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Hitzeschäden auf der Fahrbahn - wer haftet bei einem Unfall?

Red; 21. Apr 2018, 09:30 Uhr
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Hitzeschäden auf der Fahrbahn - wer haftet bei einem Unfall?

Red; 21. Apr 2018, 09:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Thema Unfallhaftung.
Von Rechtsanwalt Andreas Günther, Fachanwalt für Familienrecht
  

Bis zu 27 Grad Celsius im April - frühsommerliche Temperaturen! Motorradwetter. Noch ist die 40-Grad-Marke nicht geknackt, aber dies könnte im Hochsommer wieder geschehen. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Infrastruktur, gerade auf die Straßen. Dann häufen sich wieder die Meldungen im Verkehrsfunk über „Hitzeschäden auf der Fahrbahn“. Wer haftet eigentlich, wenn dadurch ein Unfall verursacht wird?

Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Siegen im Jahr 2013 und später das OLG Hamm in der Berufungsinstanz beschäftigt. Was war geschehen?

Der Motorradfahrer K. befuhr mit seiner Maschine im Juli 2006 eine Bundestraße im Raum Siegen. Im Verlauf der Bundesstraße folgte eine Links-/ Rechtskurvenkombination. Beim Durchfahren der Linkskurve überholte er einen anderen Motorradfahrer.  Ausgangs der anschließenden Rechtskurve kam K. sodann mit seinem Motorrad zu Fall, weil die Fahrbahnoberfläche wegen der großen Hitze weich und rutschig geworden war. Er erlitt schwere Verletzungen und musste sich bis ins Jahr 2008 insgesamt 14 Operationen unterziehen.

Hier kommen die bekannten Verkehrssicherungspflichten ins Spiel. Der verantwortliche Straßenbaulastträger ist nämlich bei schuldhafter Verletzung einer solchen Pflicht gemäß § 839 Abs. 1. S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zum Schadenersatz verpflichtet, die sog. Amtspflichtverletzung.

Anwaltlich gut beraten leitete K.  kurzfristig ein selbständiges Beweisverfahren vor dem LG Siegen ein. Der Unfall ereignete sich ja im Sommer 2006, erst 9 Jahre später – am 11.09.2015 fällte das OLG Hamm sein rechtskräftiges Urteil (Az. 11 U 86/13). Ohne die Beweissicherung wäre es K. nach so langer Zeit nicht möglich gewesen, noch irgendeinen Fehler an der Straße zu beweisen. Das OLG führt hierzu aus:

„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Unfall des Klägers dadurch verursacht worden, dass es am Unfalltag infolge der hohen sommerlichen Temperaturen zu einem Anstieg des Bitumens an der Straßenoberfläche gekommen ist und das vom Kläger geführte Motorrad beim Durchfahren der Rechtskurve auf dem durch die Hitzeeinwirkung weichen Bitumen die Haftung verlor. Dass die Fahrbahndecke am Unfalltag weich geworden war, steht zwischen den Parteien außer Streit und wurde ausweislich des bei den Ermittlungsakten StA Siegen befindlichen Aktenvermerkes vom 12.06.2006 bereits am darauffolgenden Tag von dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn M, auf Nachfrage der Polizei bestätigt. Dabei beruhte die Rutschigkeit der Fahrbahnfläche nach den Ausführungen beider Sachverständiger darauf, dass es infolge der sommerlichen Temperaturen zu einem Anstieg von weich gewordenen Bindemittel an die Oberfläche der Fahrbahn gekommen war.“

Dies hätten die Mitarbeiter in diesem Fall auch erkennen können. Für die Bundesstraße war hier das beklagte Land NRW verantwortlich. Zu der Verkehrssicherungspflicht hätte es hier gehört, durch Verkehrszeichen auf die Gefahrenstelle rechtzeitig hinzuweisen. Zwar hatte die Straßenmeisterei Schilder aufgestellt, das aufgestellte Schild reichte aber nicht. Nochmals ein Zitat aus dem Urteil des OLG Hamm:

„Mit dem nach den Feststellungen des Sachverständigen U 1,6 km vor der Unfallstelle aufgestellten Gefahrenzeichen 114 (Schleuder- oder Rutschgefahr) hat das beklagte Land seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt, weil nach der amtlichen Erläuterung mit dem Zeichen 114 allein vor infolge von Nässe und Schmutz auftretender Schleuder- und Rutschgefahr gewarnt wird. Mit einem Weichwerden der Fahrbahnoberfläche infolge sommerlicher Hitze muss der Verkehrsteilnehmer aufgrund dieses Gefahrenzeichens nicht rechnen.“

Hier hätte noch das Zeichen 101 (Gefahrenstelle) aufgestellt und eine Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet werden müssen.

Den Einwand des Mitverschuldens wegen zu hoher Geschwindigkeit konnte K. widerlegen. Das OLG bestätigte die volle Haftung des Landes.

Trotz der bestehenden Verkehrssicherungspflichten und möglicher Schadensersatzansprüche sollte   man aber natürlich schon aus Selbstschutz immer auf die Fahrbahn und den Verkehr achten!

In diesem Sinne – allzeit gute und sichere Fahrt!


   
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