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„Wir haben keine Zeit zu verlieren“

ks; 27. Nov 2015, 16:18 Uhr
Bild: privat --- Lernen von Anfang an.
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„Wir haben keine Zeit zu verlieren“

ks; 27. Nov 2015, 16:18 Uhr
Oberberg – An der Waldbröler Realschule läuft in Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeträger „Decker Sozialraummanagement GmbH“ ein Vorreiterprojekt zur frühen Integration von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingskindern.
Elf Flüchtlingskinder erhalten momentan schon während des noch laufenden Verfahrens zur Klärung ihres Hilfebedarfs in der Realschule Waldbröl einen qualifizierten Deutschunterricht. Dieser findet für die zwölf- bis 18-Jährigen an drei Tagen in der Woche für jeweils drei Stunden innerhalb einer internationalen Förderklasse statt. „Mehr Unterricht würden sie noch kaum verkraften, denn sie haben auf ihrer Flucht viel Belastendes erlebt“, so Jörg Decker, Geschäftsführer des Jugendhilfeträgers „Decker Sozialraummanagement“.

An zwei Tagen sollen die Jugendlichen, die mehrheitlich aus Syrien oder Afghanistan stammen, künftig in einem Praktikum erste Erfahrungen mit der Berufswelt in Deutschland sammeln. Derzeit werden noch weitere Praktikumsstellen gesucht, aus denen sich im besten Fall Lehrstellen ergeben. Der schulische Unterricht, auf den die Jugendlichen nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Rechtsanspruch haben, beginnt normalerweise erst nach der Klärung ihres Hilfebedarfs. Diese Verfahren dauern zwischen drei und sechs Monaten. „Wir sind aber überzeugt, dass es wichtig ist, keine Zeit zu verlieren“, so Decker, der das Pilotprojekt entwickelt und innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht hat.

  

Die Sozialarbeiter, die die Flüchtlingskinder in einer ambulant betreuten Wohngruppe betreuen, berichten, dass sich die Kinder regelrecht um den Schulbesuch reißen und auch nach Schulschluss freiwillig weiterlernen. Dass unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge möglichst schnell einen strukturierten Tagesablauf erleben und beschult werden, ist für Decker ein Herzensanliegen: „Es darf sich nicht wiederholen, dass wir wie in den neunziger Jahren eine ganze Generation Migrantenkinder verlieren, weil die schulische Integration nicht früh und intensiv genug angegangen worden ist“.

Unterrichtet werden die Flüchtlingskinder von Mitarbeitenden des Sozialraummanagements und von Lehrern der Realschule Waldbröl, denen seitens der Bezirksregierung ein zusätzliches Stundenkontingent zugesagt worden ist. Auch etliche Migranten-Schüler der Realschule nehmen an dem Unterricht der internationalen Förderklasse teil. So sieht Realschulleiter Stefan Schriever in der Beteiligung an dem Vorreiterprojekt auch eine Chance für seine Schule: „Wir stellen unser Wissen und unsere Räume zur Verfügung und können im Gegenzug zusätzliche Kräfte für den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache für unsere Migrantenkinder nutzen.“ Ebenso wie Decker ist auch er der Meinung, dass nur eine möglichst schnelle und gründliche schulische Betreuung ein Abgleiten der Jugendlichen in die Perspektivlosigkeit verhindern kann.
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