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Wenn Beifall zum Politikum wird

bv; 12. Apr 2019, 08:25 Uhr
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Wenn Beifall zum Politikum wird

bv; 12. Apr 2019, 08:25 Uhr
Lindlar – Rat lehnt Antrag der Grünen ab, die Applaus und Missfallen von Zuhörern bei Sitzungen von Rat und Ausschüssen erlauben wollten.
Von Bernd Vorländer

War das jetzt noch Realpolitik oder doch eher Realsatire. Jedenfalls ließ es sich die Lindlarer Kommunalpolitik nicht nehmen, fast eine Stunde über den tieferen Sinn des Klatschens im Rahmen einer Rats- oder Ausschusssitzung zu diskutieren. Wie weit geht eigentlich Demokratie, was ist gewünscht, wo fängt ungebührliches Verhalten an, ist die Konzentrationsfähigkeit von Ratsmitgliedern gefährdet, wenn Zuhörer Emotionalität zeigen? Fragen über Fragen, die die Grünen mit einem Antrag aufgeworfen hatten. Sie hatten sich in der vergangenen Ratssitzung daran gestört, dass Bürgermeister Dr. Georg Ludwig Zuhörern, die nach dem Wortbeitrag eines Ratsmitglieds klatschten, gemahnt hatte, dies zu unterlassen, da dies nicht gestattet sei. Für Grünen-Fraktionschef Patrick Heuwes war der Rathauschef damit deutlich übers Ziel hinausgeschossen.


Es gehe mit dem Antrag, Zustimmung oder Ablehnung durch Zuhörer nach Redebeiträgen zuzulassen, nicht darum, das Hausrecht in Frage zu stellen, sondern Demokratie erlebbar und lebendiger werden zu lassen. Heuwes warf dem Bürgermeister in dem Antrag der Grünen vor, die Geschäftsordnung des Rates überinterpretiert zu haben. Das sah die Verwaltung komplett anders. Im Unterschied zu gewählten Ratsmitgliedern, die das Recht zu Äußerungen, Zwischenrufen, Beifall oder Ablehnung besäßen, gelte dies nicht für Zuhörer. Letztere müssten alles unterlassen, was auf den Gang der Sitzung Einfluss haben könne. Dazu gehörten eben auch Beifalls- oder Missfallenskundgebungen.

Ähnlicher Meinung war auch CDU-Fraktionschef Hans Schmitz. Inzwischen gebe es bei Sitzungen in Lindlar eine Entwicklung, die ihm und seiner Fraktion Sorge bereite. Ausschuss- und Ratsmitglieder würden bei Meinungen und Abstimmungen verbal angegangen, wenn sie nicht der Meinung der Zuhörer entsprächen. „Das ist nicht akzeptabel. Wir müssen als Volksvertreter störungsfrei und ohne Druck unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen“, so Schmitz. Sein Fraktionskollege Eckhard Puschatzki sah den Antrag der Grünen als Versuch der Polarisierung. Das stoße auf Widerstand der CDU.

SPD-Chef Michael Scherer bewertete das Verhalten der CDU als „dünnhäutig“. Die SPD-Fraktion habe nichts gegen Applaus. „Wir können da keine Störung erkennen“, so Scherer. Die FDP warb dafür, die Dinge gelassener zu sehen und daraus kein Politikum zu machen.  Mit den Stimmen der CDU lehnte die Ratsmehrheit den Antrag der Grünen ab. Beifall und Missfallen bleiben für Zuhörer demnach bei Sitzungen verboten. Das brachte Patrick Heuwes denn auf die Idee, den Zuhörern für die Zukunft eine direkte Zusammenarbeit anzubieten. „Wir stellen uns gerne als Klatschpaten zur Verfügung. Zuhörer müssen uns nur einen Wink geben.“

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