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Nicaragua: Ungeschminkte Einblicke von Altbischof Hombach

us; 31. Jul 2018, 13:36 Uhr
Bild: Ute Sommer --- v.l. Karla Gaisbauer (Vorsitzende des Fachausschuss Ometepe des Kirchenkreises an der Agger), Michael Höhn, Antonio Péres Mendoza, Bischof Berhard Hombach, Monika Höhn und Reinhard Lenz (Pfarrer an St. Marien, Freudenberg).
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Nicaragua: Ungeschminkte Einblicke von Altbischof Hombach

us; 31. Jul 2018, 13:36 Uhr
Wiehl - Seit 25 Jahren besteht das Bildungs- und Gesundheitsprojekt Ometepe-Nicaragua - Bischof Bernhard Hombach und der nicaraguanische Priester Antonio Péres Mendoza informierten über die aktuelle Lage in dem Land, dessen Menschen seit drei Monaten unter blutigen Unruhen leiden.
Von Ute Sommer

Der deutsche Bischof Bernhard Hombach ist seit über 30 Jahren im mittelamerikanischen Nicaragua als katholischer Geistlicher zu Hause und weilt derzeit zu Besuch in seiner Heimatgemeinde St. Marien in Freudenberg. Als langjähriger Bischof der 600.000-Seelen Diözese Granada und Leiter der Caritas in Nicaragua betrieb Hombach den Bau von Schulen, Heimen für Straßenkinder, Mutter-Kind Kliniken, engagierte sich für Menschenrechte, ist auch als "Unruheständler" oft als Seelsorger im Lande unterwegs und solchermaßen dicht dran an den Menschen.


Als Kenner des Ometepe-Projektes dem Ehepaar Monika und Michael Höhn seit langer Zeit freundschaftlich verbunden, nutzte der 84-jährige die Gelegenheit, um in einem Gespräch im Hause Höhn direkte Einblicke in die politische und gesellschaftliche Situation Nicaraguas zu vermitteln und persönliche Einschätzungen der Lage vorzunehmen. "Die Situation ist breit gefächert", beschrieb der Theologe die vielschichtige Konfliktlage, bei der die Kampflinie aktuell nicht zwischen politisch verfeindeten Lagern, sondern zwischen Machterhalt und Menschenrechten verlaufe. Vor seiner Abreise nach Deutschland erlebte er im April persönlich die Anfänge der Aufstände, die sich nur vordergründig an der geplanten Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge entzündeten.

Unterschwellig allerdings sei in der Gesellschaft seit Langem die Bevorzugung der Sandinisten, die 1979 den Sturz des Somoza-Regimes betrieben hatten, spürbar gewesen. Obwohl das zweitärmste Land Lateinamerikas, galt Nicaragua mit stabiler Wirtschaftslage und -entwicklung lange als Musterschüler der Region und "niemand hätte auch nur im Traum daran gedacht, dass so etwas passieren könnte", schilderte der Bischof. "Im April kam es dann zu unerklärlichen Bränden in unterschiedlichsten Waldgebieten, von denen aber offiziell nicht berichtet wurde, und bei denen nur die sandinistische Jugend als Rettungskräfte zugelassen war", verlieh Hombach beispielhaft seiner Vermutung Ausdruck, dass die Regierung Ortega per illegaler Brandrodung Land für eigene Zwecke requirieren wollte.

Die geplante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge sei dann der Funke gewesen, der die Studenten zu Protesten auf die Straße getrieben habe, so Hombach. Die Proteste wurden freilich vom Ortega-Regime blutig niedergeschlagen. Bei den hunderten Toten, die es in den vergangenen drei Monaten gegeben haben soll, handelte es sich nach Ansicht von Menschenrechtlern weitgehend um junge Menschen, die gegen das Ortega-Regime protestiert hatten. "Das ist das Schlimmste, was einer Diktatur passieren kann", wertete Hombach den furchtlosen Aufstand des Volkes gegen die Unterdrückung.

In der Folge sei es während der Demonstrationen zu gezielten Tötungen gekommen, mit denen die autoritäre Regierung auf Proteste reagiert habe. Die von Regierungsseite gestreute Unterstellung, die Kirchen versteckten Kampfmittel zur Bewaffnung der Jugendlichen, wies der Bischof bei seinem Besuch in Wiehl als "infam und zersetzend" zurück. "Die Kirche fordert unbedingte Gewaltfreiheit und verteidigt das Leben derer, die blindlings erschossen werden", unterstrich Monsignore Hombach vehement. "Diktator Somoza war im Vergleich zu Ortega nur ein Lehrling", beschrieb er ungeschminkt seinen Blickwinkel auf die derzeitige nicaraguanische Regierung.

Ein erstes, von der katholischen Kirche einberufenes Zusammentreffen aller Konfliktparteien, sei nach Rücktrittsforderungen an Präsident Ortega und seine Ehefrau in heftigen Auseinandersetzungen geendet, wobei Hombach Verhandlungsfehler auf beiden Seiten sieht. "Man hätte sich eher an Realpolitik als an Wunschdenken orientieren müssen.“ Trotz der verfahrenen Verhandlungssituation, bei der mittlerweile verschiedene Interessengruppen wie Studenten, Campesinos, Naturschutzaktivisten und Unternehmer ihre Ziele verwirklichen möchten, sieht Hombach die Rolle der Kirche weiterhin klar in der Vermittlungsposition. "Das Ziel der Kirche ist immer Frieden."

Im regen Nachrichtenaustausch mit den 20 Nicaraguanern der Ometepe-Projektgruppe berichtete das Ehepaar Höhn von dramatischer Medikamentenverknappung, vollständigem Zusammenbruch der Tourismusbranche und unsicheren Verkehrsverbindungen. "Wir überweisen unseren Mitarbeitern weiterhin ihre Gehälter, um ihren Alltag finanziell zu sichern", machen beide ihre Entschlossenheit deutlich, sich weiterhin zu engagieren. Obwohl der Priester Antonio Péres Mendoza sich einerseits über den neu erwachten Freiheitsdrang seiner Landsleute gegen die Unterdrückung der Regierung freut, erfüllt ihn andererseits der Gedanke an seine Familie mit großer Sorge, denn die Ortega-Regierung kämpfe mit allen Mitteln um den Machterhalt. Der Zukunft Nicaraguas sehen Bischof Hombach und sein 35-jähriger Kollege gleichermaßen mit großer Sorge entgegen.      
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