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Domkerze, Dampfross und einige Neuerungen

ls; 3. Mar 2019, 18:35 Uhr
Bilder: Oliver Müller, Leif Schmittgen (Artikelbild 3, Galleriebilder 1 und 2) --- Die „Berjischen Pänz“ aus Hohkeppel zollten den Zechen im Ruhrgebiet Tribut.
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Domkerze, Dampfross und einige Neuerungen

ls; 3. Mar 2019, 18:35 Uhr
Lindlar – Et Sönnche schien zwar nicht am Himmel, dafür aber in den Herzen unzähliger Jecken, die den bisher größten Lindlarer Karnevalszug ausgiebig genossen.
Von Leif Schmittgen

Sorgenfalten hatte der Prinz der Karnevalsgesellschaft  Rot-Weiß Lindlar kurz vor Start des Zuges um kurz vor 14 Uhr doch auf der Stirn: Er nahm probehalber im Polizeiwagen Platz. „Hier bleibe ich, weil ich ein Dach über dem Kopf habe“, haderte er wegen des schlechten Wetters am Sonntagmorgen. Letztlich blieb er doch nicht im vorausfahrenden Streifenauto, sondern bestieg den Prinzenwagen und jubelte von dort unter freiem Himmel den Jecken zu.  


[Oliver Knauf feierte eine gelungene Premiere als Zugleiter.]

Es war offensichtlich auch sein Verdienst, dass der Dauerregen kurz vor dem Startschuss eine Pause einlegte, womit sich der Kummer des Regenten in letzter Minute verflüchtigt hatte: „Wir haben im Kölner Dom extra eine Kerze für trockenes Wetter angezündet. Das zweite Licht für die Sonne haben wir dummerweise vergessen“, scherzte er und ließ sich trotz Wolken die „Sonne im Herzen“ nicht rauben. 

Es gab einige Premieren beim diesjährigen Spektakel. Es war mit insgesamt 42 Gruppen und Wagen (bisher 36), darunter fünf Debütanten, der bisher größte Umzug in der Gemeinde und das genau war der Wunsch des neuen Zugleiters Oliver Knauf, der das erste Mal die Federführung vom langjährigen Cheforganisator Manfred Scholz übernommen hatte: „Wir wollten größer werden“, hatte er sich auf die Fahne geschrieben. Als ehemaliger Feuerwehrchef von Remshagen kennt er sich mit Planungen gut aus, der Karneval liegt ihm seit seinen Kindertagen sowieso im Blut. „Mich erwischt es direkt mit der vollen Breite“, lachte Knauf, denn Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes hatten am Vormittag die Führerscheine der Wagenlenker kontrolliert und auch stichprobenartig Alkoholproben genommen. „Es war alles in bester Ordnung“, zeigte er sich erleichtert und genoss letztlich die Fahrt durch die tosende Menge im Ortszentrum.


Einer der neuen Teilnehmer waren die „Berjischen Pänz“ aus Hohkeppel. „Wir haben in einer Bierlaune beschlossen, einen Wagen zu kaufen und mitzufahren“, sagte Raphael Eich, der sich mit 20 Teilnehmern samt Wagen für die Zugteilnahme angemeldet hatte. „Die letzte Zeche schließt, wir zechen weiter“, lautete das Motto der Freunde. Damit setzten sie nicht nur den Bergbauern im Ruhrgebiet ein Denkmal, sondern drückten auch ihre Zuneigung zum Gerstensaft aus. Seit dem vergangenen April hatten sie an ihrem Wagen gewerkelt.  
 
[Für die "Lenkeler Indians" stand der Spaß im Mittelpunkt.]

Fast genauso lange dauerte auch der Bau von Lokomotive „Emma“, die mit „Jim Knopf“ am Steuer und den Meggener Jecken im Rücken mächtig (Wasser-) Dampf im Lindlarer „Lummerland“ machte. Die Rundwände der Lokomotive waren für die Wagenbauer eine besondere Herausforderung. Man löste das „Problem“ mit biegsamen Sperrholzwänden für Kleiderschränke. „Lindlar war im letzten Jahr total geil. Deswegen war für uns klar, wieder dabei zu sein“, meinte Leon Tatzek. Den Karnevalisten aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis war 2018 die Teilnahme am Overather Zug verwehrt worden, weshalb man in die Oberbergische Nachbargemeinde auswich.
 
[42 Teilnehmergruppen waren dabei: Rekord in Lindlar.]

„Wir wollen nicht die Welt verbessern, sondern einfach nur Spaß haben“, verriet Daniel Scholz, der schicke Indianerkostüme in einem Laden entdeckte und deswegen mit 25 Freunden und Verwandten als "Lenkeler Indians" im Gewand der amerikanischen Ureinwohner "völlig unpolitisch" teilnahm - nebst liebevoller Westerngestaltung des Wagens.  


[Viele Tanzeinlagen der Fußgruppen im Zug sorgten für tolle Stimmung in Lindlar.]

Nicht nur von den insgesamt zwölf Festwagen, auch von den zahlreichen Fußgruppen flogen reichlich Kamelle in Richtung des jauchzenden Volks am Straßenrand. Tänzer, unter anderem die KG „Sünger Butzen“ und die Tanzgruppe des TuS Lindlar, sorgten für prächtige Stimmung, begleitet von insgesamt fünf Musikgruppen. Für brasilianisches Flair sorgt seit vielen Jahren die Gruppe „Sambalocco“ und unter anderem ließen auch die Mitglieder des Musikvereins Linde mit dem richtigen Ton et Sönnche in allen Jeckenherzen strahlen.
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