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Jannes: Krankenkasse sträubt sich wegen 176 €

fj; 5. Jun 2018, 12:28 Uhr
Bilder: privat --- Jannes durfte rund einen Monat nach der Stammzellentransplantation erstmals wieder an die frische Luft.
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Jannes: Krankenkasse sträubt sich wegen 176 €

fj; 5. Jun 2018, 12:28 Uhr
Gummersbach – 2017 erhielt Jannes Kaiser (7) eine überlebenswichtige Stammzellentransplantation in der Freiburger Uniklinik – Trotz eindeutiger Empfehlungen der Ärzte sträubt sich die Krankenkasse gegen die Übernahme der Fahrkosten für die Nachsorge.
Der Ausdruck „Wechselbad der Gefühle“ beschreibt nur unzureichend, was Familie Kaiser aus Gummersbach durchmachen muss, seit bei Sohn Jannes (heute sieben Jahre) im Jahr 2016 das myelodysplastische Syndrom (MDS) diagnostiziert wurde. Es war klar: Ohne eine Stammzellentransplantation würde der Junge, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, diese bösartige Erkrankung des Knochenmarks nicht überleben. Der Schock saß tief und die Angst wurde zum ständigen Begleiter. Als dann Anfang 2017 ein passender Stammzellenspender gefunden wurde, konnten Jannes Mutter Yvonne und sein Stiefvater dieses Glück kaum fassen - auch wenn die Angst vor dem Eingriff blieb. Nun, rund 14 Monate nach der Transplantation, überwiegt die Wut - auch bei Bettina Hühn, Initiatorin des Projekts „Helfende Hände Oberberg“, in dessen Rahmen Familie Kaiser unterstützt wird. „Ich schäume regelrecht über“, sagt sie und spricht damit auch Mutter Yvonne aus dem Herzen. Grund der Emotionen: Ein Betrag in Höhe von 176 €, gegen dessen Übernahme sich Jannes‘ Krankenkasse sträubt.

Was ist passiert? Auf Empfehlung der Ärzte in Köln, die Jannes vor der Transplantation behandelten, wurde diese am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt. Auch die ersten Nachsorgeuntersuchungen fanden in Freiburg statt. Die entsprechenden Fahrtkosten - eine Summe von 176 € - wurden der Familie, für die Jannes Erkrankung nicht nur ein persönliches Schicksal, sondern auch eine enorme finanzielle Belastung bedeutet, von der Krankenkasse BARMER erstattet. Bis jetzt. Dann der Schock.


[Vor der Transplantation: Jannes mit Bettina Hühn, Initiatorin des Projekts „Hilfe für Nick & Co. Helfende Hände Oberberg".]

Als Familie Kaiser nach der ersten Nachsorgeuntersuchung in 2018 wieder einen Antrag auf Erstattung der Fahrkosten in Höhe von 176 € stellt, fordert die Krankenkasse eine ärztliche Bescheinigung, dass die Uniklinik in Freiburg die nächstmögliche Behandlungsmöglichkeit darstellt. Diese stellen die Freiburger Ärzte aus: „Es ist erforderlich, dass sich die Patienten nach einer Transplantation regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen unterziehen, um den Verlauf kontrollieren zu können, mögliche Komplikationen früh zu erkennen und so gegebenenfalls Krankenhausaufenthalte zu vermeiden“, heißt es im Brief der Klinik, der der Redaktion vorliegt. Weiter schreiben die Ärzte, dass das Klinikum Freiburg deutschlandweit, wenn nicht europaweit, das Zentrum mit der meisten Erfahrung in der Stammzellentransplantation ist. Aus medizinischer Sicht wird somit „nachdrücklich empfohlen“, die Nachsorgeuntersuchungen hier durchzuführen.



Trotz dieser eindeutigen Empfehlung der Ärzte kommt der Medizinische Dienst (MDK), der die BARMER in solchen Angelegenheiten berät, zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Demnach sei die Behandlung in Freiburg aus medizinischer Sicht nicht zwingend notwendig, sondern könne auch in Köln stattfinden. Damit werden die Fahrkosten nicht erstattet, obwohl die Behandlung in Freiburg ausdrücklich empfohlen wird. Und nicht nur das: Laut MDK ist es insgesamt fraglich, ob die drei-monatige Nachuntersuchung, die die Freiburger Ärzte so dringend empfehlen, überhaupt notwendig ist (Schreiben liegt der Redaktion vor). Dabei wurden bei einer Blutuntersuchung erst kürzlich wieder auffällige Zellen gefunden. Damit, so erklärt Hühn, sei Jannes wieder „ein akuter Fall“.


[Jannes, aufgenommen vor wenigen Tagen: Er ist blass, seine Mutter vermutet, dass er eine Impfung nicht vertragen hat. Sein Immunsystem muss sich langsam erholen.]

Warum die Fahrkostenerstattung trotzdem nicht möglich ist, kann sich Yvonne Kaiser nicht erklären. Auch telefonisch, erzählt die besorgte Mutter, habe sie hierauf noch keine Antwort erhalten. Und auch wenn Fahrkosten in Höhe von 176 € pro Untersuchung für die Familie viel Geld bedeuten, geht es den Kaisers doch mehr ums Prinzip, als ums Geld: „Die Ärzte haben ausdrücklich bestätigt, dass mein Sohn in Freiburg, nicht in Köln, die bestmögliche Versorgung erhält. Und plötzlich zählt diese Empfehlung nichts mehr?“, fragt sich die Gummersbacherin. Hühn findet noch deutlichere Worte: „Jannes ist akut krank. Er hat nicht nur MDS, sondern auch das Down-Syndrom. Es gibt nur wenige vergleichbare Fälle und kaum Erfahrungswerte. Und da setzt sich die BARMER über diese ausdrückliche Empfehlung der behandelnden Ärzte einfach hinweg – wegen Fahrtkosten in Höhe von 176 €?“, schäumt sie.

Diese Meinung hat Hühn auf Facebook auch öffentlich gemacht – und erhielt prompt den Hinweis vom Online-Team der BARMER, dass man eine Klärung der Hintergründe veranlassen wolle. Das war der verzweifelten Mutter bei ihren zahlreichen Anrufen bislang nicht gelungen. Aber Yvonne Kaiser hat Widerspruch gegen die Entscheidung der BARMER eingelegt. Und damit könnte sie Erfolg haben: Laut einer Kinderärztin, so berichtete Hühn heute, dürfe Köln die Nachsorgeuntersuchungen wohl gar nicht durchführen – eben weil die Stammzellentransplantation in Freiburg durchgeführt wurde und die behandelnde Klinik damit in Freiburg, nicht in Köln, liegt. Auch wenn das von Gummersbach 387 Kilometer weiter weg liegt, als die Domstadt am Rhein.
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