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"Ab 80 km/h fährt bei mir die Angst mit"

bv; 1. Aug 2018, 14:34 Uhr
Bild: Bernd Vorländer.
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"Ab 80 km/h fährt bei mir die Angst mit"

bv; 1. Aug 2018, 14:34 Uhr
Gummersbach – Anfang Juli hat Radrennfahrer Andreas Vach den Deutschen Meistertitel geholt – Der 50-Jährige lebt für seinen Sport und hat noch viel vor.
Von Bernd Vorländer

Manche Menschen leben in einer Parallelwelt, kapseln sich ab, erleben psychische Traumata, sind auf ärztliche Hilfe angewiesen. Auch Andreas Vach lebt in einer Parallelwelt, dies aber ganz bewusst und weil er es so will. Tagsüber leitet der 50-Jährige seine Firma in Wipperfürth, die Farben für Kunststoffe herstellt. Doch davor und danach widmet Vach seine Zeit dem Radsport. „Es ist ein schmaler Grat zwischen Spaß und Sucht“, weiß der Mann, der in Gummersbach lebt und jeden Tag mit seinem Rennrad den Weg nach Wipperfürth-Kupferberg zurücklegt, um nach Dienstschluss noch eine große Runde zu drehen – im Sommer meist weit mehr als 100 Kilometer. Jeden Tag. Auch im Winter kommt das Rad zum Einsatz, dann die Mountainbike-Variante. Sport hatte für Vach seit frühester Jugend immer eine große Bedeutung. Er war Langläufer, siegte mehrfach auf dem Unnenberg, holte vordere Platzierungen beim Gummersbacher Silvesterlauf. Mit 28 Jahren war Schluss, Arthrose in den Zehen beendeten diese Karriere. Aufgeben kam für den Gummersbacher jedoch nicht in Frage. Er setzte sich aufs Rennrad und kam nicht mehr los davon.


Vach ist eigentlich längst kein Freizeitfahrer mehr. Er ist einer von den positiven „Verrückten“, die in ihrer Sportart großen Ehrgeiz entwickeln. „Man muss hart gegen sich selbst sein“, weiß der Sportler, der allerdings alle leistungsfördernden Stoffe strikt ablehnt. An diesem Punkt hört die Liberalität seiner Sportart gegenüber auf. Dabei sei Doping im Amateur-Radrennsport längst nichts Außergewöhnliches mehr – gerade im benachbarten Ausland. Vach setzt ausschließlich auf Training – und er gönnt sich auch schon mal ein Bier. "Schokolade und Chips dürfen auch nicht fehlen“, lächelt der groß gewachsene Mann, der für das Wuppertaler Team Donner an den Start geht und als Tempobolzer bekannt und gefürchtet ist. „Weil ich kein Sprinter bin, liegt meine einzige Chance in Tempoverschärfungen“, meint Vach. Eigentlich ist er in seinem Team „Edelhelfer“ für den Sprintkönig Rainer Beckers, doch Anfang Juli war in Görlitz plötzlich alles ganz anders.

Bei den Deutschen Meisterschaften startete Vach gegen 110 Konkurrenten in der Seniorenklasse III (49 – 59 Jahre). Auf einem Rundkurs ging es über 87,5 Kilometer. Bis zur letzten Runde bummelte das Feld, was Vach gar nicht schmeckte. Er habe dann attackiert, den wenige hundert Meter enteilten Spitzenreiter überholt und auf der nächsten Bergkuppe 35 Sekunden Vorsprung herausgefahren. „Ich wusste, dass ich im Sprint keine Chance haben würde“, blickt Vach zurück, den die Euphorie ins Ziel trug. Jetzt darf er sich Deutscher Meister nennen, trägt mit Stolz das entsprechende Trikot und wurde vom Bund Deutscher Radfahrer auch für die Weltmeisterschaft Ende August/Anfang September am Comer See in Italien nominiert. Dort steht dann auch ein Zeitfahren an, für das sich Vach erst einmal das entsprechende Rad ausleihen muss. „Das sind Spezialkonstruktionen, die einen hohen vierstelligen Betrag kosten und die man nicht mal eben zu Hause stehen hat.“

Einiges hat sich für den Deutschen Meister nach seinem Titelgewinn verändert. Die Zahl der Interviews ist explodiert, und jeder Gegner bei den Rennen hat nur noch ein Ziel, nämlich, den deutschen Meister zu bezwingen. Gelegenheit dazu gibt es reichlich. Das kommende Wochenende ist für Andreas Vach hinsichtlich der Renndichte ein typisches im Sommer 2018. Freitagnachmittag steht er um 17 Uhr in Krefeld am Start, reist in der Nacht weiter nach Bamberg, wo am Samstag ein Rennen ansteht. Am Sonntag tritt Vach noch im pfälzischen Mehlingen an, ehe es wieder gen Gummersbach geht. So reißt der Radrennfahrer gerne schon mal 1.000 Kilometer am Wochenende ab. Aber das reicht noch nicht. Falls noch Zeit bleibt, steht Vach ab dem Herbst für den TuS Halver an der Tischtennisplatte.

Schon jetzt freut sich der Deutsche Meister auf den Dezember, wenn er ein mehrwöchiges Trainingslager auf Mallorca bestreitet und dann sicherlich auch wieder Bergabfahrten trainiert. Davor hat er Respekt. „Ab 80 km/h fährt bei mir die Angst mit“, gibt Vach zu. Ehrgeizig ist er, aber nicht leichtsinnig, spätestens nach einem schweren Sturz im vergangenen Jahr, der ihn einige Monate außer Gefecht setzte.
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