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Sechs, setzen

bv; 13. Dec 2018, 22:17 Uhr
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Sechs, setzen

bv; 13. Dec 2018, 22:17 Uhr
Lindlar – Über den Sinn einer Bürgerbefragung kann man streiten, nicht aber über Stilfragen – und dabei hat sich bei der Lindlarer Ratssitzung die Mehrheitsfraktion CDU wie der Bürgermeister blamiert.
Von Bürgernähe ist viel die Rede – und das nicht nur in Sonntagsreden. In Lindlar etwa sind die Bürger aufgefordert, aktiv darüber mitzureden, wie sich die Gemeinde in den kommenden 15 Jahren entwickeln soll, wo Baugebiete entstehen, wo weiterer Einzelhandel möglich ist. Nah am Bürger will man sein. Anders sieht dies bei einer von der Bürgerinitiative gegen die Erweiterung des Industrieparks Klause geforderten Bürgerbefragung aus.

Die Ratsmehrheit votierte gegen ein entsprechendes Bürgervotum. Richtig ist, dass man in dieser Frage durchaus unterschiedlicher Meinung sein darf. Einerseits ist die Planung bereits fortgeschritten, sind die baurechtlichen Prozesse in die Wege geleitet. Andererseits ist noch kein Bagger vorgefahren, kein Stein gesetzt worden. Einerseits leben wir in einer repräsentativen Demokratie, sind die gewählten Ratsmitglieder beauftragt, sich selbst eine Meinung zu bilden und stellvertretend für die Bürger Entscheidungen zu treffen. Andererseits kennt die Verfassung durchaus Elemente einer direkten Demokratie und unmittelbarer Einwirkungsmöglichkeiten der Bürger. Fakt ist: Auch nach der Ratsentscheidung wird der Protest gegen Klause V weitergehen, die Diskussionen werden nicht abreißen.

Bürgernähe zeigt sich jedoch im Kleinen – und da bot der Lindlarer Rat gestern ein Negativ-Beispiel. Obwohl man wissen musste, dass das Besucher-Interesse groß sein würde, hatte die Verwaltung keine andere Örtlichkeit gewählt, sodass viele Bürger keinen Sitzplatz hatten. Dass dann aber die Mehrheitsfraktion einen entsprechenden Antrag, den Tagesordnungspunkt, der sich mit dem Bürgerantrag zu Klause V befasste, vorzuziehen, ohne Begründung ablehnte, war schon ein starkes Stück. So mussten die Besucher mehr als drei Stunden stehend ausharren. Das war stillos und arrogant. Die Bürger waren so nah, doch das Verständnis für sie weit weg. Um es mit Schulnoten zu sagen: CDU und Bürgermeister – sechs, setzen.
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