Archiv

Staatsanwältin: 'Ich fühle mich verarscht'

nh; 16. Nov 2018, 15:30 Uhr
ARCHIV

Staatsanwältin: 'Ich fühle mich verarscht'

nh; 16. Nov 2018, 15:30 Uhr
Oberberg - Ein 52-jähriger Mann aus Bergeneustadt muss sich seit heute vor dem Amtsgericht Gummersbach verantworten - Ihm wird Betrug in besonders schwerem Fall vorgeworfen - Nachermittlungen bezüglich seiner Deutschkenntnisse.
Von Nils Hühn

Die Sachlage ist relativ eindeutig: Ein 52-jähriger Mann aus Bergneustadt hat vergangenes Jahr insgesamt sieben Kredite in einer Gesamthöhe von 92.500 € bei verschiedenen Banken aufgenommen. Dabei legte er gefälschte Unterlagen vor, weshalb ihm Betrug in besonders schwerem Fall und Urkundenfälschung vorgeworfen wird. Bei der heutigen Hauptverhandlung hatte sich der Angeklagte auf die Vorwürfe eingelassen und durch seine Verteidigerin seine Stellungnahme verlesen lassen. Obwohl der in der Türkei geborene Mann seit 1992 in Deutschland lebt, kann er weder deutsch sprechen, lesen oder schreiben.

Aus diesem Grund übersetzte ein Dolmetscher die Fragen von Richter Ulrich Neef und der Staatsanwältin. Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass der Angeklagte am 6. Februar 2017 erfolgreich einen Kredit über 37.000 € aufnahm. Am 4. Mai 2017 nahm er bei fünf anderen Geldinstituten weitere Kredite zwischen 8.000 € und 9.500 € auf. Laut der Staatsanwältin täuschte er die Institute, indem er ihnen gefälschte Verdienstbescheinigungen und Kontoauszüge vorlegte. Insgesamt nahm der Mann Kredite in einer Gesamthöhe von 92.500 € auf, ohne die Absicht, diese zurückzuzahlen, so die Anklage.

Seine Verteidigerin erläuterte, dass der Mann nach dem Besuch der Grundschule in der Türkei keine weitere Schulbildung genoss. Zwar gestehe er den Betrug, aber ihr Mandat sei vom Intellekt nicht in der Lage, eine solche Tat auszuführen. Vielmehr habe er in einem Lokal einen anderen älteren Mann aus Düsseldorf kennengelernt, der angab, Kreditverträge vermitteln zu können. Da zwei der drei Töchter unmittelbar vor der Hochzeit standen, benötigte der Neustädter nach eigenen Angaben 15.000 €. Diese Summe wollte er per Kredit aufnehmen.

Sein Bekannter, von dem er nur den Vornamen kannte und auch nicht wusste, wo er wohnt, erledigte den gesamten Papierkram und eröffnete zwei neue Konten mit dem Angeklagten, damit sein Anspruch auf Sozialgeld nicht entfalle, wenn das Geld tatsächlich auf dem Konto landen würde. Seine Verteidigerin führte aus, dass er sämtliche Dokumente „blind“ unterschrieben habe. Dass bei der ersten Kreditaufnahme 37.000 € statt 15.000 € angefordert wurden, will der 52-Jährige nicht gewusst haben.

Er nahm sich 15.000 € und die restlichen 22.000 € behielt der Kreditvermittler. Erst jetzt bemerkte er, dass er „als Werkzeug benutzt wurde“, so die Verteidigerin. Aus Angst, unter anderem hatte der Bekannte ihm eine Schusswaffe gezeigt, erstattete er keine Anzeige. Auch die übrigen 55.500 € sollen in die Tasche des Kreditvermittlers geflossen sein.

Bereits im Jahr 2015 wurde der Angeklagte wegen versuchten Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Damals hatte er beim Jobcenter eine falsche Abrechnung eingereicht, wodurch er mehr Leistungen erhalten hätte. Dem Sachbearbeiter fiel der Schwindel jedoch rechtzeitig auf. Der Angeklagte erklärte, dass er sich lediglich vertan hätte. Richter Neef las aus der Akte vor, dass der 52-Jährige bereits damals widersprüchliche Aussagen getroffen hatte und unter anderem von einem Bekannten aus der Moschee sprach, der für die Fälschung verantwortlich sein könnte.

Irgendwann wurde es der Staatsanwältin zu bunt: „Ich fühle mich verarscht“, sagte sie in Richtung des Angeklagten. Die Polizei soll nun Nachermittlungen führen. Unter anderem soll geklärt werden, wie gut die Deutschkenntnisse des Bergneustädters wirklich sind. „Irgendwie muss er sich beispielsweise mit dem Sachbearbeiter des Jobcenters unterhalten haben“, meinte die Staatsanwältin. In Zuge der polizeilichen Nachermittlungen sollen der besagte Sachbearbeiter, Bankmitarbeiter und Kollegen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber befragt werden. Richter Neef und die beiden Schöffen setzten das Verfahren vorerst aus.
  
Zu dieser Meldung werden keine Leserkommentare freigeschaltet.
WERBUNG