Archiv

Angeklagter schweigt aus Angst vor Rocker-Bande

pn; 4. Jul 2018, 16:30 Uhr
ARCHIV

Angeklagter schweigt aus Angst vor Rocker-Bande

pn; 4. Jul 2018, 16:30 Uhr
Köln – Am Landgericht Köln hat der Prozess gegen einen 25-jährigen Gummersbacher begonnen, bei dem im vergangenen Jahr fast 1,8 Tonnen eines Stoffes zur Drogenherstellung gefunden wurde – Verbindungen zu Rockerclub Osmanen Germania.
Von Peter Notbohm


Unter erhöhten Sicherheitsbedingungen startete heute der Prozess gegen einen 25-jährigen Gummersbacher, in dessen Wohnung Ende vergangenen Jahres 1,76 Tonnen eines Stoffes sichergestellt worden waren, mit dem Drogen hergestellt werden können. Was zunächst unspektakulär mit der vollständigen Aussageverweigerung des Angeklagten begann, stellte sich im Laufe des ersten Prozesstages als spannender Fall im nordrheinwestfälischen Drogenmilieu heraus. Denn während der am Asperger-Syndrom leidenden Achim R. (alle Namen geändert) fast den gesamten Verlauf nur starr auf den Boden blickte, brachte die Vernehmung des ersten geladenen Zeugen einiges an Licht ins Dunkel des verworrenen Falls.


Yunus K., ein früheres hochrangiges Mitglied des türkischstämmigen Rocker-Clubs Osmanen Germania berichtete über fast zwei Stunden, dass der 25-Jährige eigentlich nur etwas Haschisch habe erwerben wollen, sich aber schnell vom dichtmaschigen Netz seines Chefs und den tollen Kutten des Clubs habe einfangen lassen. „Er konnte gar nichts und war ängstlich. Ich habe meinem Präsidenten gesagt, wir sollten ihn rauslassen, aber mein Präsident wollte ihn als Opfer“, berichtete der ebenfalls inhaftierte Zeuge, der kommende Woche im großangelegten Prozess gegen seine früheren Anführer in Stuttgart aussagen soll. Achim R. habe sich vom Charme des vermeintlichen Box-Clubs und seines Chefs Hamit P. schnell einfangen lassen und sei ein leicht beeinflussbarer Mensch gewesen.


Entsprechend wenig Widerworte habe der leichtgläubige Angeklagte gegeben, als die türkisch-nationalistische Straßengang unter dem Tarnmantel von Baumaterialien für einen neuen Box-Club das Drogenmaterial bei ihm im Keller zwischenlagerte. Aufgeflogen war der Zwischenstopp nur dank aufmerksamer Nachbarn, die sich über die nächtlichen Aktivitäten in dem 21-Parteienhaus beschwerten. Das gefundene Material, was zunächst noch als bundesweit größter Fund galt, sei allerdings kaum der Rede wert, erklärte der mittlerweile aus dem Rocker-Club ausgestiegene Yunus K., dessen Sicherheitschef er war: „Das ist kein Verlust. Wir haben dieses Türken-Heroin Containerweise gelagert. Das Material hätte für etwa 14 Kilogramm Drogen gereicht.“


Er selbst führe mittlerweile einen lebensgefährlichen Krieg – auf ihn sei bereits vier Mal geschossen worden - mit Osmanen Germania und rechnet auch für den 25-jährigen Angeklagten mit einer problematischen Zukunft. „Ohne Zeugenschutz werden sie ihn nicht gehen lassen. Egal wie das Urteil in diesem Prozess lautet, wird er anschließend die verlorene Ware zurückzahlen müssen. Zehn Jahre Knast wären besser für ihn, als ein Freispruch. Verräter, wie ich, werden als vogelfrei abgestempelt. Der Club hat ihn nach dem Fund bereits unter Druck gesetzt“, ist er sich sicher.


Wie der Prozess für den 25-Jährigen kommende Woche weitergeht, wird vor allem daran hängen, wie die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Dr. Stefan Queng die Frage beurteilt, wie viel der Angeklagte hätte wissen müssen. Das sich der Gummersbacher in einer Opferrolle befinde, sei nach den Aussagen des Zeugen zwar recht unstrittig, doch die Installierung einer schweren Jalousie sowie eines dicken Vorhängeschlosses im Kellerabteil seines Wohnhauses sprächen nicht unbedingt für eine völlige Naivität des Angeklagten.

Zu diesem Artikel werden keine Leserkommentare freigeschaltet

Weitere Artikel zum Thema

Zwischen Freispruch und Haftstrafe
  
WERBUNG