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Warum die Borkenkäferplage alle Bürger betrifft

db; 17. Apr 2019, 14:50 Uhr
Bilder: Michael Cescotti --- Tristes Bild: Große Waldstücke müssen nach Stürmen und Borkekäferfraß abgeholzt werden. Hier eine Kahlfläche zwischen Berghausen und Elbach.
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Warum die Borkenkäferplage alle Bürger betrifft

db; 17. Apr 2019, 14:50 Uhr
Oberberg – Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Borkenkäfer und für die Rettung der Wälder stoßen manchem Bürger sauer auf, oft aus Unwissenheit, weshalb die Verantwortlichen um Aufklärung bemüht sind und um Verständnis bitten.
Große Kahlschläge, gesperrte Waldstücke, viel Lkw-Verkehr auf den Forstwirtschaftswegen und den umliegenden Straßen – so mancher Bürger hat sich im Gummersbacher Rathaus in den vergangenen Wochen und Monaten bereits über die eine oder andere Maßnahme mit Waldbezug beklagt. Dabei sind all diese und weitere Maßnahmen dringend notwendig, um die hiesigen Wälder vor weiteren Schäden durch die Borkenkäferplage zu schützen. „Es geht um nicht weniger als die Rettung unserer Wälder“, mahnte Bürgermeister Frank Helmenstein heute im Rathaus, wo er und Vertreter des Regionalforstamtes Bergisches Land um Verständnis für die Begleitumstände der Gegenmaßnahmen baten und erläuterten, warum diese „verheerende Tragödie“ nicht nur Waldbesitzer, sondern alle Bürger betrifft.



Der Borkenkäfer gehöre zwar zur Natur, erklärte Michael Cescotti vom Regionalforstamt, aber mehrere Faktoren in der jüngeren Vergangenheit haben zu einer explosionsartigen Vermehrung des Schädlings geführt. Schuld sind zum einen die heftigen Stürme der vergangenen Jahre, die sehr viel Totholz produziert haben, in dem sich der Käfer wohlfühlt. Zum anderen haben die heißen Temperaturen und der regenarme Sommer die Borkenkäfer-Population nach oben schießen lassen. Vielen Bäumen fehlt durch die Trockenheit die Kraft, um sich etwa mit verstärkter Harz-Produktion gegen Schädlinge zu wehren. Ideale Voraussetzungen für den Borkenkäfer, der die Bäume von innen heraus zerfrisst. Ein ebenfalls trockener Winter hat dem Borkenkäfer dann auch in die Karten gespielt, die Ausbreitung für den Käfer schädlicher Pilze blieb so aus.  


[Auf dieser Aufnahme von der Nordhelle bei Berghausen sind die erkrankten Bäume durch die rote Färbung deutlich erkennbar.] 

Das Bergische Land und insbesondere Gummersbach gehören zu den am stärksten betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen durch die Borkenkäferplage. Die Kreisstadt besteht zu über 50 Prozent aus Waldgebieten und davon sind rund 60 Prozent Fichtenwälder, die besonders anfällig sind. 125.000 Kubikmeter Holz wurden durch Stürme und den Borkenkäfer allein 2018 in Gummersbach vernichtet. Zum Vergleich: Jährlich wachsen nur 25.000 Kubikmeter nach. Im gesamten Bergischen Land sieht es nicht viel besser aus. Das Gebiet zwischen Bergisch-Gladbach und Bergneustadt wird im Regionalforstamt schon als „Achse des Grauens“ bezeichnet. Eine Schneise der Verwüstung zeichnet die hiesigen Waldgebiete. Und die Situation wird sich dieses Jahr und auch in den kommenden Jahren weiter verschärfen, wenn nicht konsequent gehandelt wird, betonte Cescotti.    


[Windwurf zwischen Apfelbaum und Hülsenbusch in Gummersbach.]

