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In Happach wird 'frisch gezapft'

fj; 15. Nov 2018, 11:15 Uhr
Bilder: privat --- Die Kälbchen sind insbesondere für die jungen Besucher des Bauernhofs eine Attraktion, aber auch die Kinder der Landwirte spielen gerne mit den jungen Kühen.
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In Happach wird 'frisch gezapft'

fj; 15. Nov 2018, 11:15 Uhr
Waldbröl - Seit September kann man auf dem Hof der Familie Overhoff/Schmelzer in Happach rund um die Uhr frische Milch kaufen - Hinter der Milchtankstelle steckt der Wunsch, den Menschen die Landwirtschaft näher zu bringen.
Wer sein Auto in Waldbröl-Happach einmal volltanken will, sucht vergeblich nach einer Tankstelle. Die nächste liegt ein paar Kilometer außerhalb. Glück hat allerdings der, der nicht seine Benzin-, sondern Milchvorräte auffüllen möchte. Denn das geht rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche an der Milchtankstelle des örtlichen Bauernhofs. Die „Drei von der Tankstelle“ sind die Landwirte Jeanette Overhoff (33 Jahre), ihr Mann Marco Schmelzer (37) und ihr Vater Friedrich (63). Komplettiert wird die Landwirtsfamilie durch die beiden Kinder (fünf und drei Jahre), der jüngste Spross wird im Dezember erwartet. Und natürlich gehören Kühe zum Hof in Happach, rund 140 sind es derzeit. Deren neuer Stall, so könnte man es sagen, ist letztendlich dafür verantwortlich, dass man bei den Overhoffs 24/7 Rohmilch tanken kann.


[Die Landwirte Jeanette Overhoff und Marco Schmelzer mit ihren Kindern.]

Doch von vorne: Mit Sorge beobachtete die junge Landwirtin Jeanette, dass Bauern in der Öffentlichkeit zunehmend Wut entgegen gebracht wird. „Gerade in den Sozialen Medien wird oft eine regelrechte Bauernhetze betrieben. Von Tierquälerei bis zur Vergiftung der Böden wird den Landwirten so ziemlich alles vorgeworfen. Bestimmt gibt es darunter auch berechtigte Kritik, aber oftmals merkt man, dass die Schreiber überhaupt nicht wissen, unter welchen Bedingungen wir Landwirte arbeiten und produzieren“. Das bekam, so berichtet Overhoff weiter, auch ihre Familie zu spüren, als ihre Milchkühe 2015 in einen neuen Stall umzogen. „Seitdem schlägt uns viel Kritik entgegen, denn wir halten unsere Kühe nun ganzjährig im Stall.“


[Ein Bild wie aus der Werbung: frische Landmilch vor Waldbröler Landschaft.]

Dass die Menschen eine artgerechte Kuhhaltung mit grünen Weiden verbinden, ist der Landwirtin dabei klar. Dass die Haltung im – wohlgemerkt richtigen - Stall aber auch ihre Vorteile hat, sei vielen nicht bekannt. „Wir haben den neuen Kuhstall nach dem Grundsatz ‚mehr Licht, mehr Luft, mehr Platz‘ gebaut und viel Geld in ein Plus an Tierwohl investiert“, sagt sie. So könnten die Außenwände geöffnet werden und ein ausgeklügeltes Belüftungssystem transportiere warme Luft nach außen ab. „Das ist wichtig, weil Kühe ab einer Umgebungstemperatur von 23 Grad unter Hitzestress leiden. Gerade im Sommer auf der Weide sind solche Temperaturen aber nicht vermeidbar“. Dank automatischem Melksystem könnten die Kühe außerdem selber bestimmen, wann sie gemolken werden, je nach individuellem Rhythmus.



Auch das Platzangebot sei im Stall nun größer, erklärt die Landwirtin weiter und rechnet vor: „Die Fläche, auf der sich die Tiere insgesamt bewegen können, beträgt rund 1.200 Quadratmeter, also mindestens zehn Quadratmeter pro Kuh. Die Regelung für besonders artgerechte Tierhaltung sieht eine Fläche von 5,5 Quadratmetern für ausreichend an. Dann haben wir zusätzlich zwei je 100 Quadratmeter große Bereiche, von denen jeweils die Hälfte komplett aus einer Strohmatte besteht. Hier stehen jeweils maximal fünf Kühe, damit sich die Tiere auf eine Kalbung vorbereiten, sich davon erholen, oder genesen können, sollten sie erkrankt sein.“ Nicht zuletzt aufgrund dieser Einrichtung habe man die Tierarztkosten seit dem Umzug halbieren und den Antibiotikaeinsatz auf ein absolutes Minimum reduzieren können, so Overhoff.


[Die Milchtankstelle auf dem Hof hat rund um die Uhr geöffnet.]

Dass die Haltung im Stall gegenüber der auf Weide auch viele Vorteile habe, müsse den Menschen aber erst einmal vermittelt werden. Doch um ihnen das zu erklären, müssten die Bauern mit ihnen ins Gespräch kommen. „Und hier kommt die Milchtankstelle ins Spiel“, lacht Jeanette Overhoff. Angesichts niedriger Milchpreise von aktuell rund 35 Cent pro Liter hat der Verkauf ab Hof für 1 € pro Liter natürlich auch wirtschaftliche Vorteile, doch vor allem ginge es den Landwirten in Happach darum, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Natürlich kann man sich einfach seine Milch kaufen und wieder fahren, das ist absolut okay. Doch wer Interesse hat und uns anspricht, dem zeige ich gerne den Stall und den Hof“, verspricht sie. Dass der Umwelt der Transport der Milch vom Hof zum Abfüller und zum Supermarkt erspart bleibt, käme dann noch als Pluspunkt dazu.


[Die „Milchzapfsäule.]

Ein Behältnis für die Mich kann mitgebracht oder an der Tankstelle erworben werden. Dann noch bezahlen und den „Milchknopf“ drücken, und schon fließt die Rohmilch. Hat man genug gezapft, gibt der Automat das entsprechende Wechselgeld heraus. „Wir wechseln die Milch jeden Tag. Man bekommt an der Tankstelle immer die frischeste Ware“, so Overhoff. Sie freut sich, dass die Tankstelle schon ein paar Stammkunden gefunden hat – und sie schon viele interessierte Menschen über ihren landwirtschaftlichen Hof führen konnte. Dank eines Streichelzoos“ und vieler Spielgeräte auf dem Hof, bleiben gerade Familien auch gerne länger, als es das eigentliche „Auftanken“ erfordert.

Weitere Informationen unter overhoff-gbr.de.
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