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Für 'Pogrom' gibt es keine Übersetzung

ls; 7. Nov 2018, 12:45 Uhr
Bilder: Leif Schmittgen --- Dr. Ludger Joseph Heid (re.) war auf Einladung von Dr. Bernhard Wunder nach Gummersbach gekommen.
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Für 'Pogrom' gibt es keine Übersetzung

ls; 7. Nov 2018, 12:45 Uhr
Gummersbach - Dr. Ludger Joseph Heid erinnerte heute Morgen bei einem Vortrag vor Schülern des Lindengymnasiums an die Ereignisse des 9. Novembers vor 80 Jahren.
Von Leif Schmittgen

Der Publizist, Historiker und Literaturwissenschaftler Dr. Ludger Joseph Heid nahm die Oberstufenschüler des Lindengymnasiums heute Morgen mit auf eine Zeitreise zu den Geschehnissen, die sich in der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 in ganz Deutschland zugetragen haben, die sogenannte Reichskristallnacht. Wobei dieser Begriff für Heid doch eher zynisch klingt, wie er den Jugendlichen in der Aula an der Moltkestraße gleich zu Beginn klarmachte.   


[Der Redner trug eindrucksvoll die Geschenisse aus der Novembernacht 1938 vor.]

„Am ehesten beschreibt wohl der aus dem Russischen stammende Begriff `Pogrom` die damaligen Ereignisse“, so der Duisburger, der derzeit mit seinem Vortrag in ganz Deutschland unterwegs ist und bereits gestern auch in der Halle 32 Station machte. „Es gibt keine deutsche Übersetzung für das Wort, in etlichen Sprachen hat sich der Begriff allerdings als Synonym für die Ereignisse von damals eingebürgert“. Überhaupt fiel es schwer, die systematische Zerstörung von jüdischen Gebäuden und Synagogen im gesamten damaligen Reichsgebiet in Worte zu fassen, Heid versuchte es pragmatisch: „Am Morgen des 10. November knirschten die Schuhe der Menschen“, damit meinte er die Glasscherben, die nach dem Terror der Nacht zurückgeblieben waren.   

Der Redner wagte vor den Schülern eine These: „Hätten damals Menschen vor dem Reichstag gegen die Pogrome demonstriert, hätte es Auschwitz nie gegeben“. Stattdessen sei nichts geschehen und die Bevölkerung hätte die Zerstörung ohne Widerstand hingenommen. „Das war ein Test für die Nazis, um zu sehen, inwieweit die Menschen die Aktionen gegen Juden akzeptieren“, war sich der Historiker sicher. Auflehnung gegen das Regime gab es in späteren Jahren allerdings schon, zum Beispiel von der „Weißen Rose“, einer Studentengruppe, die sich auf christlich-humanistische Werte berief, wie eine Schülerin bei der anschließenden Fragestunde in den Raum warf. „Der Widerstand war zu gering, um das System zu stürzen“, so Heid.

 

Überhaupt schienen sich die Zuhörer gut auf den Vortrag vorbereitet zu haben, denn viele glänzten mit geschichtlichem Fachwissen: Heid hatte gesagt, dass alle Synagogen zerstört worden seien, dem widersprach eine Gymnasiastin, dass das Berliner Gotteshaus nicht betroffen gewesen sei. „Das war eine rühmliche Ausnahme“, antwortete der Duisburger. Ein Feuerwehrmann habe sich damals den Nazischergen entgegengestellt und dadurch die Zerstörung verhindert.   
 
[Viele der Oberstufenschüler glänzten bei der Fragestunde mit geschichtlichem Fachwissen.]

Eingeladen zum Vortrag Heids hatte das katholische Bildungswerk und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Dr. Bernhard Wunder, Chef der katholischen Einrichtung, hatte die Veranstaltung mit der Geschichtslehrerin Birgit Griss vom Gymnasium organisiert.  
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