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Silberfische in der Besteckschublade

Red; 13. Jan 2018, 09:30 Uhr
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Silberfische in der Besteckschublade

Red; 13. Jan 2018, 09:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um einen Gerichtsstreit wegen unliebsamer Mitbewohner.
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Andreas Günther

Zum Jahresauftakt der RechtEck-Serie wagen wir einen Ausflug ins Tierreich. Lepisma Saccharina – das gemeine Silberfischchen, ein possierliches Tierchen wie Bernhard Grzimek es wohl genannt hätte.

So begeistert war die Käuferin einer Eigentumswohnung in der Nähe von Münster sicher nicht, als sie nach dem Kauf ihrer Wohnung Silberfische in dieser vorfand. Im Gegenteil, wie sich aus einen Urteil des OLG Hamm aus Sommer 2017 (Az.: 22 U 64/16) herauslesen lässt.

Was war geschehen? Die Klägerin kaufte vom Beklagten eine Eigentumswohnung. In dem notariellen Kaufvertrag war die Gewährleistung des Verkäufers für Mängel der rund 19 Jahre alten Wohnung ausgeschlossen. Nur bei arglistigem Verschweigen eines Sachmangels sollte der Verkäufer haften. Er versicherte damals, dass ihm versteckte Mängel nicht bekannt seien und auch bisher Mängel nicht auftraten.

Die Klägerin stellte nach dem Einzug den Befall der Wohnung mit Silberfischen fest. Das wollte sie nicht hinnehmen. Sie erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den Kaufpreis vom Beklagten zurück. In 1. Instanz vor dem LG Münster verloren sie - auch das OLG Hamm sah in 2. Instanz bei dem Silberfischbefall keinen Sachmangel. Ihre Berufung wurde abgewiesen.

„Nachvollziehbar ist zwar, dass die Klägerin, die keine besondere Abscheu gegenüber Insekten empfindet, die Grenzen des Erträglichen gekommen sah, als sie die Tiere in ihren Besteckschubladen vorfand und dies mit der Vorstellung verband, die Tiere seien zuvor über das ausgelegte Gift gelaufen.“  Das sei hier aber bedeutungslos, weil sich die Beobachtungen und die damit verbundene Abscheu auf einen Zeitpunkt von mehreren Wochen nach Gefahrübergang bezog. Maßgeblich ist also der Zeitpunkt des Gefahrübergangs – hier die Übergabe der Wohnung an die Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt muss der Sachmangel vorliegen und der Verkäufer muss diesen Mangel gekannt und den Käufer darüber arglistig getäuscht haben. Die Hammer Richter arbeiteten gründlich und ließen sich durch Sachverständige beraten. Lehrreich befassen sie sich mit den possierlichen Silberfischen und kommen zu einigen überraschenden Erkenntnissen.

„In hygienischer Sicht sind die Tiere harmlos, eher nützlich. Denn sie ernähren sich von Bestandteilen des Hausstaubs, von Hautschuppen, sogar von Schimmelpilz. Sie sind typische, oft unauffällige Begleiter des Menschen in bewohnten Wohneinheiten…“ Danach ist ein gewisser Grundbestand von Silberfischen in Wohnungen weder unüblich noch ist die Abwesenheit dieser Tiere generell zu erwarten. Vielmehr sei – nach den Ausführungen der Sachverständigen – in einer Vielzahl von Wohnungen und Häusern ein Besatz mit Silberfischen zu vermuten, weil die Tiere gerade dort günstige Lebensbedingungen vorfinden und weil ihr Vorhandensein kaum auffällt, da sie im Verborgenen leben, lichtscheu und nachtaktiv sind.

Die Klägerin konnte hier zwar durch Fotos toter Silberfische nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung einzelne Exemplare der Gattung Lepisma Saccharina vorhanden waren. Weil aber keine generelle Freiheit von Silberfischen durch den Verkäufer geschuldet war, reicht die Existenz einzelner Tiere zur Begründung eines Sachmangels nicht aus.

Die spätere hohe Zahl der Tiere erklärten die Sachverständigen dann noch mit den von der Klägerin durchgeführten Renovierungsarbeiten und der eingebrachten Feuchtigkeit. Bei fehlender Lüftung ideale Bedingungen für die Entwicklung von Silberfischen. Ein arglistiges Verschweigen des Mangels konnte die Klägerin dem Beklagten ohnehin nicht nachweisen. Der Klägerin selbst sind ja erst fast fünf Monate nach Vertragsbeurkundung und zu einer ungewöhnlichen Tageszeit Silberfische aufgefallen. „Einer gezielten Suche haben sie sich entzogen."

Zwischen den Zeilen des Urteils meint man – frei nach Prof. Grzimek - ein gewisses Herz für Silberfische der Richter herauszuhören. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen.

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