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Burnout: Wenn das Leben keine Pausen mehr kennt

fj; 24. Jul 2014, 07:00 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Dauerhafter Stress an der Arbeit kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben.
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Burnout: Wenn das Leben keine Pausen mehr kennt

fj; 24. Jul 2014, 07:00 Uhr
Gummersbach – OA sprach mit Psychotherapeut Dr. Lutz Kliche über das Burnout-Syndrom – Erstes Symptom ist das Gefühl, keine Erholung mehr zu finden – Betroffene müssen lernen, Grenzen zwischen Beruf und Freizeit zu ziehen.
Von Fenja Jansen

Viele Oberberger sind bereits mitten drin, in der schönsten Zeit des Jahres – auch bekannt als Urlaub oder Ferien. Die mehrwöchige Auszeit soll dabei helfen, die Batterien wieder aufzuladen, um mit neuer Energie in den Alltag und an die Arbeitsstelle zurückzukehren. Wer aber erschöpft in den Urlaub startet und selbst nach mehreren Wochen in den Bergen oder am Meer antriebslos und ausgepowert zurückkehrt, sollte aufmerken. Hier kann es sich um ein erstes Anzeichen für ein Burnout-Syndrom handeln.

Natürlich fühlt sich jeder nach einer anstrengenden Arbeitswoche erschöpft und die düstere Prognose „Wenn das so weiter geht, bekomme ich ein Burnout“ hat wohl auch der ein oder andere schon zum Besten gegeben. Zu einem Burnout, und damit einer ernstzunehmenden psychischen Krankheit, führen aber nicht einzelne stressige Tage, sondern eine dauerhafte Belastung, der man sich hilflos ausgesetzt fühlt. „Menschen, die Fünf auch mal grade sein lassen können, sind wenig anfällig für ein Burnout“, erklärt Dr. Lutz Kliche, Arzt für Psychotherapie mit Praxis in Gummersbach. Fleißige Menschen jedoch, die voller Pflichtbewusstsein immer alles richtig machen wollen, sind gefährdet. „Stress an der Arbeit, das Gefühl, dieser Belastung hilflos gegenüber zu stehen, und dazu fehlende Anerkennung im Job - das ist für diese Charaktergruppe die Killerkombination in Sachen Burnout“, so Kliche.


[Dr. Lutz Kliche in seiner Praxis in Gummersbach.]

Erstes Anzeichen für ein Burnout-Syndrom ist das subjektive Gefühl, nur noch zu schlafen und zu arbeiten und auch in der Freizeit keine Erholung mehr zu finden. „Betroffene empfinden die Geburtstagsparty ihres Kindes als einen weiteren Termin, den es abzuarbeiten gilt“, gibt Kliche ein Beispiel dafür, wie Betroffene ihren Alltag wahrnehmen. Freudlosigkeit, innere Unruhe, Schlaflosigkeit und die Vernachlässigung von Hobbys, Familie und Freunden sind die Folgen. Im späteren Krankheitsverlauf kann es zur Verminderung der Leistungsfähigkeit kommen. „Auch wenn man den Betroffenen ihre Krankheit nicht ansieht, sie können nicht mehr und sind richtig, richtig krank“, macht Kliche die Ernsthaftigkeit des Burnout-Syndroms, das auch mit Begleitsymptomen wie Angstzuständen und Antriebslosigkeit einhergehen kann, deutlich.

Laut dem diesjährigen Gesundheitsreport der DAK sind die psychischen Krankheiten mit einem Anteil von 15,8 Prozent am gesamten Krankenstand erschreckend hoch. „Ob die Menschen heute tatsächlich häufiger an psychischen Krankheiten leiden, ist aber fraglich. Vor 60 Jahren wurden Wörter wie Burnout oder Depression nur einfach kaum in den Mund genommen“, erklärt Kliche. Dass die heutige Schnelllebigkeit und Mentalität aber psychische Erkrankungen fördern, ist für den Psychologen eine Tatsache. „Dank Smartphone und Emails sind wir ständig erreichbar. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben lösen sich so auf. Wo man sich früher nach Feierabend auf die Familie und die Freizeit konzentrierte, ist man heute ständig in Bereitschaft, unabhängig vom Tag und Nacht-Rhythmus. Alles muss sofort und jederzeit erledigt werden“, erklärt Kliche.



Grenzen setzten bietet somit den besten Schutz vor einem Burnout – und dies im privaten als auch im beruflichen Bereich. „Weder für Freunde noch Kollegen muss man beim Essen mit dem Partner erreichbar sein“, nennt Kliche ein Beispiel. Darum sind Top-Manager auch weniger vom Burnout-Syndrom betroffen, als weitläufig angenommen: Sie können sich ihre Termine selbst legen und so für Auszeiten, beispielsweise über Mittag, sorgen.

Der Burnout-Patient muss dies erst einmal wieder lernen. „In der Therapie spielen Medikamente einer eher untergeordnete Rolle. Wichtig für Betroffene ist es, zu lernen, sich selbst wieder zu spüren und wahrzunehmen. Dann muss der Patient erkennen, dass es auch etwas anderes gibt als Arbeit und lernen, auf seine Bedürfnisse zu achten. Das geht leider nicht mal eben im Urlaub“, macht Kliche deutlich, dass die Therapie auch über ein bis zwei Jahre dauern kann. Eine Kombination aus Klinikaufenthalt und ambulanter Therapie war dabei in vielen der ihm bekannten Fälle unabdingbar.

Ein Burnout ist nichts anderes als eine Erschöpfungsdepression. „Jede Depression ist heilbar und hinterlässt keine bleibenden Spuren, hat man sie einmal überwunden – auch wenn dies ein längerer Weg sein kann“, so Kliche. Anerkennung dafür, eine schwere Krankheit überwunden zu haben, hat der Betroffene nach Kliches Erfahrungen aber nicht zu erwarten, wenn er an den Arbeitsplatz zurückkehrt: „Ich habe es schon erlebt, dass dort die Kündigung auf den Genesenen wartet. Arbeitgeber zeigen leider nur selten Reue, sondern strafen auch noch ab.“ Weil die psychische Belastung am Arbeitsplatz nicht messbar ist, ist der Arbeitsschutz problematisch. „Trotzdem muss man dieses Problem anpacken. Arbeitsplätze müssen so gestaltet werden, dass nicht nur kerngesunde 30-Jährige zurechtkommen – insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.“

Verletzen sich gleich mehrere Personen, die im gleichen Unternehmen in einer Abteilung arbeiten, horchen Gewerkschaften und Arbeitgeber auf. Fallen mehrere Angestellte aufgrund psychischer Belastungen aus, passiert meist nur wenig, erklärt Kliche. „Das Problem ist bekannt – aber vermutlich hat man Angst, die Büchse der Pandora zu öffnen.“

Den Alltag weniger stressig zu gestalten – das gelingt aber auch schon durch kleine Verhaltensveränderungen und wieder ist „Grenzen ziehen“ das Schlagwort: Die Mittagspause ist Freizeit und wird nicht am Schreibtisch verbracht – keine Emails, keine Telefonate. „Besser ist ein kleiner Spaziergang bei dem man einmal ganz bewusst wahrnimmt, was um einen herum Park passiert“, rät Kliche. Nach Feierabend und insbesondere im Urlaub kann das Smartphone auch ruhig mal in der Tasche bleiben. Sollten die freien Tage trotzdem keine Erholung bringen und ist die Erschöpfung nicht mehr in den Griff zu kriegen, sollten Betroffene ihren Hausarzt oder einen niedergelassenen Psychotherapeut aufsuchen.
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