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Schmusen mit Prinz Poldi und Co.

fj; 15. Oct 2018, 14:26 Uhr
Bilder: Familie Melanie Eschmann-Rosenthal --- In Nümbrecht-Berkenroth kann man Rindern ganz nah kommen.
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Schmusen mit Prinz Poldi und Co.

fj; 15. Oct 2018, 14:26 Uhr
Nümbrecht - Ein behindertes Kalb veranlasste bei Familie Eschmann-Rosenthal einen Sinneswandel: Bei ihnen in Berkenroth wird kein Rindfleisch mehr verkauft, sondern mit dem lebenden Tier gekuschelt - Vor allem Städter mögen „Sissy Kuhkuscheln“.
Prinz Poldi und Luise gehören zu den kuschelerfahrenen Tieren, auf Ochse Bambi dürfen kleine Kinder sogar reiten und Kuh Ida liebt es gemütlich und ist beim Trekking eher in einer ruhigeren Gangart unterwegs – Familie Eschmann-Rosenthal aus Nümbrecht-Berkenroth ist überzeugt: Jedes Rind in ihrer Herde hat eine ganz eigentliche Persönlichkeit. Und eigentlich spricht man hier gar nicht von einer Herde, sondern einem Kuschelteam. Seit 2011 bietet die sechsköpfige Familie das Angebot Sissy-Kuhkuscheln im Nebenerwerb an.


[Laut Familie Eschmann-Rosenthal empfinden es viele Menschen als entspannend, auf der Weide bei den Kühen zu sitzen oder diese zu streicheln.]

Eigentlich ist Uwe Eschmann (46) Fleischer von Beruf. Vor 15 Jahren schaffte sich die Familie eine eigene kleine Herde mit Aubrac-Rindern an, um Fleisch selbst ab Hof zu vermarkten. „Der Sinneswandel kam dann mit Kälbchen Sissy“, erinnert sich Melanie Eschmann-Rosenthal (45) an ein Erlebnis, das den Alltag auf dem Berkenrother Hof nachhaltig veränderte: Kälbchen Sissy kam im Jahr 2010 mit einer Wirbelsäulenverkrümmung auf die Welt. „Trotzdem hat sie immer wieder versucht, sich zu erheben. Da haben wir alle ihren Lebenswillen gespürt und waren von ihrer tapferen Persönlichkeit sehr beeindruckt“, erzählt sie. Als Sissy einige Wochen später an einer Infektion starb, trauerte die gesamte Familie, hatte sie doch viel Zeit an der Seite des kleinen Kälbchens verbracht. „Sie hat uns gezeigt, dass auch sogenannte Nutztiere einen individuellen Charakter haben, uns Menschen tief berühren können und es wohltuend ist, einfach Zeit mit ihnen zu verbringen. Diese Erkenntnis wollten wir mit anderen teilen“, erklärt Eschmann-Rosenthal. So war die Idee des Kuhkuschelns geboren und seitdem werden die Rinder nicht mehr geschlachtet – sie dürfen als Teil des Kuschelteams alt werden.


[Auch kleine Kälbchen gehören derzeit zur Herde. Die Tiere stehen von Anfang an in engem Kontakt zu Menschen.]

Im ländlichen Oberberg, wo nicht wenige Menschen von der Landwirtschaft leben und der Anblick von grasenden Rindern keinesfalls ein seltener ist, erntete die Familie für ihre Idee auch skeptische Blicke: „In der Nachbarschaft wurden wir schon belächelt“, sagt Melanie Eschmann-Rosenthal. Warum man Geld dafür bezahlen sollte, bei Kühen auf der Weide zu stehen und sie zu streicheln, die Tiere beim Trekking an einer Leine durch das angrenzende Landschaftsschutzgebiet zu führen oder gar einen Kuhkuschel-Kindergeburtstag zu feiern, das sah hier niemand wirklich ein.


[Jedes Tier im Kuschelteam hat seine eigene Persönlichkeit, finden die Besitzer.]

Anders war dies bei Menschen aus der Stadt: Zwar musste sich das Nümbrechter Angebot auch in Köln, Düsseldorf und im Ruhrgebiet erst einmal herumsprechen, doch dank Mund-zu-Mund-Propaganda, die wiederum Medien wie die WDR Lokalzeit auf den Plan rief, erfreut sich das Angebot immer wachsender Beliebtheit. „2017 konnten wir rund 450 Gäste begrüßen und dieses Jahr werden es noch mal mehr. An den Wochenenden sind wir jetzt zumeist ausgebucht“, freut sich Melanie Eschmann-Rosenthal.



Und auch der eine oder andere Oberberger kommt mittlerweile nach Berkenroth, um das Kuhkuscheln in einer der angebotenen Formen auszuprobieren. Zum Beispiel das Trekking oder auch das Zelten auf der Weide, bei dem man die Nacht ganz nah bei den Tieren und unter freiem Himmel verbringen kann. Es kommen Gruppen, Familien oder Pärchen. Auch für Menschen mit Behinderungen gibt es spezielle Angebote. „Wir kennen unsere Kühe ja ganz genau und wissen, welches Tier am besten zu den Bedürfnissen der Besucher passt“, erklärt Eschmann-Rosenthal.
 
[Nicht jeder muss den Tieren gleich so nah kommen. Das entscheidet jeder Gast selbst und auch die Kühe bekommen eine Pause, wenn sie mal „nicht gut drauf“ sind.]

Bei der Durchführung der Angebote wird sie tatkräftig von ihrer ältesten Tochter Laura (21) unterstützt. Die Töchter Anna Sophie (12) und Chiara (15) sind gerne bei Kindergeburtstagen dabei. „Mit bis zu 700 Kilogramm sind Kühe ja keine Leichtgewichte, da haben manche Besucher erst Respekt vor den Tieren. Wenn sie dann aber sehen, wie liebevoll die Rinder sie mit Anna Sophie und Chiara umgehen, überwinden sie schnell ihre Scheu.“ Und so hat schon so manches eher ängstliche Kind Berkenroth mit vor Stolz geschwollener Brust verlassen, weil es den Mut fand, auf einem Ochsen zu reiten. „Die Tiere schaffen es einfach immer wieder, für positive Erlebnisse zu sorgen. Das führt gleichzeitig dazu, dass auch die Menschen mehr Respekt vor Tieren entwickeln. Und genau um dieses Zusammenspiel geht es uns bei ei Sissys Kuhkuscheln“, fasst Melanie Eschmann-Rosenthal die Intention hinter dem ungewöhnlichen Angebot zusammen.

Weitere Informationen unter www.sissykuhkuscheln.de.
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