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Sturmtief „Friederike“: Ein Feuerwehrmann erzählt

fj; 19. Jan 2018, 14:28 Uhr
Bilder: LZ 3/Freiwillige Feuerwehr Gummersbach --- Stundenlang kämpften die oberbergischen Feuerwehrleute gestern gegen den Orkan und seine Folgen, dabei hatten sie es vor allem mit umgestürzten Bäumen zu tun.
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Sturmtief „Friederike“: Ein Feuerwehrmann erzählt

fj; 19. Jan 2018, 14:28 Uhr
Oberberg – Stellvertretend für alle Rettungskräfte, die ehrenamtlich im Einsatz waren, sprach OA mit Feuerwehrmann Klaus-Jürgen Kohl aus Gummersbach über den gestrigen Tag – Allein sein Löschzug fuhr 18 Einsatzstellen an.
Der gestrige Tag begann für Feuerwehrmann Klaus-Jürgen Kohl wie fast jeder andere: Er ging zur Arbeit. Dass er hier aber nicht bis zum Feierabend bleiben würde, ahnte er da bereits schon: „Wir waren vorgewarnt“, erklärte der Löschzugführer des Löschzugs 3 der Freiwilligen Feuerwehr Gummersbach, dass Kreisbrandmeister Frank-Peter Twilling die Feuerwehren im Oberbergischen Kreis schon am Mittwoch auf Sturmtief „Friederike“ vorbereitet hatte. Für Gummersbachs Stadtbrandinspektor Detlef Hayer bedeutete das, seine Leute auf die Einrichtung von Meldeköpfen vorzubereiten, die hauptamtlichen Kräfte zusammen zu ziehen und alle Gerätschaften bereit zu stellen. „Um 11:12 Uhr kam dann der Alarm zur Einrichtung der Meldeköpfe. Ab dann ging es Schlag auf Schlag“, berichtet Hayer vom gestrigen Sturm-Tag.



Für Kohl war der Arbeitstag um 11:30 Uhr vorbei – zumindest in seinem Job als Mitarbeiter im Kundendienst der Firma Metgenberg Heizungsbau in Gummersbach. Seine Arbeit als ehrenamtlicher Feuerwehrmann begann dagegen gerade erst. „In unserem Gerätehaus in Lantemicke haben wir eine kleine Einsatzzentrale, einen sogenannten Meldekopf, eingerichtet, von wo aus wir die Einsätze in unserem Gebiet ohne Umweg über die Leitstelle direkt koordiniert haben“, erklärt Kohl. Schnell wurden die Einsätze aber so zahlreich und brisant, dass auch Kohl mit seinen Kameraden rausfuhr.


[Stadtbrandinspektor Detlef Hayer während eines Einsatzes im November (Archivbild: Michael Kleinjung).]

Zum Beispiel nach Gummersbach-Erlenhagen. Hier war ein Baum durch die Orkan-Böen umgeknickt und auf eine 10.000-Volt-Leitung gefallen (siehe Ticker). „Der Baum war schon am Qualmen, in einem angrenzenden Stall standen Pferde. Es herrschte erhöhte Brandgefahr“, berichtet Kohl. Nachdem die Tiere evakuiert worden waren, konnten die Feuerwehrleute nicht mehr tun, als den Stromversorger zu informieren. „An solche Leitungen können wir nicht einfach so dran gehen, das ist viel zu gefährlich“, erklärt der 43-jährige Feuerwehrmann.

Der Höhepunkt des Sturms erreichte die Kreisstadt in den Mittagsstunden. „Um 12:35 Uhr haben wir Vollalarm gegeben. Das bedeutet, dass sich alle verfügbaren Feuerwehrleute in ihren jeweiligen Gerätehäusern einfinden mussten“, berichtet Stadtbrandinspektor Hayer. Keine halbe Stunde später, um 13 Uhr, waren dann auch alle Kameraden im Dauereinsatz. 100 Einsätze kamen in nur drei Stunden in Gummersbach zusammen. 18 Einsatzstellen haben alleine die Feuerwehrleute des Löschzugs 3 angefahren: Bäume waren auf Autos und Grundstücke gestürzt oder versperrten Straßen. Die beschädigte Stromleitung blieb glücklicherweise ein Einzelfall. Die Kameraden, denen der Sturm eine kurze Verschnaufpause gönnte, wärmten sich in den Gerätehäusern auf, tauschten nasse Kleidung gegen trockene oder bedienten sich an den Notrationen, die für solche Tage im Gerätehaus bereitgehalten werden – bevor es zum nächsten Einsatz ging.


[Klaus-Jürgen Kohl (rote Weste) und seine Kameraden zerschneiden einen umgestürzten Baum.]

In der Kreisstadt waren die ehrenamtlichen Feuerwehrleute teils bis 21 Uhr im Einsatz. Für Kohl und seinen Löschzug 3 war um 18 Uhr Schluss. „Dann haben wir zusammen im Gerätehaus eine Cola getrunken – das Klischee vom ständig Bier-trinkenden Feuerwehrmann ist nämlich Quatsch – und haben darüber gesprochen, was gut gelaufen ist und was wir in Zukunft besser machen können“, erzählt Kohl. Die Müdigkeit stand den Feuerwehrleuten dabei teils deutlich ins Gesicht geschrieben, manch einer hatte stundenlang bei Regen, Kälte und Sturm mit der Motorsäge in der Hand gegen abgeknickte und umgestürzte Bäume gekämpft. „Da freut man sich dann nur noch auf sein Zuhause und seine Familie“, erklärt Kohl. Sieben Stunden war er gestern im Einsatz und das, genau wie alle anderen Freiwilligen Feuerwehrleute, ehrenamtlich.



Während die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr im Einsatz für die Bevölkerung waren, bleiben ihre Arbeitsplätze leer. „Darüber muss man natürlich direkt zu Beginn der Beschäftigung reden und mit dem Arbeitgeber klären, ob und wann man den Arbeitsplatz verlassen darf“, erklärt Kohl, der sich selbst der Unterstützung seiner Chefs sicher sein kann. Zwar können diese die Fehlstunden ihrer Arbeitnehmer der Stadt Gummersbach in Rechnung stellen, erklärt Hayer, doch ohne das Verständnis der Arbeitgeber geht es nicht. „Viele Arbeitgeber verzichten aber auf diese Ausgleichszahlung. Das ist ihre Art, unser Ehrenamt zu unterstützen“, bedankt sich der Stadtbrandinspektor dafür.



Für Kohl ging es heute Morgen wieder an die Arbeit. Das wichtigste für ihn ist, dass seine Kameraden den gestrigen Tag heil überstanden haben. Seit dem Orkan Kyrill, der auf den Tag genau vor elf Jahren über weite Teile Europas fegte, sind die Feuerwehrleute sensibler für die Risiken geworden. „Wir sperren lieber mal eine Straße und warten, bis es wieder hell ist, anstatt sofort und unbedingt jeden Baum zu beseitigen. Die Sicherheit unserer Leute geht vor“, sagt Kohl. Doch Risiken bleiben: In Deutschland sind beim gestrigen Sturmeinsatz zwei Freiwillige Feuerwehrleute gestorben.

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