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„Eine gute Zwischenlösung, aber kein Ersatz“

fj; 6. Sep 2018, 13:15 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- 'Sascha' war das erste Stück, das im Rahmen der Reihe 'Bühne 32' in der Halle 32 gezeigt wurde.
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„Eine gute Zwischenlösung, aber kein Ersatz“

fj; 6. Sep 2018, 13:15 Uhr
Gummersbach - Bei der gestrigen Theateraufführung in der Halle 32 blieben viele Plätze leer - Besucher, die sich auf die „Bühne 32“ eingelassen hatten, waren zumeist positiv überrascht und sahen mit „Sascha“ eine witzige und intelligente Komödie.
Über die Hälfte der eigens in der Halle 32 aufgestellten Stühle blieben gestern bei der Premiere der Theaterprogrammreihe „Bühne 32“ leer. Ob dabei das Stück, eine Beziehungskomödie, in deren Mittelpunkt ein schwules Paar stand, oder das Konzept „Theater in der Halle 32“ die Zuschauer abschreckte, blieb ungewiss – klar wurde aber: Wer sich sowohl auf das Stück wie auch auf das Konzept einließ, wurde nicht enttäuscht. „Ich bin eine große Freundin des alten Theaters, darum war ich sehr skeptisch, was den heutigen Abend angeht. Aber gerade ein Stück wie das heutige, bei dem es keine häufigen Wechsel des Bühnenbilds gibt, funktioniert in der Halle 32 sehr gut“, zeigte sich eine Besucherin aus Lieberhausen in der Pause positiv überrascht. 


[Thomas Rohmer als Arno (li.) und Raphael Stompe als Ben.]

Ihre Begleiterin aus Wiehl lobte die gute Akustik, die gute Sicht und die Beinfreiheit, die die im großzügigen Abstand auf Podesten aufgestellten Stuhlreihen den Besucher gewährten. „So wie das Theater hat auch die Halle 32 ihren eigenen Charme und beides kann man mögen“, sagte sie. Einig waren sich aber beide Damen: „Das Theater muss nichtsdestotrotz erhalten bleiben. Opern oder große Musicals sind in der Halle nicht vorstellbar. Theater in der Halle 32, das ist vorerst ein guter Ersatz, aber keine dauerhafte Lösung.“ Der Meinung war auch ein Besucher aus Dümmlinghausen: „Ich dachte, hier würde die Atmosphäre komplett fehlen, aber ich wurde eines Besseren belehrt und bin wirklich positiv überrascht.“ Doch auch hier das Fazit: „Das Stadttheater ist und bleibt unser Theater und kann nicht einfach ersetzt werden“.



Klar war aber auch: Das Stück des Abends passte zu der modernen Atmosphäre der Halle 32. Mit seinem Biss, Witz und auch den schlüpfrigen Elementen hatte das Bühnenstück „Sascha“ von Martin Nowatzyk und Uli Sandau alles, was eine moderne Komödie haben muss – und war dennoch zugleich Gesellschaftskritik auf hohem Niveau. Zum Inhalt: Arno (Thomas Rohmer) und Ben (Raphael Stompe) wollen den zehnten Jahrestag ihrer Beziehung mit einem gemütlichen Abend daheim feiern. Doch unabhängig voneinander haben beide Sascha kennengelernt – blond, sexy und durchtrainiert. Während Arno ihm ein Buch aus der Tasche „klaut“, nur um es ihm zurückgeben zu können, geht Ben einen Schritt weiter: Er lädt Sascha zum Jubiläums-Essen ein. Und schon ist das vertrackte Dreiecksspiel perfekt: Beide sind aufgeregt und eifersüchtig zugleich, und während sie noch überlegen, wie sie den Dreamboy für sich begeistern können, werfen sie dem jeweils anderen vor, scharf auf Sascha zu sein - und sind es doch unzweifelhaft selbst.


[Das homosexuelle Paar steckt tief in einer Beziehungskrise.]

Dabei sparte die Inszenierung der Theatergastspiele Fürth nicht mit schwulen Klischees und schafft es trotzdem, jeder Beziehung den Spiegel vorzuhalten – egal ob hetero- oder homosexuell. Denn wer kennt diese Selbstzweifel, Vorwürfe, Eifersüchteleien und auch „Notlügen“ nicht aus der eigenen Partnerschaft? Und während sich das Paar auf der Bühne um ein Haar gegenseitig an die Hälse geht, wird der Auslöser des Streits auf der Bühne in persona nie sichtbar. Präsent ist der „Supertyp“ trotzdem permanent, nicht nur als Thema zwischen den „männlichen Zicken“, sondern auch als großer, das komplette Bühnenbild dominierten Aufsteller in gleich vierfacher Ausführung.  

Am Ende des Stücks kommen die beiden natürlich zu der Einsicht, dass der jeweils andere das Beste ist, was ihnen jemals passieren konnte. Wenn sich der korpulente Arno und der inzwischen nur noch mit einer Unterhose bekleidete Ben dann küssend auf dem Sofa wälzen, war eine gewisse Irritation im Publikum spürbar: Darf man das zeigen? An der jeweils eigenen Reaktion konnte jeder Zuschauer erkennen, wie sehr er die gleichgeschlechtliche Liebe schon als Normalität akzeptiert hat. Auch dieses Spielen mit Irritationen machte das Stück zu mehr als einer bloßen Komödie über Homosexualität.
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