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Eine Idee mit Charme

bv; 22. Jun 2016, 22:50 Uhr
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Eine Idee mit Charme

bv; 22. Jun 2016, 22:50 Uhr
Gummersbach - Ein neues Theater auf dem Steinmüllergelände wäre für die Stadt Gummersbach der Ausweg aus einer misslichen Lage, denn die Investition in die alte Spielstätte ist unvernünftig.
Ja, das ist aus vielen Gründen eine gute Idee, mit der Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein die Gummersbacher Stadtpolitik überrascht hat. Alle Optionen zu prüfen, ehe man eine weitreichende Entscheidung trifft, ist sinnvoll. Insofern hat ein privat finanziertes Theater auf dem Steinmüllergelände einigen Charme, denn davon würden viele profitieren: Die Stadt, deren Kosten überschaubar wären, die Kultur-Kunden, die sich in einer neuen Spielstätte sicherlich schnell zuhause fühlen würden und nicht zuletzt die Schule, die nach einem Abriss des alten Stadttheaters in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex untergebracht wäre.

Es ist gut, dass man sich die Zeit nimmt, um diese Option zu prüfen, denn auf diese Weise nimmt man der Diskussion auch die Schärfe. Insofern trägt eine Untersuchung der Realisierungschancen auch zur Versachlichung bei. Demgegenüber wäre eine 8,5-Millionen-Investition in die alte Spielstätte keine gute Überlegung. Sicher: Das Stadttheater ist so etwas wie eine gute Stube geworden, die von den Schulen genutzt wird, deren Silvester-Cocktail geradezu legendär war. Zahlreiche Bühnenstars haben Menschen erfreut, Eigen-Inszenierungen Herzen berührt. Aber reicht dies, um diese hohe Summe für eine ungewisse Zukunft auszugeben?


Die gesamte Konzeption ist mit Hoffnungen gepflastert, hatte aber immer schon mindestens einen großen Haken. Man würde während der Sanierungsphase die Spielstätte über zwei Jahre schließen und rechnet dann damit, dass anschließend die Massen nur so strömen, und zwar dauerhaft. Das ist ungefähr so wagemutig, als wenn man eine Baufinanzierung auf einen Lottogewinn stützt. Schon heute ist die Zahl der Abonnenten nach einem kurzen Zwischenhoch wieder zurückgegangen. Die Sanierung ist das eine, die Erhaltungskosten sind das andere. Ein neues Stadttheater würde in der Unterhaltung doppelt so teuer wie bisher. Und weil man nicht über das nötige Geld für die Sanierung verfügt, sind weite Teile über Kredite zu finanzieren, die die Stadt und ihre Bürger über Jahrzehnte binden.  Dieses Projekt könnte schnell zu einem Millionengrab werden. Ausbaden dürfen das dann kommende Generationen.

Verwaltung und wohl auch Teilen des Rates fehlen der Mut, um Unabänderliches auch so zu benennen. Diese Investitionshöhe in ein Theater ließe sich nur verantworten, wenn die Stadt über ausreichend Eigenkapital verfügen würde. Dem ist nicht so. Es gibt in Gummersbach viele Zukunftsaufgaben, die eher anzugehen wären: Die Milderung der Auswirkungen der demografischen Entwicklung - etwa in den Außenorten, die Forcierung der Integration von Flüchtlingen oder die soziale Flankierung der Tatsache, dass immer mehr Menschen vom Wohlstand abgehängt und spätestens im Alter auf Hilfe angewiesen sind. Dafür wäre künftig viel weniger Geld da. Bleibt nur zu hoffen, dass nach einer Machbarkeitsstudie der Daumen nach oben geht und eine fragwürdige Investition in die alte Spielstätte unterbleibt.

Artikel: Bürgermeister will Theater-Neubau "auf Steinmüller" 
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