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VR-Brille statt Holzmodell

nh; 21. Aug 2018, 07:35 Uhr
Bilder: Unitechnik Systems GmbH --- Mit einer VR-Brille werden die geplanten Logistikanlagen von Unitechnik erlebbar.
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VR-Brille statt Holzmodell

nh; 21. Aug 2018, 07:35 Uhr
Wiehl - Das Unternehmen Unitechnik setzt seit einem Jahr zur Planung neuer Logistikzentren auf virtuelle Szenarien und zeigt damit, dass Virtual Reality nicht nur Zocker-Herzen höherschlagen lässt.
Von Nils Hühn

Man muss nur eine etwas klobige schwarze Brille aufsetzen und einen Controller in die Hand nehmen: Schon taucht man ab in eine virtuelle Welt. Plötzlich findet man sich in einer großen Lagerhalle wieder und von der Seite rauscht ein Regalbediengerät (RBG) vorbei, dem man reflexartig ausweicht. Wenig später teleportiert man sich in 28 Meter Höhe und steht dort, wo später einmal Gitterboxen oder Paletten verstaut werden sollen. Wer Höhenangst hat, wird sicher weiche Knie bekommen, denn es ist wirklich realistisch. Wieder auf festem Boden angekommen, kann man an einem Arbeitsplatz auch Pakete und Kisten tragen oder auch durch die Gegend schmeißen - ein wenig fühlt man sich, wie in einem Spiel.


[Bereits in einem sehr frühen Stadium der Planungsphase können sich Kunden einen genauen Überblick verschaffen, wie das künftige Logistikzentrum und die dortigen Arbeitsplätze aussehen sollen.]

„Die VR-Technik ist im Spielesegment schon sehr weit entwickelt. Teile aus diesem Bereich machen wir uns zu nutzen, um diese in unserem Business einzusetzen“, erklärt Dennis Heuser, CAD-Konstrukteur im Hause Unitechnik. Aus seiner Feder stammen sonst „nur“ die Zeichnungen für mögliche Anlagen. Aber er ist im Wiehler Unternehmen mit Sitz im Industriegebiet Bomig auch für die Erstellung der Virtual-Reality-Modelle zuständig. „Da kann man sich kreativ austoben“, ist Heuser mit voller Begeisterung dabei. „Teilweise ist es, als ob man bei der Arbeit spielen dürfte.“


Die Vorteile dieser VR-Modelle gegenüber einer klassischen Zeichnung oder auch einer 3D-Zeichung liegen auf der Hand. „Unsere Kunden können sofort erleben, wie ihr Projekt aussehen kann“, erklärt Unitechnik-Geschäftsführer Dr. Ralf Lüning. Die Rückmeldungen seien durchweg positiv, wenn zunächst die Vertriebsmitarbeiter mit den virtuellen Szenarien bei den Kunden vorstellig werden. Im Laufe der fortschreitenden Planungen eines Unitechnik-Projekts werden die Zeichnungen, die in das VR-Modell eingearbeitet werden, immer ausgereifter und an die Bedürfnisse angepasst.


[Die Greifhöhe an diesem Arbeitsplatz ist zu hoch, um problemlos in den oberen Behälter zu greifen, weshalb ein Extra-Tritt gebaut wird.]

„Dadurch können an Arbeitsplätzen die Greifhöhen überprüft werden“, nennt Lüning ein Beispiel aus der Praxis. „Im Idealfall können wir die Änderungen noch tagesgleich vornehmen“, ergänzt Heuser. Früher, also vor wenigen Jahren, wurden noch Zeichnungen an einen Modelbauer weitergegeben, der dann ein Holzmodell anfertigte, damit sich der Kunde das Endprodukt besser vorstellen konnte. „Wir sind jetzt wesentlich flexibler und können unsere Kunden am aktuellen Planungsstand teilhaben lassen“, und das unabhängig von räumlichen Grenzen, so Lüning.

Auch Planungsfehler können leichter aufgedeckt und vor der Projektumsetzung behoben werden. Bei einem Kunden fiel beim Eintauchen in das virtuelle Lager auf, dass an einem Kommissionierarbeitsplatz die Greifhöhe zu hoch war, um dort problemlos in die Behälter zu greifen. „Hier wird nun ein Extra-Tritt gebaut“, so Dennis Heuser. Für den Landmaschinenkonzern Claas realisiert Unitechnik aktuell ein neungassiges Hochregallager, in dem 58.000 Gitterboxen und Paletten Platz finden sollen. Die Mitarbeiter der Firma Claas konnten vor der Auftragsvergabe den virtuellen Arbeitsplatz testen und sich einen Eindruck von den ergonomischen Bedingungen machen.


[Pakete und Kisten können an den virtuellen Arbeitsplätzen bewegt und so Arbeitsabläufe simuliert werden.]

Ein weiterer Vorteil der neuen Technik ist, dass bereits vor der Inbetriebnahme Mitarbeiter geschult werden können. „Im Optimalfall kennen die künftigen Benutzer schon ihren Arbeitsplatz, ohne ihn wirklich gesehen zu haben“, so Lüning. Unitechnik bietet frühzeitig Workshops an, bei denen in der geplanten Anlage via Virtual Reality bereits Arbeitsabläufe durchgespielt werden können. „Nach der Fertigstellung können wir die VR-Modelle auch noch für die Wartung nutzen. Möglicherweise erspart man sich so weite Fahrten und kann Probleme schneller beheben“, so der Geschäftsführer. Schließlich ist das Wiehler Unternehmen weltweit unterwegs und baute unter anderem die Logistikanlage für Afrikas größtes Cargoterminal in Äthiopien.

Froh und stolz ist man bei Unitechnik, dass man die neuen Möglichkeiten für die Lagerplanung realisieren konnte, ohne Hilfe von externen Firmen zu beanspruchen. „Alles kommt aus unserem Haus“, gibt es laut Lüning sehr kurze Wege und für die Kunden einen Ansprechpartner. Um dies zu gewährleisten, ist man bei dem Unternehmen immer auf der Suche nach Entwicklern, Technikern und Ingenieuren. Doch auch in Wiehl macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. „Wir könnten noch mehr Projekte umsetzen und expandieren“, ist sich Lüning sicher. Vielleicht hilft die Offenheit für neue Techniken, wie die virtuelle Darstellung im industriellen Umfeld, bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Aber auch so ist man sich bei Unitechnik sicher, mit den Möglichkeiten der Virtual Reality auf das richtige Pferd gesetzt zu haben.
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