Archiv

Brandstiftung im Schau-Spiel-Studio

vma; 3. Mar 2018, 10:20 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Biedermann (hervorragend gespielt von Thomas Knura) weicht den Kommentaren des Feuerwehrmänner-Chores aus, die ihn vor Brandanschlägen warnen.
ARCHIV

Brandstiftung im Schau-Spiel-Studio

vma; 3. Mar 2018, 10:20 Uhr
Wiehl - Das Schau-Spiel-Studio Oberberg zeigt das Stück „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch in der Inszenierung von Raimund Binder und bekam zur Premiere viel Applaus.
Von Vera Marzinski

Die tragische Groteske von Max Frisch über den Fabrikanten Biedermann, der in einer Welt voller Brandherde einfach nichts falsch machen will, ist im Wiehler Theater mit interessantem Bühnenbild umgesetzt. Binder arbeitet mit vier Ebenen: die Straße (direkt vor den Publikumstribünen), die Wohnung der Biedermanns, der Dachboden (erhöht und mit Tüll - recycelt aus der Inszenierung „Jedermann“ – abgetrennt) und die Feuerebene. Nah am Text, hat die Wiehler Inszenierung viel Ausdruckstärke, was auch an der guten Besetzung der Rollen liegt.

Biedermann, dem Thomas Knura einen überzeugenden Opportunistencharakter verleiht, gefällt sich in der Rolle des Menschenfreundes. Der Haarwasserfabrikant hat sich behaglich in seiner von Stammtischparolen und verlogener Moral regierten Welt eingerichtet. Als ehrgeiziger Geschäftsmann strebt Biedermann nach äußerem Erfolg - dass er dafür auch mal über Leichen geht, stört ihn wenig. Sein Name beinhaltet das Wort „bieder“ - ursprünglich noch im Sinne von rechtschaffen und tüchtig, beschreibt es doch heute eher einen engstirnigen, rückständigen und oft heuchlerischen Menschen.


[Eisenring (li., Colin Knura) und Schmitz (Jörn Wollenweber) nisten sich bei Biedermann ein.]

Biedermann hat ein ungutes Gefühl dabei, zwei suspekte Fremde auf seinem Dachboden schlafen zu lassen. Die dann auch noch Benzinfässer mitbringen. Aber vielleicht kann man ja sein eigenes Hab und Gut am besten schützen, indem man Brandstiftern mit größtmöglicher Gastfreundschaft begegnet? Wichtig ist für Biedermann neben seinem Wohlstand auch ein gewisser Bildungsanspruch. So hat er sich gemeinsam mit seiner Frau eine Aufführung von Hofmannsthals Drama „Jedermann“ in Wiehl (Inszenierung Binder in 2017) angesehen.


Als gutsituierte Bürger haben Biedermanns Tafelsilber, Damasttischtuch und natürlich ein Dienstmädchen - dessen Facetten spielt Kerstin Schwab hervorragend. Der Chor der Feuerwehrleute - Claus Weyers, Silke Faber, Valentin Irmscher, Noah Müller und Kira Nickel – kommentiert und bewertet die Handlung im Stück. Und der Dr. Phil (Nils Lindemann) taucht immer mal wieder in den Szenen auf.

Und dann die zwei Herren, die sich auf dem Dachboden einnisten – mit ihren Benzinfässern. Zunächst einschmeichelnd, aber auch einschüchternd: Josef Schmitz – grandios dargestellt von Jörn Wollenweber, mit Gestik, Mimik und ausdruckstarker Stimme. Sein Pendant Willi Eisenring taucht etwas später als Feuerversicherungsvertreter auf – ebenso hervorragend in seiner Rolle: Colin Knura.


[Ungern lässt sich Biedermann (Thomas Knura) von seinem Dienstmädchen Anna (Kerstin Schwab) bei der Morgenlektüre stören.]

„Die beste Tarnung ist die Wahrheit – denn sie glaubt ja ohnehin niemand“, weiß Eisenring. Die beiden Hausierer unterscheiden sich in ihren Umgangsformen und Kleidung. Schmitz ist eher der grobe, mit wenig Kultur. Eisenring beherrscht im Gegensatz zu Schmitz die gesellschaftlichen Höflichkeitsformen: Er trägt nicht nur eine weiße Weste und einen Frack, sondern stellt sich Biedermann auch formvollendet vor. Die beiden sind dem Ehepaar Biedermann suspekt, aber auf die Frage seiner Frau Babette (gespielt von Almut Irmscher – super, wie sie ihren Mann bei der Ansprache des Publikums parodiert), ob die Schmitz nicht eventuell ein Brandstifter sei sagt Biedermann: „Zum letzten Mal: Er ist kein Brandstifter“. Babette: „Woher weißt du das?“ Biedermann darauf: „Ich habe ihn ja selbst gefragt … Und überhaupt: Kann man eigentlich nichts anderes mehr denken in dieser Welt? Das ist ja zum Verrücktwerden, ihr mit euren Brandstiftern die ganze Zeit.“

Es scheint abwegig für ihn zu sein, dass die neuen, so verständnisvollen Mitbewohner etwas mit den jüngsten Bränden zu tun haben. Also schaut Biedermann zu, hilft beim Vermessen der Zündschnur und - tut nichts. Max Frischs „Lehrstück ohne Lehre“ funktioniert auch heute noch sehr gut, da Biedermanns verdrängtes Wissen um die eigene Mitverantwortung aktuell bleibt. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf – und die Angst vor allem Fremden wird zum Motor einer Groteske.

Weitere Aufführungstermine: Samstag - 3. März; Sonntag - 4. März; Mittwoch - 7. März; Freitag -  9. März; Samstag - 10. März; Sonntag - 11. März; Mittwoch - 14. März; Samstag - 17. März; Sonntag - 18. März; Mittwoch - 21. März; Freitag - 23. März; Samstag - 24. März und Sonntag - 25. März.
WERBUNG