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VfL siegt im Duell der Krisenkinder

pn; 23. Apr 2017, 20:00 Uhr
Bilder: Alexander Arnold ---- Der Jubel kannte beim VfL Gummersbach nach dem Schlusspfiff keine Grenzen.
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VfL siegt im Duell der Krisenkinder

pn; 23. Apr 2017, 20:00 Uhr
Gummersbach - Starke Defensive, Carsten Lichtlein und Simon Ernst sorgen für ein Ende der Gummersbacher Negativserie - RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach. (AKTUALISIERT)

Von Peter Notbohm


Das waren Zentnerlasten, die den Spielern des VfL Gummersbach nach dem Abpfiff von den Schultern fielen. Sechs Spiele in Folge waren die Oberberger als Verlierer vom Feld gegangen. Seit Samstagabend trennte die Kreisstädter nur noch das bessere Torverhältnis von den Abstiegsrängen. Umso wichtiger der Erfolg gegen den zweiten Krisenclub der vergangenen Wochen. Denn für die Gäste aus Niedersachsen war die Niederlage in der Lindenstadt nunmehr die neunte in Folge und dürfte endgültig das Ende aller Europacupambitionen bedeuten. Der VfL Gummersbach verschaffte sich dagegen im Abstiegskampf endlich wieder ein wenig Luft und springt auf Rang 13.




VfL Gummersbach – TSV Hannover-Burgdorf 30:26 (14:10).


[Carsten Lichtlein ließ sich zu Recht für seine 14 Paraden feiern.]

VfL-Manager Frank Flatten sprach vor der Partie von einem Schlüsselspiel zwischen zwei Teams auf Augenhöhe. Das Nervenkostüm beider Kontrahenten war nach den vielen Pleiten der letzten Wochen sichtbar angespannt und es war klar, dass das Team gewinnen würde, das mehr Selbstvertrauen zeigen können würde. Nach anfänglichem Abtasten waren es die Hausherren, die dem Spiel die ersten Impulse gaben. Dem 2:1 (4.) durch Florian von Gruchalla ließ Carsten Lichtlein die erste von insgesamt drei Siebenmeterparaden folgen. Interimscoach Sead Hasanefendic hatte die Gäste, die sich als dankbarer Gegner erweisen sollten, zudem mit einer unerwarteten Aufstellung überrascht und mit Florian Baumgärtner im rechten Rückraum begonnen. Zum wichtigsten Spieler der Anfangsminuten sollte aber Andreas Schröder avancieren, der für den verletzten Julius Kühn auflief und seine Wurfqualitäten unter Beweis stellte.

[Kévynn Nyokas schwebte immer wieder zwischen Genie und Wahnsinn, sorgte mit starken Aktionen aber auch für die ständige VfL-Führung.]

Bis zum 5:4 durch Mait Patrail (9.) blieb Hannover noch auf Augenhöhe, auch weil Baumgärtner und Evgeni Pevnov noch an der richtigen Feinjustierung arbeiten mussten. Erst die Einwechselung von Kévynn Nyokas brachte neuen Schwung. Gummersbach agierte mit einer relativ offenen 5:1-Deckung, mit einem starken Indianer Kevin Schmidt, der kaum wiederzuerkennen war. Mit viel Selbstbewusstsein wurden die Recken immer wieder ins Zeitspiel gedrängt, so dass sich der VfL beim 8:4 (15.) durch einen sehenswerten Kempatrick von Kapitän Christoph Schindler erstmals selbst belohnte. Während die Gummersbacher Brust immer breiter wurde, regierte bei den Gäste zunehmend Angsthasenhandball. Häufig ideenlos wirkte das norddeutsche Angriffsspiel gegen eine starke Defensive der Gummersbacher.


Spektakuläre Einzelaktionen von Nyokas, der mehrfach den künftigen Hannoveraner Pevnov am Kreis in Szene setzte, ließen den Vorsprung auf 12:7 (22.) anwachsen. Als kurz vor der Pause der bärenstarke Simon Ernst nicht nur zum 14:8 (26.) erhöhte und zudem Carsten Lichtlein mit der nächsten Siebenmeterparade glänzte, war Gästecoach Jens Bürkle bereits zu seiner zweiten Auszeit genötigt und faltete seine Profis lautstark zusammen. In Überzahl – Pevnov drückte berechtigt die Strafbank – gelang Hannover zumindest noch der 14:10-Anschluss zur Pause. Doch Gummersbach hatte Blut geleckt und ließ auch nach dem Seitenwechsel nicht locker. Während Fabian Böhm einen wenig vorbereiten Wurf auf das VfL-Gehäuse losließ, konterte Christoph Schindler mit aller Entschlossenheit zum 15:10 (32.) und gab weiter die Richtung vor.


[Evgeni Pevov war gegen seinen künftigen Arbeitgeber ein steter Unruheherd am Kreis.]

