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Ausbruch aus dem digitalen Gefängnis

bv; 3. Apr 2013, 15:43 Uhr
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Ausbruch aus dem digitalen Gefängnis

bv; 3. Apr 2013, 15:43 Uhr
Oberberg - Und (endlich) wieder redet unser 'Drickes' Klartext. Liebenswürdig, direkt und nachdenklich spießt er den Alltag auf. Heute geht es um die digitale Verfügbarkeit.
Mensch, was war ich lange weg, die Gründe sind vielfältig, aber lassen wir das. Jetzt aber wieder mit Volldampf: In den vergangenen Tagen begegneten mir zwei Bekannte, deren Aussagen zur schönen neuen digitalen Welt völlig entgegengesetzt waren. Der eine empörte sich darüber, dass sein von ihm bislang immer als First-Class bezeichnetes Handy sich plötzlich in einem wichtigen Moment weigerte, fotografisch tätig zu werden. Wilde Flüche des Besitzers waren die Folge, obwohl er noch vor einigen Jahren um diesen „neumodischen Krimskrams“ einen weiten Bogen gemacht hatte. Heute kann ein modernes Handy fast alles, ist ein Computer im Taschenformat  - und trägt zur Dauerverfügbarkeit seines Besitzers bei.


Die Begründung, man sei unterwegs gewesen und habe deshalb die Mail des Chefs nicht lesen oder den Freunden auf Facebook nicht antworten können, zieht inzwischen nicht mehr. Immer und überall sollen wir präsent und kontaktierbar sein. Privatsphäre ade. Wer sich dem entzieht, steht schnell außerhalb. Fatal in einer Gesellschaft, die Vernetzung zum obersten Gebot gemacht hat. Communities und Gruppen sind die wahren „Götter“ und nur wenige stehen auf und üben freiwilligen Verzicht. So wie ein anderer Bekannter. Der kam unlängst stolz auf mich zu und präsentierte sein neues Handy. Das Aussehen war tatsächlich gewöhnungsbedürftig - nur große Tasten, sonst nichts. Er sah meinen fragenden Blick und meinte: „Das kann nichts, außer dass es mich telefonieren lässt.“  Es ist sein Beitrag zur Entschleunigung, zur Unerreichbarkeit, zum Ausbruch aus dem Gefängnis der schönen, neuen, digitalen Welt.    

Ihr Drickes

Bernd Vorländer   
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