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'Die Pflege ist bis zum Anschlag gefahren worden'

bv; 17. Jul 2018, 16:02 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Minister Karl-Josef Laumann (3. v. re.) informierte sich gemeinsam mit dem oberbergischen Landtagsabgeordneten und CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen (ganz re.) beim Sozialdezernenten des Oberbergischen Kreises, Ralf Schmallenbach, Kreisdirektor und AGewiS-Betriebsleiter Klaus Grootens, Landrat Jochen Hagt und Akademieleiterin Dr. Ursula Kriesten (v. li.) über die Entwicklung der Akademie.
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'Die Pflege ist bis zum Anschlag gefahren worden'

bv; 17. Jul 2018, 16:02 Uhr
Gummersbach – NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann besuchte die Gesundheitsakademie wie die Wohnhilfen Oberberg in Gummersbach und fand klare Worte zur Altenpflege.
Von Bernd Vorländer

Er ist mitunter unbequem, sperrig – auch schon mal westfälisch stur, und das bekommen auch Parteifreunde schon mal zu spüren. Karl-Josef Laumann, NRW-Arbeits-, Gesundheits- und Sozialminister ist nicht gerade der typische Christdemokrat. Und er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Das war auch am heutigen Vormittag so, als sich der CDU-Mann einige Stunden Zeit nahm, um sich in der Kreisstadt Gummersbach die Akademie für Gesundheitswirtschaft und Senioren (AGewiS) wie auch die Diakonie Michaelshoven anzuschauen. Laumann lobte die Arbeit des Oberbergischen Kreises, der im Bereich der Rettungsdienste und der Pflegeausbildung Außergewöhnliches leiste. „Hier macht man sich viele Gedanken um die ärztliche und pflegerische Zukunft, das kann ich nur loben“, so Laumann. Er begrüße es, dass der Kreis als Träger einer Pflegeschule tätig sei. So etwas finde man nicht oft.

Aber Laumann (Bild) redete auch Klartext - etwa über die Zukunft der Altenpflege. „Die Pflege ist im ganzen Land bis an den Anschlag gefahren worden. Das geht gar nicht“, meinte der CDU-Politiker. Er plane in NRW eine Aufwertung des Berufs, der sich nicht nur in einer besseren Wertschätzung, sondern auch in einer besseren Bezahlung äußere. Schwierigkeit sei, dass die Mitarbeiter in der Altenpflege nicht gewerkschaftlich organisiert seien. Laumann forderte, dass sich in der Bezahlung etwas verändern müsse. „Wir brauchen Tarifverträge, an die sich dann auch alle halten.“ Außerdem müsse die Pflege auch eine andere Wertigkeit erhalten. Der Gesundheitsminister plant eine NRW-Pflegekammer, die eine neue Außenwirkung entfalten solle. Außerdem müssten Vertreter dieser Kammer bei allen relevanten Fragen mit am Tisch sitzen. Er habe sich in seiner Funktion als Pflegebeauftragter der Bundesregierung immer schon gewundert, dass viele über die Pflege diskutiert hätten, ohne dass die Betroffenen ihre Ansicht hätten äußern können. „Das will ich ändern.“


Laumann kündigte an, die Landeszuschüsse für die Ausbildung in der Altenpflege als Sofortmaßnahme von 280 € auf 380 € anheben zu wollen, was Landrat Jochen Hagt und Kreisdirektor Klaus Grootens freute. Langfristig dürfe es keinen Unterschied zwischen Kranken- und Altenpflege mehr geben, so der Minister, der sich auch für den Ausbau der Telemedizin stark machte. „Das kann ein Segen sein.“ Und schließlich will Laumann die Notfallversorgung von Patienten anders organisieren. Er halte es für eine „komplette Fehlsteuerung“, wenn Hilfesuchende immer stärker in den Notaufnahmen der Krankenhäuser aufschlagen würden, statt in den Praxen der diensthabenden Allgemeinmediziner.


[Bei den Wohnhilfen Oberberg der Diakonie Michaelshoven ließ sich Minister Laumann (ganz li.) die Verwendung der Landeszuschüsse erklären: (v. li.) Geschäftsbereichsleiterin Susanne Hahmann, Diakonie-Vorstand Uwe Ufer und OBK-Sozialdezernent Ralf Schmallenbach.]

Am frühen Morgen hatte sich Laumann zunächst bei den Wohnhilfen Oberberg der Diakonie Michaelshoven informiert. Die Wohlfahrtseinrichtung übernimmt für die kreisangehörigen Kommunen die Aufgabe, Menschen in Wohnungsnot zu helfen oder in kritischen Fällen zu vermitteln, ehe es zum Verlust einer Wohnung kommt. Dabei gehen die Mitarbeiter proaktiv vor, das heißt, sie versuchen zu handeln, ehe Emotionen und Aggressionen eine Kommunikation etwa zwischen Vermieter und Mieter unmöglich macht, wie der kaufmännische Vorstand der Diakonie Michaelshoven, Uwe Ufer, deutlich machte. Mit insgesamt 330.000 € förderte das Land NRW das oberbergische Präventionsprojekt, das den Betroffenen schnelle und unbürokratische Hilfe anbietet. Im vergangenen Jahr habe man in Oberberg mit 236 Räumungsklagen zu tun gehabt, in denen man oft vermittelnd habe tätig werden können, so Susanne Hahmann, Geschäftsbereichleiterin der Wohnhilfen Oberberg. Für 2018 müsse man mit einem Anstieg der Fälle rechnen. Als Wohnhilfe gehe man auf die Menschen zu, versuche Vertrauen zu wecken, um gemeinsam erste Schritte in eine dann wieder selbstbestimmte Zukunft zu gehen.

Minister Laumann bezeichnete das Schicksal der Menschen ohne Wohnung als „das schwierigste Thema für einen Sozialminister“. Er werde als Sofortmaßnahme 850.000 € für eine bessere medizinische Versorgung der wohnungslosen Menschen bereitstellen. Der CDU-Politiker sprach sich zudem für ein Umdenken in den NRW-Kommunen aus, die mehr Fläche für den Wohnungsbau bereitstellen und dafür sorgen müssten, dass Investoren auch einen entsprechenden Anteil preisgünstiger Wohnungen errichteten. „Bezahlbarer Wohnraum ist in NRW ein Problem“, so Laumann.
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