Angetrieben vom weiter überragenden Simon Ernst, dem heute so gut wie alles gelang, blieb der Vorsprung konstant bei fünf Toren bis zum 20:15 (43.), das der Nationalspieler nach cleverem Spekulieren in der Deckung per Tempogegenstoß selbst erzielte. Entschieden war die Partie damit aber noch nicht. Zeitstrafen gegen Schindler und später auch Schröder durch die teils pingeligen, aber stets konsequenten und vor allem guten Schiedsrichter sorgten dafür, dass Hannover noch einmal Morgenluft schnupperte. Auch hier war es mit Kai Häfner ein deutscher Nationalspieler, der das Heft des Handelns in die Hand nehmen sollte. Nach seinem fünften Tor zum 23:20 (50.) waren die Gäste plötzlich wieder in Schlagdistanz und Gummersbach begann ein wenig zu wanken.


Die zuvor teils überragenden Anspiele an den Kreis landeten plötzlich beim Gegner, der aus diesen Geschenken aber nichts zu machen wusste. Morten Olsen donnerte in dieser Phase nicht nur einen Ball über das Tor. Hasanefendic versuchte zwar mit einer Auszeit gegenzusteuern und mahnte zur Ruhe, doch selbst das 27:23 (57.) durch Nyokas war immer noch nicht die Entscheidung. Hannovers Rechtsaußen Timo Kastening machte es mit einem Doppelschlag 150 Sekunden vor dem Ende beim 27:25 noch einmal spannend, ehe Pevnov und spätestens Andreas Schröder mit seinem Empty-Net Treffer zum 29:25 (59.) für strahlende Gesichter bei den Oberbergern sorgten.


VfL Gummersbach: Simon Ernst (8), Andreas Schröder (6), Evgeni Pevnov, Christoph Schinlder (je 4), Kévynn Nyokas (3), Florian von Gruchalla (3/3), Kevin Schmidt, Alexander Becker (je 1).


TSV Hannover-Burgdorf: Kai Häfner (5), Mait Patrail (4), Morten Olsen (3), Timo Kastening, Runar Karason, Fabian Böhm, Joakim Hykkerud (je 2), Torge Johannsen (2/1), Casper Mortensen (2/2), Sven-Sören Christophersen, Erik Schmidt (je 1).


Siebenmeter
3/3 – 6/3 (von Gruchalla nervenstark – Johannsen, Lehnhoff und Mortensen scheitern an Lichtlein)


Zeitstrafen
8:4 Minuten (Schindler, Pevnov, Becker, Schröder – Mortensen, Karason)


Zuschauer
4132

[Simon Ernst war der überragende Spieler in der Halle. Dem Nationalspieler gelang beinahe alles.]

Stimmen

Jens Bürkle (Trainer TSV Hannover-Burgdorf): „Glückwunsch an den VfL zum verdienten Sieg. Ich kann meiner Mannschaft keine Vorwürfe machen, denn kämpferisch hat die Mannschaft alles rausgehauen. Leider sind wir nicht so ins Spiel reingekommen und haben schon vor der Pause einige Chancen vergeben. Für uns heißt es jetzt, wieder nach vorn zu schauen, weiterarbeiten und auf die nächste Chance warten.“


Benjamin Chatton (Geschäftsführer TSV Hannover-Burgdorf): „Auch von mir Glückwunsch an den VfL Gummersbach, der taktisch sehr gut eingestellt war. Wir haben uns heute trotz der Niederlage 60 Minuten als Mannschaft gut präsentiert, leider vergeblich. Wir erleben derzeit schwere Tage, aber wir müssen weiter so kämpfen, dann werden wir auch bald wieder Erfolg haben.“


Sead Hasanefendic (Trainer VfL Gummersbach): „Ich bin überglücklich, nicht nur für mich, sondern vor allem für die Jungs, die alles gegeben haben und ihre letzten Kräfte mobilisiert haben. Ich bin ehrlich genug, zu gestehen, dass ich die letzten Nächte vor diesem Spiel nicht gut geschlafen habe. Schließlich hat Hannover eine bärenstarke Mannschaft mit überragenden Einzelkönnern. Umso höher ist unsere Leistung zu bewerten. Wir haben zwar einen wichtigen Sieg errungen, die Situation ist aber nach wie vor ernst. Deshalb müssen wir im nächsten Spiel in Stuttgart mit der gleichen Einstellung kämpfen.“


Frank Flatten (Geschäftsführer VfL Gummersbach): „Heute hat man gesehen, dass die Mannschaft von der ersten Minute an mit Freude und Einsatzbereitschaft gespielt hat. Unsere Abwehr mit dem überragenden Carsten Lichtstein stand so gut wie schon lange nicht mehr. Jetzt müssen wir diesen Weg fortsetzen, denn das waren zwar zwei wichtige Punkte im Abstiegskampf, aber wir sind noch lange nicht durch. Ich danke im VfL-Umfeld, die trotz der prekären Situation die Ruhe bewahrt haben. Und auch an die Fans ein ganz großes Dankeschön, das war heute ein fantastisches Publikum.“
  
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