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Kitastreik: „Die Verlierer stehen fest: unsere Kinder!“

Leserbrief; 22. May 2015, 12:30 Uhr
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Kitastreik: „Die Verlierer stehen fest: unsere Kinder!“

Leserbrief; 22. May 2015, 12:30 Uhr
Gummersbach - Martina Nilkes ist von dem aktuellen Streik der Kita-Erzieher betroffen - Für die zweifache Mutter steht fest, dass dieser Streik nur Verlierer hervorbringen wird - Besonders leiden die Kinder.
Ich arbeite im öffentlichen Dienst, bin Arbeitsvermittlerin und in erster Linie Mutter. Dies erwähne ich, um zu verdeutlichen, dass mir alle Positionen in diesem Streit nicht fremd sind.

Mein Sohn ist 2,5 Jahre, meine Tochter sieben Monate. Aktuell bin ich bis Oktober in Elternzeit. Mein Sohn besucht die Kita seit er ein Jahr alt ist- aus absoluter Überzeugung meinerseits. Jeden Tag ging er dort mit Freuden hin, traf seine Freunde, spielte, lernte und entwickelte sich einfach prächtig. Dies habe ich den tollen Erzieherinnen zu verdanken, die auf meinen Zwerg eingingen, ihn liebevoll ins Bett brachten, wickelten, förderten in seiner Entwicklung und vor allem Wärme, Vertrauen und Nähe gaben, wenn er sie brauchte.

Morgens, wenn wir zur Kita gefahren sind, sagte er immer: „ Mama, ich darf in die Kita zu meinen Freunden, meine Schwester nicht!“ Jetzt kann er seit vier Wochen nicht mehr zu seinen Freunden. Erst war der Krankheitszustand in der Kita so massiv, dass alle seine Bezugspersonen nicht da waren. Nun wird wochenlang gestreikt. Die ersten Tage kam immer noch die Frage nach der Kita, zwei Wochen später bei einem Kurzbesuch, wollte er schon gar nicht mehr da bleiben.

Wo führt das hin? Welche Folgen wird das für unsere Kinder haben? Ich verstehe alle Seiten. Als Arbeitsvermittlerin weiß ich, dass Erzieherin ein absoluter Mangelberuf ist und zusätzliche Kräfte verzweifelt gesucht werden. In der freien Wirtschaft würde einfach das Gehalt erhöht werden, um den Job attraktiver zu machen. Hier bleibt es bei einer schulischen Ausbildung ohne Lehrgeld und möglichen Umschulungen, die aber oft an der Umsetzung scheitern. Das Berufsbild der Erzieherinnen hat sich auch stark gewandelt in den letzten Jahren und die Anforderungen sind gestiegen. Mit malen, schneiden, kleben und basteln hat es nur noch wenig zu tun. Somit ist die Forderung nach mehr Gehalt völlig gerechtfertigt, aber wie weit dürfen die Forderungen gehen?

Ich verstehe auch die Kommunen, die sagen: Das geht nicht! Den Forderungen können wir nicht nachkommen. Im öffentlichen Dienst verdient man als Erzieherin sehr gut, wenn man andere Ausbildungsberufe vergleicht. Die Forderung in den Gehaltsstufen nach oben zu klettern, wird keine Kommune umsetzen können und wollen, weil es weder finanzierbar ist und zudem eine weitere Streikwelle in den anderen Berufsfeldern lostreten würde. Somit stellt sich mir die Frage, wozu diese Streiks? Es wird keine Einigung geben, wenn beide Parteien so starrköpfig bleiben.

Wahrscheinlich geht es nur über langfristige Veränderungen in der Berufsgruppe. Die Ausbildung ändern, höherwertiger ansetzen. Entweder durch ein Studium oder Lehrgeld. Sich den neuen Anforderungen und Veränderungen in der Kita, wie zum Beispiel U2 Plätze oder integrative Betreuung, anzupassen und den Personalschlüssel zu erhöhen. Auch der Quereinstieg muss für die Menschen einfacher gemacht werden, wenn Personen die notwendigen menschlichen Kompetenzen vorweisen.

Aber dieser aktuelle Streik? Dieser Streik wird keinen Gewinner hervorbringen, sondern nur Verlierer. Die Erzieherinnen werden nicht ihre Forderungen erfüllt bekommen und zudem noch Gehaltseinbußen haben, die Kommunen haben weiter nur Ärger den Notbetrieb aufrecht zu erhalten und die Eltern Sorgen, weil keine Betreuung für das Kind ideal ist. Welche Optionen haben die Eltern denn? Das Kind wochenlang zu Hause zu lassen, Oma und Opa einzuspannen, das Kind in der Kita von fremden Bezugspersonen zu betreuen. Alles keine Lösungen, bei denen man als Eltern keine Bauchschmerzen hat.

Wer also sind die absoluten Verlierer bei diesem Streik? Die Kinder! Sie verlieren täglich mehr ihr vertrautes Umfeld, ihre Routine, ihre Bezugspersonen, ihre Freunde. Was richtet das in einer kleinen Kinderseele an? Die Konsequenzen kann man nicht messen, nicht in Zahlen darlegen. Die Konsequenzen werden wir, die Eltern und auch die Erzieher erst in den nächsten Wochen spüren und viel Kraft und Energie wieder aufwenden müssen, damit sowohl zwischen Kindern und Erzieherinnen als auch zwischen Eltern und Erzieherinnen wieder ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut wird.

Mein Sohn möchte nicht mehr ohne Mama in die Kita. Das ist ihm alles fremd geworden. Wir sind nur eine betroffene Familien, von vielen mit noch ganz anderen Problemen. Alle Veranstaltungen für die Vorschulkinder sind gestrichen wurden, die Kinder haben inzwischen Albträume, weil sie morgens zur Kita müssen. Wo führt das alles hin? Eine schnelle Lösung habe auch ich nicht parat und mir fällt es auch schwer für eine Seite Partei zu ergreifen, aber gibt es keinen anderen Weg zueinander zu finden?

Die Verlierer stehen auf jeden Fall fest: unsere Kinder!
  
Martina Nilkes, Gummersbach

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