Strom", gibt sich Willmer keinerlei Träumereien hin.

Die Energie-Genossenschaft Bergisches Land ist aus der EG Lindlar hervorgegangen und hat bereits in mehreren Kommunen Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Dächern installiert. Der Aufbau von Windparks sei nur der nächste logische Schritt, wird aber nicht der einzige bleiben.

Mit Tannenhof, Ommerborn/Unterbüschem/Peffekoven, Scheel/Unterpentinghausen und Nordbrochhagen/Berghäuschenweg habe man potentielle Standorte gefunden, wo sechs bis neun Windräder in einem Park künftig Strom erzeugen könnten. Auch das ehemalige Munitionsdepot in Wiehl-Brächen würde sich dafür eignen, dafür müsste das Gebiet aber aus dem Naturschutzplan rausgenommen werden. „Wir müssen uns schon entscheiden, ob wir die Energiewende haben wollen oder den Naturschutz. Meiner Meinung nach sollte der Mensch hier eindeutig Vorrang haben“, stellt Willmer klar.

Bevor jedoch gebaut wird, müssen die planungstechnischen Grundvoraussetzungen gegeben sein. Aus diesem Grund hat die EGBL ihre Daten an die Gemeinde Lindlar zur weiteren Prüfung übergeben. „Als groben Zeitraum halte ich den Bau ab 2015 für realistisch“, schätzt Willmer weiter.


[Das Wehr in Ründeroth soll angebaut und zum Energielieferanten werden.]


Doch nicht nur vom Wind ist das Oberbergische gesegnet, auch unter Wasserknappheit muss hier niemand leiden. An mehreren Talsperren wird der Wasserdruck bereits in Energie umgewandelt, jetzt sollen auch die Flüsse zur Gewinnung genutzt werden. Für 500.000 bis 550.000€ soll das Wehr in Ründeroth umgebaut werden. „Wir befinden uns in intensiven Gesprächen mit dem Aggerverband, der Aggerenergie und der Gemeinde“, berichtet Willmer über den aktuellen Stand der Dinge. „Die Projektierung wird weiter vorangetrieben. Wir haben uns schon andere Anlagen angeschaut und die Technologien verglichen", vermeldet Engelskirchens Bürgermeister Dr. Gero Karthaus. Er rechnet damit, dass man Ende des Jahres die Planungen abgeschlossen habe und genau weiß, ob sich die Investionen lohnen würde, die man gemeinsam mit den Partnern tätigen müsste.

Willmer stellt dabei klar, dass die bisherige Anlage unberührt bleiben und das Wehr seitlich erweitert werden soll. Dies würde neben der Stromgewinnung im Hochwasserschutz für die Oberlieger einen weiteren Vorteil finden. Insgesamt 470.000 Kilowattstunden könnten am Aggerstrom erzeugt werden. Ebenfalls ins Visier genommen haben die Energie-Genossen die Sülz bei Georghausen.
 

„Das Bergische bietet derart viel Potential, dass nur genutzt werden muss. Ähnlich wie das Energie-Dorf Lieberhausen können wir auch andere Ortschaften mit Wärmeparzellen autark versorgen“, schwebt Willmer noch ganz andere Projekte vor.

Doch auch im Südkreis treibt man die Energiewende voran. Letzte Woche habe man sich mit den Fraktionsvorsitzenden der Parteien zusammengesetzt und über ein Windkraftanlage in Oberstaffelbach gesprochen, berichtete Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius: „Der Fahrplan wurde festgelegt und in einer Sondersitzung des Planungsausschuss schauen wir uns die Sache noch genauer an." Bereits jetzt sei man mit den Gemeindewerken auf diesem Gebiet tätig. Bei der Erstellung eines Energiekonzepts für den Kurort wolle man aber die Bürger mitnehmen, betont Redenius. „Nur im Dialog ist es möglich, solche Projekte in einer Kooperation umzusetzen." Denn trotz der Energiewende, die auch im Oberbergischen zu spüren sein werde, wolle man das Kapital der Region nicht aufs Spiel setzen: Ihre grüne Landschaft mit kilometerweiten und ungestörten Ausblicken ins Bergische.
WERBUNG