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Drickes erklärt die Welt: Der Blombenleger

ks; 4. Jan 2010, 12:45 Uhr
Oberberg Aktuell
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Drickes erklärt die Welt: Der Blombenleger

ks; 4. Jan 2010, 12:45 Uhr
Oberberg - Und wieder redet unser 'Drickes' Klartext. Liebenswürdig, direkt und nachdenklich spießt er den Alltag auf. Heute geht es um das Thema 'Zahnarztbesuch'.
Oh, wie ich es doch hasse….Ich hole noch einmal tief Luft, bevor ich die kalte, eiserne Klinke mit meiner vor Angstschweiß triefenden Hand betätigte und die Höhle des Zerberus betrat.  Am Empfang begrüßte mich eine in Weiß gehüllte Helferin mit heuchlerischer Freude, und  mit einem gequälten Lächeln reiche ich ihr meine Versicherungskarte. Im Anschluss wartet auf mich ein freundlich- und hell eingerichtetes Wartezimmer. Durch die Lautsprecher dudelt  „Oh Happy Day“. (Diese Menschengattung „Zahnarzt“ ist doch sehr zynisch. Diese Art von Humor geht doch unters Zahnfleisch, äh die Gürtellinie). Um meine Nervosität zu unterbinden schnappe ich mir ein Magazin. Nervös blättere ich durch die Seiten und weiß dann zwar, dass sich ein B- Promi zum zwanzigsten Mal hat scheiden lassen und  Politiker aus dem Bundestag nur extra weiches, doppellagiges Klopapier  verwenden, aber entspannter bin ich trotz alledem nicht.

Ich gehe im Wartezimmer auf und ab, und spüre, wie sich die bösen und genervten Blicke der übrigen Leidensgenossen in meinen Nacken bohren. Nachdem ich nun schon einen Wehrgraben in das Wartezimmer getrampelt habe,  fliegt die Türe auf und die schrille Stimme der Arzthelferin  hallt durch den Raum: „Frau Drickes bitte!“ Mir wird plötzlich heiß und kalt, Schweißperlchen bilden sich auf meiner Stirn und mein Herz rutscht mir buchstäblich in die Hose. Letztlich bleibt mir nichts anderes übrig als mich zu ergeben, und wie ein Häufchen Elend krieche ich der durchaus höchst sympathischen Dame hinter her.

Nicht ganz freiwillig lasse ich mich in den Folterstuhl sinken. Aus meinen Augenwinkeln heraus erkenne ich, dass mich die Gerätschaften hämisch anlächeln. Bevor ich mich in ein verbales Gefecht mit dem Folterwerkzeug verstricken kann, fliegt die Türe auf und Kojak persönlich steht mit seiner Hornbrille vor mir. Er schüttelt mir kräftig die Hand und schlägt mir freundschaftlich auf die Schulter. Mein Hemd ist inzwischen voll von Angstschweiß, und mein Ringen nach Luft ist in eine Schnappatmung übergegangen.  Verwirrt blicke ich mich in der „Todeszelle“ um und suche verzweifelt nach einem Fluchtweg. Vergebens…Meine Finger krallen sich um die Armlehnen des Stuhls und vor lauter Anspannung bekomme ich einen höllischen Krampf in meinem dicken Zeh. Mein daher sehr verzerrter Gesichtsausdruck entgeht auch dem Doc nicht und dieser lacht, er habe doch noch gar nicht zum Bohrer gegriffen.

Toller Humor des Karies- und Zahnsteinjägers. Während ich mir schon ausmale, auf welche Art ich den guten Mann um die Ecke bringen will, bekommt der Verstärkung. Zwei weitere Gehilfinnen stehen bereit. Die eine vergrößert mit einem schraubstockähnlichem Werkzeug meine Mundöffnung , die andere schmeisst den Miniaturstaubsauger an, der genüsslich meinen Speichel  weg zu schlürfen beginnt. Nachdem Dr. Kojak meinen kompletten Mundraum inklusive Rachen und Zunge umgepflügt hat, tummeln sich statt den anfänglichen zwei harmlosen Watteröllchen mittlerweile acht von diesen verflixten Dingern in meiner Beißschiene. Der „Blombenleger beugt sich nun mit einem ernsteren Gesichtsausdruck zu mir herunter und mustert mich durch seine dicke Hornbrille.

„Frau Drickes, ihre Weisheit muss raus“, verkündet  Kojak sichtlich erfreut, endlich nach zehn Parodontose-Patienten etwas Abwechslung ins seinen Medizineralltag zu bringen. Und bevor ich auch nur irgendetwas durch Körpersprache oder Morsezeichen erwidern kann, feuert mir mein Zahnarzt drei Spritzen in den Rachen, die Zunge und das heilige Zahnfleisch um meine Weisheit. Meine Zunge entwickelt sich zu einem  leblosen Waschlappen, und meine Unterlippe hängt willenlos nach unten, sodass ich meine Kontrolle über sämtliche Körperflüssigkeit im Mund verliere, und ich durchaus Ähnlichkeit mit einer sabbernden Bulldogge habe. Als  Dr. Kojak das Radio lauter dreht,  munter zu dem Song „Time To Say Goodbye“ mitträllert und in einer Schublade eine Zange herauszieht, ist  meine Toleranzgrenze eindeutig überschritten und mir wird schwarz vor Augen. 

Als ich wieder zu mir komme, habe ich nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit einem Menschen. Ich ähnele eher einem Nagetier mit bemerkenswerten dicken Pausbäckchen. Im ersten Moment denke ich an Reinkarnation, dass ich mich im endlosen Kreislauf des Lebens befinde und als kümmerlicher, stummelbeiniger Hamster wiedergeboren worden bin.  Doch plötzlich taucht eine dicke Hornbrille im meinem Blickfeld auf und ich stellte erleichtert fest, dass ich doch nicht die Löffel abgegeben habe. 

Auf der Straße denke ich: Ich habe überlebt. Angst – ich? Pah, wo denken sie hin. Ich doch nicht. Mein Zahnarzt und ich, wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Ich putze, er zieht. Geht doch nichts über eine gute Arbeitsteilung.

Herzlichst

Ihre

Drickina

Katharina Stahl
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