Archiv

Fingerfertigkeit statt Liebesschwüre

bv; 18. Apr 2016, 20:33 Uhr
Oberberg Aktuell
ARCHIV

Fingerfertigkeit statt Liebesschwüre

bv; 18. Apr 2016, 20:33 Uhr
Oberberg - Und wieder redet unser 'Drickes' Klartext. Liebenswürdig, direkt und nachdenklich spießt er den Alltag auf. Heute geht es darum, wie sich das Smartphone in unser Leben schleicht.
Ohne geht es nicht, mancher ist geradezu konsterniert, wenn das kleine Schwarze den Geist aufgibt. Der Kontakt zur Außenwelt scheint verloren, die offenbar ungemein wichtigen Gruppengespräche, die neuesten Gerüchte in den sozialen Netzwerken, Sport- und Styling-Apps - alles weg, wenn der 5-Zöller keinen Mucks mehr macht. Wir sind gefangen in einer Smartphone-Manie, die alles in den Schatten stellt, was Kommunikation einmal ausgemacht hat. Telefonieren, dieser dynamische Prozess von wechselseitigem Reden und Zuhören, von Nachdenken und Gesprächsentwicklung ist eher ein Nebenprodukt dieser kleinen Alleskönner. Was unbedingt funktionieren sollte, ist der Zeigefinger, um möglichst parallel per Eingabe viele Welten des digitalen Orbit aufzuschließen.

Was die einen als Revolution des Telekommunikations-Zeitalters feiern, ist vielfach ein Rückschritt. Empathie, ja sogar Liebe und Zärtlichkeit bleiben auf der Strecke. Glauben Sie nicht? Ist aber so – und Sie können es selbst überprüfen. Zwei Beispiele von vielen: Gaffer gab es natürlich schon immer. Neugierige, die aus Sensationsgier und ohne Rücksicht auf Gefühle möglichst nah an die Orte von Leid und Trauer vordringen, um „dabei zu sein“. Seitdem die Smartphones jedoch Kameras beinhalten, die noch vor einigen Jahren nur hochwertigen Fotoausrüstungen vorbehalten waren, hat das Ganze eine neue Qualität erhalten. Jetzt rücken die Gaffer Helfern und Opfern noch näher, damit man später die Fotos oder Videos in Sozialen Netzwerken verbreiten kann. Facebook echauffiert sich zwar über jede Form von Nacktheit, schaut hier aber achselzuckend zu.


Beispiel zwei: Was waren das Zeiten, als man sich im Teenager-Alter zu einem Rendezvous verabredete, in dunklen Ecken heimlich knutschte, zumindest aber der Partner das wichtigste war, wenn man gemeinsam ausging. Und heute? Man setze sich ein Burger-Haus seiner Wahl oder in ein Cafe oder Bistro. Junge Pärchen, die eindeutig eine Beziehung haben und auf keinen Fall so alt sind, dass sie sich nichts mehr zu sagen hätten, sitzen nebeneinander oder gegenüber. Doch es beginnt kein Gespräch, kein Liebessäuseln, kein Blitzen in den Augen. Beide greifen zunächst zum Smartphone, wischen und drücken was das Zeug hält. Erst nach einigen Minuten löst sich die Spannung – und das Reden beginnt. Schöne neue digitale Welt?

Herzlichst

Ihr Drickes

Bernd Vorländer       
WERBUNG