Die einzige Lösung, um der Lage Herr zu werden, ist das Fällen und schnelle Abtransportieren der Bäume aus den betroffenen Waldgebieten. Und genau das geschieht derzeit an vielen Stellen im Oberbergischen Kreis. Das sorgt unter anderem für die bereits erwähnten Begleitumstände, wie etwa große Kahlflächen, denn mit dem Entfernen einzelner Bäume ist es nicht getan. Waldwege und nahe gelegene Straßen werden durch den erhöhten Schwerlastverkehr zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen. Große Lastwagen müssen sich teilweise durch enge Nadelöhre in kleinen Ortschaften quetschen. Für Spaziergänger kann der Wald mitunter gefährlich für Leib und Leben werden, weil dicke Äste oder ganze Bäume jederzeit herabstürzen könnten oder durch die Forstarbeiten. Gesperrte Waldgebiete sollten von Fußgängern deshalb unbedingt gemieden und entsprechende Hinweise und Absperrungen ernst genommen werden.


[Viele Waldwege sind während des Holzeinschlages gesperrt. Es wird dringend gebeten, die Absperrungen zu befolgen.] 

Es werde alles dafür getan, um Waldverluste zu gering wie möglich zu halten, Waldbrände zu verhindern und die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Autofahrer wiederherzustellen. Mit Profitgier habe das stellenweise massive Abholzen der Wälder nichts zu tun, wie Helmenstein betonte, denn auch dieser Vorwurf komme aufgrund von Unwissenheit immer wieder auf. Das Gegenteil ist der Fall. Waldbesitzer sind von großen wirtschaftlichen Folgen betroffen. Schon jetzt sind die Holzpreise im Keller und die Sägewerke überversorgt. „Wir können unser Holz aktuell noch im Ausland verkaufen, unter anderem nach China. Das ist ökologisch sicher nicht ideal, aber notwendig“, sagte Cescotti. Bis zu 30.000 € Verlust pro Hektar Holz müssen viele Waldbesitzer verkraften und es kann aufgrund der Menge an befallenem Holz längst nicht jedem geholfen werden.    


[Der regionale Holzmarkt ist übersättigt, weshalb auch Holz aus dem Oberbergischen Kreis in Container verladen und nach China verschifft wird.]

Und auch die Wiederaufforstung wird teuer für die Waldbesitzer. Bürgermeister Helmenstein spricht sich deshalb auch für staatliche Hilfen aus. In der großen Politik scheint die Gefahr für die heimischen Wälder aber noch nicht wirklich auf der Agenda angekommen zu sein. Helmenstein: „Das Thema fliegt in der öffentlichen Wahrnehmung weiter unter dem Radar.“ Auch ihm selbst seien die Auswirkungen erst bei einem Lauf um die Aggertalsperre deutlich geworden. Deshalb seien Aufklärung und Einordnung wichtig. Auf Anregung aus Gummersbach soll es in einigen Wochen einen landesweiten Informationsflyer geben. Auf ihrer Homepage hat die Stadt Gummersbach bereits die wichtigsten Fragen und Antworten zur Borkenkäferplage und deren Folgen veröffentlicht.


[Mancherorts sind auch Bäume in unmittelbarer Nähe zu Straßen betroffen und müssen entfernt werden. Hier an der L307 kurz hinter Gummersbach-Birnbaum.]

Aktuell fokussieren sich die Arbeiten auf Gebiete mit frischem Käferbefall, also auf Bäume, die für das ungeschulte Auge zunächst gesund aussehen. Im vergangenen Winterhalbjahr wurden dafür bereits 120.000 junge Bäume auf die kahlen Waldflächen gepflanzt, allerdings keine Fichten. „Wir stellen uns den Wald der Zukunft als Mischwald vor mit Baumarten, die mit den künftigen Klimabedingungen besser klarkommen“, erklärte Cescotti. Seine Kollegin Chrstina Amling verdeutlichte mit einer kaum greifbaren Zahl noch einmal, wie sich der Borkenkäfer ohne Gegenmaßnahmen weiter vermehren würde: Allein die Population eines einzelnen befallenen Baumes hat das Potenzial einer Nachkommenschaft von 1 Milliarde 500 Millionen Borkenkäfern.


[Eine Wiederaufforstung nach dem Orkan Kyrill in der Nähe von Strombach. Ein Mischbestand aus Laub-und Nadelbäumen.]
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